„Schwache Auslastung trotz Rekord bei Übernachtungen“, titelte die Basler Zeitung im Februar, als Basel Tourismus die Zahlen 2023 präsentierte. Die Auslastung in den ca. 70 Basler Hotels sank 2023 von 64,6 auf 56,3 Prozent. Grund: zu viele Hotelbetten, weniger Businessgäste. Wie präsentiert sich die Lage am Rhein im Sommer 2024? Hotel Inside sprach mit Franz-Xaver Leonhardt, Präsident von HotellerieSuisse Basel.
Wer spricht da von einer „Krise“ in der Basler Hotellerie? Zwar leiden die meisten Basler Hotels unter der Tatsache, dass die Auslastung im Jahr 2023 von 64,6 auf 56,3 Prozent gesunken ist, doch bei den Logiernächten erzielte man Rekordzahlen. «Alles, was unter 60 Prozent liegt, ist langfristig nicht tragbar, um auch Investitionen decken zu können», so Letizia Elia, Direktorin bei Basel Tourismus.
Immerhin: 2023 war für den Basler Tourismus ein Rekordjahr, wenn man die nackten Übernachtungszahlen anschaut: Gegenüber dem Rekordjahr 2019 haben 3,6 Prozent mehr Gäste in Basel übernachtet, gesamthaft sind das 1,47 Millionen Übernachtungen.
Zu viele Hotelbetten in Basel
Warum sinkt in Basel die Auslastung in den Hotels? Laut Basel Tourismus wurden während und nach der Pandemie in der Stadt Basel zahlreiche neue Hotels eröffnet. Zum Beispiel das neue Mövenpick Hotel am Bahnhof SBB, das Märthof Hotel, das umgebaute Volkshaus oder das Holiday Inn in Allschwil. So stieg die Anzahl der Hotelzimmer von 4467 (2019) auf 4765 im Jahr 2023. Fazit: zu viele Hotelbetten.
Hotel Inside sprach in Basel mit mehreren Hoteliers über die Jahre nach der Pandemie und die aktuelle Lage. Fazit der Gespräche:
- Das Corporate-Business in Basel ist seit der Pandemie stark eingebrochen. Grund: weniger Geschäftsreisen. «Bis 2019 haben uns die Chemie- und Pharmaindustrie sowie die Banken die Zimmer gefüllt», so ein Hotelier, «jetzt fehlen uns allein von Roche etwa 100 000 Logiernächte pro Jahr.»
Der Wegfall der grössten Uhren- und Schmuckmesse der Welt («Baselworld») und die Tatsache, dass die «Mustermesse Basel» (Muba) der Vergangenheit angehört, wirkt sich ebenfalls negativ auf Übernachtungszahlen und Auslastung aus. Allein die «Baselworld» generierte jährlich mehr als 70 000 Logiernächte.
Basel ist es – im Vergleich zu Zürich – noch immer nicht gelungen, das Freizeit- oder Leisure-Segment nachhaltig zu aktivieren. «Man ist in Basel weit davon entfernt, eine attraktive Freizeitdestination zu sein», so ein Hotelier, der hier nicht genannt werden möchte.
- Basel positioniert sich zwar als Kultur- und Kunststadt – mit weltweit einzigartigen Angeboten (Kunstmuseum, Fondation Beyeler, Tinguely-Museum, Art Basel usw.), aber der Anteil Kunst- oder Kulturgäste macht gerade mal etwa 8 bis 10 Prozent aus.
- In Basel fehlen grosse Konzerte. «Bands wie die Rolling Stones oder Mega-Stars wie Taylor Swift treten alle in Zürich auf – leider nicht in Basel», so Martin von Bertrab, CEO von Bâle Hotels und Vorstandsmitglied im Basler Hotelierverein.
Accor beherrscht Basler Hotellerie
Trotz positiver Logiernächte-Bilanz 2023 und 2024 (erstes Halbjahr) leidet Basel unter Überkapazitäten, will heissen: es gibt zu viele Hotelbetten. Folglich geraten auch die Zimmerraten unter Druck, was sich in einer eher negativen RevPar-Entwicklung (vor allem im 4-Sterne-Segment) widerspiegelt. «Wir schaffen es nicht mehr, übers ganze Jahr ein einigermassen hohes, stabiles Preisniveau zu halten», so ein Hotelier aus Basel. Hinzu kommt die Tatsache, dass Accor, der grösste Hotelkonzern Europas, in Basel einen Marktanteil von knapp 40 Prozent hat. Mit anderen Worten: Accor beherrscht indirekt den Basler Hotelmarkt und «diktiert» in einem gewissen Sinne auch die Ratenpolitik. «Wenn die Accor-Hotels die Preise senken, müssen wir zwangsläufig mitziehen», so ein Hotelier, der anonym bleiben will.
Für Letizia Elia, Direktorin bei Basel Tourismus, steht fest: „Es ist nicht das Ziel von Basel Tourismus, die Hotelkapazitäten zu verringern“, so Elia im Februar dieses Jahres zur Basler Zeitung (BAZ). «Wir brauchen die aktuellen Hotelzimmer, damit Basel auch in Zukunft eine attraktive Messe- und Kongressdestination bleibt.» Vielmehr müssten die beiden Segmente Freizeit- und Kongresstourismus weiter gestärkt werden, um den pandemiebedingten Wegfall eines grossen Teils des Geschäftstourismus kompensieren zu können.
«Der Geschäftstourismus war ein Selbstläufer», so Letizia Elia in der BAZ. Im Gegensatz dazu müsse der Freizeittourist Jahr für Jahr von der Destination Basel überzeugt werden. Und wenn er dann da sei, sollte er auch länger bleiben. Dies soll mit einem breiteren Angebot erreicht werden. Kooperationen, wie sie mit der Pharmaindustrie aktuell bestehen und beispielsweise die Führung durch den Novartis-Campus ermöglichen, sollen deshalb ausgebaut werden.
«Alles, was Basel im Freizeitbereich attraktiv macht, ist für uns wichtig.» Dazu zähle zum einen das grosse Angebot an Museen und Galerien, aber auch architektonisch habe Basel viel zu bieten. Die Stadt solle gezielt als Alternative zum Massentourismus positioniert werden. «Den Tinguely-Brunnen kann man noch anschauen, ohne sich wie beim Trevi-Brunnen in einer Menschenmasse zu bewegen», betont die Direktorin von Basel Tourismus.
Mit dem Convention Bureau Basel und dem Guest Service von Tourismus Basel sei man auf gutem Weg mit der persönlichen und gezielten Vermarktung des Kongresstourismus, so Letizia Elia.
Bleibt die „Art“ in Basel?
Wie bereits erwähnt, mit dem Wegfall der «Baselworld» (Uhren- und Schmuckmesse), die 2019 zum letzten Mal stattfand, fehlen jährlich rund 70 000 Logiernächte. Umso wertvoller für die Basler Hoteliers ist die «Art Basel», die weltweit grösste Messe für zeitgenössische Kunst. Laut Hotelmanager Martin von Bertrab ist die «Art Basel» die einzige Veranstaltung, an der die Nachfrage nach 5-Sterne-Hotels grösser sei als das Angebot. Basel verfügt mit dem «Les Trois Rois» über ein einziges Hotel in der Luxuskategorie. Ansonsten sei die Nachfrage im Luxussegment nicht vergleichbar mit Städten wie Zürich oder Genf. Ein breites Angebot in der 4-Sterne-Superior-Hotellerie könne zudem die Nachfrage im gehobenen Segment gut bedienen, betont Martin von Bertrab.
Dank „Art Basel“ Rekordzahlen im Juni 2024
Trotz sinkender Auslastung, rückläufigem Corporate-Business, niedrigem Preisniveau und schwieriger RevPar-Entwicklung, präsentierte sich das erste Halbjahr 2024 in Basel positiv. 676 159 Logiernächte haben die Basler Hotels in den ersten sechs Monaten generiert. Das sei der bisher höchste Wert in einem ersten Halbjahr überhaupt, freut sich Basel Tourismus.
Und im Juni wurden in den baselstädtischen Hotelbetrieben 146 019 Übernachtungen gezählt, 6841 oder 4,9 Prozent mehr als im Mai. Im Vergleich zum Juni des Vorjahrs entsprach dies einem Anstieg um 2,4 Prozent.
Alles in allem lag die durchschnittliche Zimmerauslastung im Juni bei 70,1 Prozent. Das war der bislang beste Wert im Jahr. Im ersten Halbjahr lag die durchschnittliche Auslastung bei 53,8 Prozent. Am niedrigsten war sie im Januar mit nur knapp 43 Prozent. Aber aufgepasst: Im Juni fand die «Art Basel» statt. Ein ausserordentliches Ereignis, welches die Struktur- und Nachfrageprobleme der Basler Hotellerie nur punktuell löst.
Die weltgrösste Kunstmesse hat mit mehr als 90 000 Besucherinnen und Besuchern massgeblich zu den Top-Zahlen im Juni beigetragen. In der Art-Woche vom 10. bis 16. Juni lag die Nettozimmerauslastung durchschnittlich bei 78,9 Prozent. Für eine gute Auslastung sorgte vom 18. bis 23. Juni auch die Europameisterschaft im Fechten. Während dieser Tage lag die Nettozimmerauslastung durchschnittlich bei 76 Prozent. Damit nicht genug:Vom 25. bis 27. Juni brachten rund 3000 Tagungsgäste bei Future Labs Live im Congress Center Basel den baselstädtischen Hotels zusätzliche Logiernächte; die Zimmerauslastung lag während den Kongresstagen bei durchschnittlich 81 Prozent.
Die Frage, welche Hoteliers und Tourismusexperten in Basel aktuell beschäftigt: Wie schafft es Basel, die über 4700 Hotelzimmer übers ganze Jahr einigermassen gut auszulasten – auf einem Niveau von mindestens 60 Prozent? Fest steht: «Art Basel», Fondation Beyeler, Kunstmuseum, einzelne Kongresse und Messen reichen nicht, um diese 60 Prozent zu erreichen. Gefragt sind neue Ideen und Tourismuskonzepte.
«Ich bin zuversichtlich, denn die neue Tourismusdirektorin macht einen guten Job. Man hat bei Basel Tourismus die schwierige Lage in der Hotellerie erkannt und arbeitet mit Power an neuen Angeboten», so ein Hotelier, der in Basel eines der bekanntesten 4-Sterne-Häuser führt.
Tourismusbericht Basel 2023 (PDF)
Hotel Inside-Journalist Hans R. Amrein sprach mit Franz Xaver Leonhardt, Präsident von HotellerieSuisse Basel, Mitbesitzer der Krafft Hotel-Gruppe und Basler Kantonsrat, über die aktuelle Lage in der Basler Hotellerie und die Aussichten 2924/25:
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Wer ist Franz Xaver Leonhardt?
Franz Xaver Leonhardt (54) wuchs in Basel als siebtes von acht Kindern in einer Großfamilie auf. Er erwog zunächst, Lehrer zu werden, begann dann aber eine Kochlehre. Diese brach er ab und wechselte an die Hotelfachschule Thun. Im Dezember 2002 kaufte er das Hotel Krafft in Basel. Dieses verkaufte er vier Monate später an die Stiftung Edith Maryon. Diese will Immobilien der Spekulation entziehen. Leonhardt führt das «Krafft» seither mit Partnern als Pächter. 2007 wurde es als «Historisches Hotel des Jahres» ausgezeichnet.
2008 eröffneten die Krafft-Betreiber gegenüber dem Hotel in der Rheingasse die Wein-Bar Consum, im Herbst 2011 kam die operative Leitung des Zürcher 4-Sterne-Hotels Greulich dazu. Dieses gab Leonhardt aber später auf. Heute gehören die Bar und die Brauerei Volta Bräu sowie das 4-Sterne-Design-Hotel Nomad und seit Juli 2023 das Hostel Silo zur Krafft-Gruppe.
2020 gründete Leonhardt die Historic Hotel AG, die zu 100 Prozent im Besitz des gemeinnützigen, steuerbefreiten Vereins «Freunde der Swiss Historic Hotels» ist. Leonhardt ist verheiratet mit der Hotelière Catherine Leonhardt, zusammen haben sie zwei Kinder. Seit Juni 2023 ist Franz-Xaver Leonhardt Präsident von HotellerieSuisse Basel und Region. In der Freizeit gärtnert, wandert und musiziert er.
Doch auch in der Politik ist Franz Xaver Leonhardt aktiv. Er ist seit Februar 2021 Mitglied des Großen Rates des Kantons Basel-Stadt – als Vertreter der Partei „Die Mitte“. Im Parlament engagiert er sich vor allem für Umwelt-, Verkehrs- und Energiethemen. Er ist Mitglied der entsprechenden Kommission (UVEK).
Hotelier des Jahres 2023: Special Award
Im Rahmen des Fachawards „Hotelier des Jahres“ wurde Franz Xaver Leonhardt im Juni 2023 mit dem „Special Award“ ausgezeichnet – und zwar für seine „herausragenden Verdienste“ im Bereich des sozial verantwortlichen Unternehmertums. «Die Krafft Gruppe führte ab 1. Mai 2022 als eines der ersten KMU die Viertagewoche ein», sagte Jury-Vizepräsidentin Anne Cheseaux in ihrer Laudatio. «Die Betriebe sind wahre Talentschmiden, weil jungen Mitarbeitenden schon früh viel Vertrauen und Verantwortung geschenkt wird.» Dar- über hinaus bestärke das Engagement mit der Historic Hotels AG, welche das Weiterbestehen traditionsreicher Hotels sichert und sie der Spekulation entzieht, die Jury nur zusätzlich darin, die richtige Wahl getroffen zu haben, so Cheseaux weiter.
Hotel Inside-Report aus Basel (Vorschau):
Teil 2: Video-Gespräch mit Jonas Gass, COO der Krafft-Hotel-Gruppe. Warum das historische Hotel Krafft mit seiner Geschichte so erfolgreich ist…
Teil 3: Das neue Volkshaus Basel setzt auf Architektur, Events, Geschichte und Kunst. Ein Inside-Video-Talk in vier Teilen.
Teil 4: Wie sehen Basler Hoteliers die Zukunft ihrer Branche am Rhein? Gespräche mit Martin von Bertrab, CEO Bâle Hotels, Daniel Fankhauser, General Manager Hotel Wettstein, und Alexander Fischer, Manz Hotelgruppe Basel.