Inspiration und Networking pur: Die Rolling Pin Convention in Düsseldorf machte deutlich, wohin die Reise in Gastronomie und Hospitality gehen wird – mit kreativen Ideen, mutigen Köpfen und den 100 führenden Köchen Deutschlands.
„Macht Euer eigenes Ding daraus – es ist angerichtet.“ Mit diesen Worten eröffnete Jürgen Pichler, CEO und Gründer der Rolling Pin, die Convention 2025 in Düsseldorf. Auf der Summit Stage sprach er über Kreativität, Austausch und Verantwortung, und rief die Besucher dazu auf, “Inspiration aufzusaugen, Netzwerke zu knüpfen und mutig eigene Wege zu gehen”.
Mit mehr als 100 Speakern, sechs Bühnen und 8.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche sei die Convention vor allem eines: eine Plattform für Begegnung und Ideen. Pichlers Kernsatz blieb hängen: „Der Gast sucht das Außergewöhnliche.“ Ein Gedanke, der sich wie ein roter Faden durch die beiden Tage in Düsseldorf zog.

Komfortzone verlassen
Besonders eindrücklich zeigte sich dieser Ansatz bei Alexander Herrmann und Tobias Bätz, die gemeinsam das Restaurant “Aura” im Posthotel in Wirsberg führen. Beide haben in den vergangenen Jahren konsequent die „grenzenlose Heimat“ entwickelt – ein Konzept, das regionale Verbundenheit mit innovativer Kulinarik verbindet. „Wir haben etwas geschaffen, das größer ist als ein Name. Entscheidend ist die Gemeinschaft. Jeder aus der Brigade ist Teil der Lösung”, erläuterte Alexander Herrmann. Der entscheidende Schritt dabei sei gewesen, sein eigenes Ego zurückzustellen.
“Wir haben etwas geschaffen, das größer ist als ein Name. Entscheidend ist die Gemeinschaft. Jeder aus der Brigade ist Teil der Lösung.”
Alexander Herrmann, Restaurant Aura in Wirsberg
Tobias Bätz ergänzte, wie stark das Zusammenspiel mit Produzenten und mit dem hauseigenen Future Lab “Anima” sei. Dort wird fermentiert, eingelegt und experimentiert: Aus diesem kreativen Prozess entstünden Menüs, die nicht nur handwerklich brillieren, sondern auch Haltung zeigten. Für diese konsequente Entwicklung wurden die beiden bei der Convention an die Spitze der 100 Best Chefs gewählt.
Küche trifft Business: Exzellenz als Unternehmeraufgabe
Mit dem Vortrag „Küche trifft Business: Vom Koch zum Unternehmer und zur Marke“ zeigte wiederum Spitzenkoch Tim Raue, wie untrennbar Spitzenküche und Unternehmertum zusammenspielen. Sein Credo: Exzellenz entsteht nicht nur am Pass, sondern ebenso in Positionierung, Kommunikation, Teamführung und Skalierung. „Ein Restaurant ist nur ein Bein – wer stabil stehen will, braucht mehrere.“ Diese „Krake“ aus Geschäftsfeldern reiche bei ihm vom Fine Dining über Brasserien und Consulting bis hin zu Kreuzfahrt-Restaurants, Popcorn-Branding und neuen Fast-Casual-Konzepten.
Praxisnah erläuterte Raue, wie sich über verschiedenste Kanäle – etwa Restaurantführer, Social Media, TV, Streaming und Google-Reviews – Gästegruppen aktivieren und wie sich daraus ganze Ökosysteme bauen lassen – vom erschwinglichen Produkt bis hin zum Signature-Erlebnis. Operativ denke er konsequent aus drei Perspektiven, so Raue: Zum ersten aus der des Küchenchefs mit dem Anspruch an Qualität, zum zweiten als Unternehmer mit dem Blick auf Wirtschaftlichkeit und drittens aus der Gastperspektive, der das Bedürfnis nach einem besonderen Erlebnis hat. Delegation und ein starkes Kernteam sicherten dabei die Umsetzung, während Micromanagement bei ihm nur in der Konzeptionsphase eine Rolle spiele.
Raue plädierte für Fokus, Disziplin und Mut – inklusive der Bereitschaft, zu scheitern und neu anzufangen. Ob Seniorenresidenz-Bistros, Fernsehturm-Gastronomie, immersive Dining-Formate auf Schiffen oder skalierbare Pizzen für Verkehrslagen: Entscheidend sei, Angebote zielgruppengerecht zu justieren und schnell zu adaptieren. „Wer nur kocht, bleibt stehen. Erfolgreiche Köchinnen und Köche gestalten Marke, Prozesse und Reichweite mit derselben Konsequenz wie ihre Teller”, betonte Raue abschließend.
Mentor und Schüler: Gennaro Contaldo und Tim Mälzer
Emotional wurde es beim Programmpunkt „Mentorcode“: Tim Mälzer und sein Mentor Gennaro Contaldo erzählten, wie entscheidend Vorbilder und Mentorenschaft für ihren eigenen Werdegang waren. Contaldo, der als langjähriger Mentor von Jamie Oliver bekannt wurde, sprach offen darüber, wie wichtig es sei, Wissen weiterzugeben und Generationen miteinander zu verbinden. „Alles, was wir können, basiert auf Vertrauen, Förderung und Weitergabe – nichts entsteht im luftleeren Raum.“
Mälzer bereicherte den Talk mit frechen Anekdoten über seine Zeit als junger Koch unter Contaldo – von übermüdeten Schichten bis hin zu seinen ersten prägenden Begegnungen mit italienischer Küche, die ihn aus einer Sinnkrise holten und seinen Weg ebneten. Die besondere Verbindung der beiden war auf der Bühne spürbar: Lehrer und Schüler, verbunden durch Respekt und Dankbarkeit. Im Anschluss erhielt Contaldo den Rolling Pin Award für sein Lebenswerk, überreicht von Tim Mälzer. Ein Moment, der das Publikum bewegte und den Saal mit minutenlangem Applaus erfüllte.
Rolling-Pin-Award 2025: Die Gewinner im Überblick
Ein Highlight der Rolling Pin Convention waren die Rolling Pin Awards. Sie ehren Branchen-Persönlichkeiten, die durch Vorbildwirkung, Mut und Kreativität Maßstäbe setzen:
- #1 der 100 Best Chefs: Alexander Herrmann & Tobias Bätz (Restaurant Aura, Wirsberg)
- Lifetime Achievement: Gennaro Contaldo (London)
- Inspiration Chef of the Year: René Redzepi (Noma, Kopenhagen)
- Female Chef of the Year: Rosina Ostler (Alois – Dallmayr Fine Dining, München)
- Patissier des Jahres: Larissa Metz (Vendôme, Bergisch Gladbach)
- Sous Chef des Jahres: Maximilian Waibel (Komu, München)
- Restaurateur of the Year: Mischa Steigerwald (Riviera Projects, München)
- Spüler des Jahres: Helga Dassinger (Jugendherberge Garmisch-Partenkirchen)
- Maître des Jahres: Cornelia Baumgart (Rubens, Düsseldorf)
- 100 Best Chefs Legend: Tim Raue (Restaurant Tim Raue, Berlin)
Unternehmergeist und die Kunst des Vielseitigen
In einem weiteren Slot sprach der Berliner Gastronom The Duc Ngo über seine Philosophie als Multigastronom, die geprägt ist von maximaler Auslastung und kompromissloser Qualität. Für ihn zähle nicht das kleinliche Kalkulieren, sondern volle Restaurants: „Mir geht es darum, dass alle meine Läden voll sind, dass alle arbeiten – und dass wir so die Freiheit haben, bei Qualität und Zutaten keine Kompromisse einzugehen.“
Besonders seine Leidenschaft für Fisch und Seafood prägt seine Konzepte. The Duc Ngo investiert bewusst in hochwertige Ware, die roh verzehrt werden kann, und pflegt seit Jahrzehnten Kontakte zu Fischern und Händlern weltweit. Lokale Einschränkungen lehne er ab – für ihn zähle Vielfalt, egal ob ein Fisch aus Alaska, dem Mittelmeer oder Afrika stamme.
“Mir geht es darum, dass alle meine Läden voll sind, dass alle arbeiten – und dass wir so die Freiheit haben, bei Qualität und Zutaten keine Kompromisse einzugehen.”
The Duc Ngo, Gastronom aus Berlin
Heute agiert er weniger in der Küche, sondern vor allem in Führung und Management. Wichtig sei ihm, Talente früh zu erkennen, zu fördern und langfristig an sich zu binden. Vertrauen sei dabei die Basis, auch wenn er zugab, nicht immer die richtigen Partner gewählt zu haben. Sein Unternehmergeist zeigt sich im schnellen Wachstum: Zwischen 2015 und 2017 eröffnete Ngo mehr als ein halbes Dutzend Restaurants. Mit dieser Dynamik verfolgt er weiter das Ziel, seine kulinarischen Ideen in ganz Deutschland und darüber hinaus zu etablieren.
Luxus im Alltag
Jan Philipp Berner vom Söl’ring Hof auf Sylt nahm die Besucher mit auf eine Reise durch „24 Stunden Genuss“, und machte klar, dass Spitzenküche nicht auf den Abend reduziert werden darf. „Eine herausragende Mahlzeit fängt am Morgen an. Mit Liebe zum Detail, nicht mit Masse“, betonte er. Sein Frühstücksmodell: kein Buffet, sondern individuelle Zubereitung, hochwertige Produkte und viel Raum für persönliche Wünsche.
Damit stellte Berner auch die Frage, wie Hoteliers Luxus neu definieren können. Für ihn bedeute das: nicht zwangsläufig große Gesten, sondern bewusste Individualität im Kleinen, vom hausgemachten Bacon bis zur eigens eingekochten Marmelade. Mit seinem Ansatz, Rationalisierung und Standardisierung bewusst entgegenzutreten, setzte Berner ein Zeichen, dass Qualität im Alltag genauso prägend sein kann, wie ein abendliches Gourmet-Menü.
Authentische Ästhetik
Ästhetik ist mehr als Dekoration – sie ist Teil der Identität. Diese Botschaft zog sich durch die Masterclass von Rosina Ostler, Küchenchefin im „Alois – Dallmayr Fine Dining“ in München. Sie machte deutlich, wie sehr das Anrichten die Wahrnehmung eines Gerichts prägt, und betonte: „Es geht darum, eine Handschrift zu entwickeln, die authentisch ist und Gäste emotional berührt.“ Gemeinsam mit ihrem Team arbeitet Ostler an einer klaren visuellen Sprache, die den Stil des Hauses unverwechselbar macht.
Gerade im digitalen Zeitalter, so ihre Argumentation, sei eine klare Tellerästhetik entscheidend, um Wiedererkennung zu schaffen und eine langfristige Identität aufzubauen. Ostler plädierte außerdem dafür, Mitarbeitende stärker in kreative Prozesse einzubeziehen und Ästhetik als Teamleistung zu verstehen. Für diesen Anspruch wurde sie in Düsseldorf zur Female Chef of the Year gekürt.
Holistic Cuisine als Gesamterlebnis
Rasmus Munk, Gründer des Kopenhagener Restaurants „Alchemist“, versteht Fine Dining als multisensorische Gesamterfahrung aus Kunst, Wissenschaft, Handwerk und gesellschaftlichem Statement. In seiner Keynote über Holistic Cuisine machte er deutlich: Essen ist für ihn weit mehr als Genuss – es ist ein Medium für Reflexion und Storytelling. „Jedes Gericht soll ein Manifest sein – mutig, intensiv und zutiefst bewegend.“ In seinem Restaurant durchlaufen Gäste verschiedene Räume, in denen Kulinarik mit Musik, Architektur und visuellen Installationen ineinandergreifen. So werden progressive Themen wie Hunger, Überkonsum und Nachhaltigkeit nicht nur vermittelt, sondern unmittelbar erfahrbar.
“Wenn wir kulinarische Kreativität mit wissenschaftlicher Forschung verbinden, können wir nicht nur besser essen – wir können die Welt verändern.”
Rasmus Munk, Restaurant Alchemist
Munk arbeitet mit Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammen, um neue Wege der Ernährung zu entwickeln – von zuckerfreien Desserts über kakaofreie Schokolade bis hin zu Proteinen aus CO₂, die Milliarden Menschen ernähren könnten. Damit sieht er die Gastronomie nicht nur als Bühne, sondern auch als Labor für Innovation: „Wenn wir kulinarische Kreativität mit wissenschaftlicher Forschung verbinden, können wir nicht nur besser essen – wir können die Welt verändern.“
Tradition als Quelle der Innovation
Massimo Bottura, der italienische Spitzenkoch und kreative Kopf der Osteria Francescana, stellte mit seinem Vortrag bei der Rolling Pin Convention zudem die enge Verbindung von Tradition und Kreativität ins Zentrum. Für ihn sei Kochen immer ein Dialog mit der Vergangenheit: „Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Weitergeben des Feuers“, sagte er.
Bottura betonte, dass die italienische Küche zwar tief in ihren kulturellen Wurzeln verankert ist, aber gleichzeitig mit Poesie, Fantasie und Respekt vor den Zutaten neu interpretiert werden müsse. Zeiten des Mangels, wie es sie in Italien gab, versteht er als Quelle von Inspiration – aus Einfachheit erwachse Erfindungsgeist. Mit Leidenschaft schilderte er, wie Gerichte Geschichten von Erinnerung, Landschaften und Menschen erzählen können, und verwies auf Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung, die zeigen, dass Fine Dining auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen kann.
Marken, Menschen & Systeme
Henry McGovern, Gründer des internationalen Gastronomie-Konzerns Amrest und Betreiber von mehr als 2.300 Restaurants in 26 Ländern, lenkte den Blick auf die große strategische Ebene. In seinem Vortrag „Die Zukunft der Gastronomie. Auf diese Konzepte sollte man jetzt setzen“ erläuterte er, warum Markenbildung, Systematisierung und Mitarbeiterentwicklung die Schlüssel der kommenden Jahre sind.
Für McGovern liegt die Kraft der Gastronomie in klar strukturierten Abläufen, emotional aufgeladenen Marken und der konsequenten Förderung von Talenten. „Alles ist möglich. Failure is part of the game. Exceptional performance gets exceptional rewards.“ Seine Botschaft: Nur wer Prozesse aufbaut, Menschen begeistert und gleichzeitig mutig in Technologien investiert, wird in Zukunft bestehen. Für die Hotellerie sei das ein Auftrag, Geschäftsmodelle radikal zu hinterfragen.

Mehr Substanz, weniger Show
In Summe zeigt die Rolling Pin Convention 2025: Die Branche ist in Bewegung. Zwischen visionären Keynotes und sehr persönlichen Einblicken wurde deutlich, dass Gastronomie und Hotellerie heute vor allem auf eines setzen müssen – Substanz statt Oberfläche.
Statt auf reines Spektakel setzen immer mehr Köche, Hoteliers und Gastronomen auf Konzepte, die tief verwurzelt und zugleich zukunftsorientiert sind. Ob es um die große Vision der Holistic Cuisine, um Regionalität und das Verlassen der Komfortzone, um die neue Definition von Luxus im Alltag oder um die Frage nach Identität und Ästhetik geht – überall wird klar: Der Gast sucht das Außergewöhnliche, und die Branche antwortet mit Haltung, Ideen und Mut.
