Viele Menschen streben nach persönlicher Weiterentwicklung, auch im Urlaub. Hoteliers bieten deshalb attraktive Packages an, von Morgenmeditationen bis hin zu Klosterkursen mit Benediktiner-Mönchen.
Wie sich Führungskräfte in der Hotellerie mittels Coaching für aktuelle und künftige Herausforderungen fit machen, darüber haben wir in der vorhergehenden Ausgabe von Tophotel (Heft 10–11.2024) ausführlich berichtet. Nun geht es darum, wie Hoteliers das Thema Coaching erfolgreich in ihr Geschäftsmodell integrieren. Also wie Angebote rund um Coaching aktiv als Leistung angeboten werden können. Was sich beim Blick auf bestehende Angebote zeigt: Oft sind sie aus einem eigenen Coaching-Prozess entstanden.
Erst Businesscoach, dann Gastgeber
Bei Dominique Klein war es umgekehrt. Seine Kompetenz war zunächst das Coaching – zu Hoteliers wurden er und seine drei Partner erst später im Quereinstieg. Kurze Rückblende: Der ehemalige Basketballprofi, der in der ersten Division der NCAA in den USA spielte, verfügt über einen Bachelor-Abschluss in Psychologie und Kommunikationswissenschaften sowie einen Master in Friedens- und Sicherheitspolitik. 2019 gründete Klein die Firma Wolf & Adler Consulting, um Menschen und Unternehmen durch Veränderungsprozesse und insbesondere Führungskräfte in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu begleiten. Nun hat Klein ein neues Projekt: den Ellernhof in Dahlenburg. Nach umfassender Renovierung wurde das Retreat Center, das von zehn Hektar Grundstück umgeben und in eine Naturlandschaft eingebettet ist, 2023 eröffnet. Ausgestattet mit zwölf Doppel-, 22 Einzelzimmern, fünf unterschiedlich gestalteten Tagungsräumen sowie hauseigenem Restaurant bietet es ein umfassendes Angebot an Achtsamkeits- und Persönlichkeitsentwicklungs-Seminaren. Es richtet sich sowohl an Retreat- und Tagungsgäste als auch an erholungsuchende Privatpersonen.
Thomas Schlechter hat eine ähnliche Entwicklung hinter sich. Auch er hat sich zunächst als Businesscoach für Unternehmer sowie als Autor von Büchern wie „100 Prozent in Bestform“ einen Namen gemacht, bevor er Gastgeber wurde und nun auch „Urlaub beim Coach“ anbietet. An sein Wohnhaus am Fuße der Zugspitze baute er ein hochwertiges Apartment und einen multifunktionalen Seminarraum an. Das Apartment bietet Platz für bis zu vier Personen. Es beinhaltet unter anderem eine voll ausgestattete Küche sowie einen Kamin; eine acht Meter breite Glasfront gibt den Blick frei auf ein 7.000 Quadratmeter großes nicht einsehbares Areal. Neben Einzelcoachings finden im Seminarraum Veranstaltungen mit bis zu 15 Teilnehmenden statt. „Die Nachfrage kam von meinen Kunden. In meiner Location können sie eine Woche entspannen und während ein bis zwei Tagen mit mir intensiv an ihren persönlichen Themen arbeiten. Die lockere Stimmung im Urlaub verstärkt den kreativen Prozess und führt zu ungeahnten Ergebnissen“, berichtet Thomas Schlechter.
Bodo Janssen, CEO der Upstalsboom-Gruppe, und Dominic Müller, Eigentümer und Gastgeber des Hotels Ritter Durbach, beschäftigen sich intensiv „mit der Zukunftsfähigkeit des Urlaubstourismus“. Beide sehen insbesondere beim Thema psychosoziale Gesundheit eine Perspektive mit Potenzial. Bodo Janssen hat dafür die Unternehmenssparte „Upstalsboom Wegbegleiter“ ins Leben gerufen, Dominic Müller das Konzept „The Meaning Hotel“ lanciert. Beide haben zunächst Strukturen für die fachliche und persönliche Entwicklung ihrer Mitarbeitenden geschaffen, diese dann ausgebaut und für Gäste geöffnet. Persönliche und Unternehmensbegleitung, Systemaufstellungen, Persönlichkeitsanalysen, Seminare, Workshops und sogar Klosterkurse mit den Benediktinern der Abtei Münsterschwarzach – das alles wird von den Upstalsboom Wegbegleitern angeboten. In manchen Gruppen kommen Mitarbeitende mit Gästen zusammen – eine „wertvolle Kombination“, so Janssen.
Gäste nachhaltig glücklich machen
Das Angebot scheint gut anzukommen: „Die Nachfrage ist hoch, Klosterkurse beispielsweise sind oft innerhalb von 24 Stunden ausgebucht“, berichtet Mirco Hitzigrath, Geschäftsführer der Upstalsboom Wegbegleiter. Und welche Gäste kommen? „Das Spektrum ist breit: Es sind Privatpersonen oder Unternehmer. Viele Aufenthalte werden von Arbeitgebern, vor allem aus dem sozialen und christlichen Bereich sowie dem öffentlichen Dienst, bezahlt. Die Polizei beispielsweise ist stark vertreten, da tut sich viel“, so Bodo Janssen. Ebenfalls erwähnenswert: Mit dem Upleven betreibt die Upstalsboom-Gruppe ein Hotel, in dem es kein Fernsehen, kein Telefon, keine Events, keinen Lärm und stattdessen Raum für Zeit in Stille gibt. „Wir arbeiten außerdem an einem ‚Campus des Seins‘“, kündigt Bodo Janssen an, der darüber hinaus medizinische Angebote sukzessive in den Vordergrund rücken möchte.
“Die Nachfrage ist hoch. Klosterkurse sind oft in 24 Stunden ausgebucht.”
Mirco Hitzigrath, Geschäftsführer der Upstalsboom Wegbegleiter
„Unsere Gäste nachhaltig glücklicher machen“ – so lautet die Vision im Hotel Ritter Durbach. Inhaber Dominic Müller zog sich im Winter 2020 allein in eine kleine Berghütte in Österreich zurück und stellte sich die Frage: „Wie können wir unseren Gästen mehr mitgeben als nur zwei, drei glückliche Tage?“ Seine Antwort: das Konzept „The Meaning Hotel“. Es basiert unter anderem auf Coaching-Angeboten zu verschiedenen Themen, dafür wird mit 40 Coaches, dem Buddhistischen Zentrum Schwarzwald und dem „Schwarzwald-Schamane“ kooperiert. Ehefrau Ilka Müller fungiert als Meaning-Concierge und führt Coachees und Coaches zusammen. Das Ganze wird auf individuellen Wunsch durch Morgenmeditationen, Wellness, Bewegungstherapie (BGM), Ausflüge und gutes Essen ergänzt. „Wir möchten den Gästen die Möglichkeit bieten, wieder zu sich selbst zu finden, denn wir erfahren in unserer schnelllebigen Welt viel zu viel Ablenkung von uns selbst“, erläutert Dominic Müller und ergänzt: „Das Gleiche gilt auch für Firmen: Durch das Homeoffice sind viel Identifikation, Innovation und Teamgeist verloren gegangen. Hier bieten wir einen bunten Blumenstrauß an Angeboten. Es ist selten geworden, dass bei uns einfach nur getagt wird.“
Netzwerk aus Trainern und Coaches
Klassische Tagungen gehören auch bei den Seminaris Hotels der Vergangenheit an, und der Weg dorthin ähnelt den zuvor geschilderten Berichten. „We make people grow“ lautet das Versprechen des Unternehmens. „Seit 2019 transformieren wir unsere Organisationsstruktur, dabei steht die Entwicklung der Menschen im Mittelpunkt – sowohl unserer Mitarbeiter als auch unserer Gäste und Kunden“, erläutert CEO Jochen Swoboda von den Seminaris Hotels.
Und, so Swoboda, „wir haben ein großes Netzwerk an Trainern, Coaches und Moderatoren aufgebaut, die uns selbst als Sparringspartner unterstützen und die unsere Kunden bei Workshops in unseren Tagungsdestinationen begleiten.“
Dieser Artikel ist in der Tophotel-Ausgabe 12-2024 erschienen.