Digitalisierung prägt das moderne Leben, zugleich gewinnt Nachhaltigkeit an Bedeutung. Ein Widerspruch, denn digitale Tools verbrauchen erhebliche Ressourcen. Wie können Hoteliers diesem Dilemma entgehen?
Die Wochenzeitung Die Zeit titelte während der Klimakleber-Proteste: „Ist Surfen schmutziger als Fliegen?“ In dem Beitrag hieß es weiter: „Kennen Sie jemanden, der sich an sein Handy klebt? Die Frage ist ernst gemeint. Denn Menschen kleben sich an Straßen, Schienen und Landebahnen. Klimaschützer demonstrieren gegen Flugzeuge und dicke Autos, verurteilen Fleischkonsum und Luxusyachten. Die Digitalisierung jedoch wird beim Protest gegen die Klimakrise gern mal übersehen.
Das erläuterte der Text mit einem eindrucksvollen Vergleich, Autorin Petra Pinzler schrieb: „Wäre die IT-Branche ein Land, stünde es auf Platz sechs der Liste der CO2-Emittenten – noch vor Deutschland.“
Dass Klimaschutz nicht mit Digitalisierung einhergeht, bestätigt eine Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Technischen Universität Berlin.

Die dazugehörige Pressemitteilung trägt den treffenden Titel: „Digitalisierung = Klimaschutz? Fehlanzeige.“ Als Grund werden die Rebound-Effekte genannt: Immer mehr digitale Tools würden immer intensiver genutzt – und konterkarierten so mögliche Einsparungen. Nicht zuletzt der KI-Boom habe laut Studie deutlich zu einem Anstieg der durch IT hervorgerufenen Treibhausgasemissionen geführt. Denn KI benötigt sehr energieintensive Systeme.
Kritisch betrachtet: Digitalisierung gezielt einsetzen
Die Schlussfolgerung der Experten: In Zukunft könne die Digitalisierung nur nachhaltiger genutzt werden, wenn sie gezielt für Energieeffizienzsteigerungen eingesetzt wird und wenn gleichzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um den Energiebedarf des Sektors selbst einzudämmen. Laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey kann die Digitalisierung bei mehr als 65 Prozent der weltweiten Klimaschutzmaßnahmen hilfreich sein. Der Bericht „Digital Reset“ der Technischen Universität Berlin betont jedoch die Notwendigkeit, sich kritisch mit dem Technologieeinsatz auseinanderzusetzen: „Nicht jedes digitale Gerät ist sinnvoll, und nicht jede Dienstleistung muss digitalisiert werden.”
Patrick Klingberg bezeichnet sich als digitaler Architekt und hilft Unternehmen – darunter auch Hotelbetriebe – Digitalisierungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. „Nachhaltigkeit ist mittlerweile ein essenzieller Bestandteil meiner Arbeit“, bestätigt Klingberg. „Effizienz bedeutet für mich nicht nur, Prozesse smarter zu machen, sondern auch Ressourcen einzusparen. Bei der Website-Optimierung arbeite ich oft daran, Datenmengen zu reduzieren, indem nicht wertschöpfende Elemente wie Landing Pages schlicht gelöscht werden. Das spart Energie beim Laden und verbessert zugleich die Nutzererfahrung.“ Solchen Aktivitäten ist ein eigener Tag gewidmet: der „Digital Cleanup Day“ am 15. März, der auffordert, digitale Ressourcen zu bereinigen und neu zu organisieren.
Welche digitalen Angebote sind für die Gäste wichtig?
Klingberg ist überzeugt: Hoteliers stehen vor der Herausforderung, Komfort und zeitgemäße Technologie für ihre Gäste bereitzustellen und gleichzeitig nachhaltig zu agieren. Das müsse man mit guter Planung angehen und zunächst prüfen, welche digitalen Angebote die Gäste wirklich nutzen. Ein Beispiel: Benötigt man Smart-TVs mit Streaming-Funktionen oder wäre leistungsstarkes WLAN für Geräte der Gäste ausreichend? Klassisches lineares Fernsehen verbrauche viel weniger Strom als gestreamte Inhalte aus dem Netz. Smart-TVs seien jedoch zunehmend unverzichtbar.
„Effizienz bedeutet für mich nicht nur, Prozesse smarter zu machen, sondern auch Ressourcen einzusparen.“
Patrick Klingberg, digitaler Architekt
Deshalb empfiehlt Patrick Klingberg, zumindest auf möglichst energieeffiziente und umweltfreundliche Geräte zu setzen. Siegel wie der „Blaue Engel“ böten entsprechende Orientierung. Das Siegel steht für langlebige, recyclinggerechte sowie emissions- und lärmarme Hardware mit geringem Energieverbrauch. Auch müsse nicht immer alles neu sein, so Klingberg. Refurbished-Geräte etwa aus Leasing-Rücklauf seien eine attraktive Alternative – oftmals sogar mit Garantie. Schließlich sei die Produktion von Endgeräten neuen Erkenntnissen zufolge für deutlich mehr Emissionen verantwortlich als deren Nutzung.
Grüner surfen?
Die Suchmaschinen Panda Search und Ecosia stellen eine Alternative zum Branchenprimus Google dar; beide investieren einen Teil der Werbeeinnahmen in Naturschutzprojekte. Doch auch Google will seine Scope-1- bis 3-Emissionen bis 2030 um die Hälfte reduzieren und alle Unternehmensbereiche mit CO2-freier Energie versorgen. Dafür arbeite der Konzern nach eigener Aussage an Technologien, die CO2-freie Energie erzeugen und speichern.
Mailbox.org wiederum – betrieben vom Unternehmen Heinlein Hosting – steht für sichere, werbe- und trackingfreie E-Mail-Postfächer. Webhosting gehört zur technologischen Basis, um Inhalte wie eine Unternehmenswebsite im Netz zu veröffentlichen. Hier bieten sich außer Heinlein Hosting auch Unternehmen wie Avalon Networks, Biohost, Greensta, Lands Concepts, Mittwald oder Webgo als Partner an. Bei ihnen findet die Datenverarbeitung in eigenen Rechenzentren am Standort Deutschland statt und arbeitet mit Ökostrom. Der Standort ist ein Argument in puncto Datenschutz, Sicherheit und Zuverlässigkeit.
Stichwort Rechenzentren: Cloud-Lösungen sind meist energieeffizienter als lokale Server. Auch hier sollte man sich für Anbieter entscheiden, die besonderen Wert auf Nachhaltigkeit legen. Das in Nordfriesland ansässige Unternehmen Windcloud zum Beispiel setzt zu 100 Prozent grüne Energie ein. Die Abwärme des Betriebs wird für eine auf dem Dach installierte Algenfarm zur Lebensmittelproduktion genutzt. Prior1 ist auf die Planung und den Bau von Serverräumen und Rechenzentren spezialisiert. Das Unternehmen hat bereits seine dritte Gemeinwohl-Bilanz erstellt, setzt ausschließlich auf natürliche Kältemittel für die Klimatisierung von IT-Komponenten und investierte in die Entwicklung einer eigenen umweltfreundlichen Kühlanlage auf Wasserbasis für Serverschränke.
Intelligente Gebäudesteuerung hilft beim Sparen von Ressourcen
Fakt ist: Das Thema nachhaltige Digitalisierung ist vielschichtig. Alles andere als eine leichte Aufgabe ist somit auch die Ermittlung des CO2-Fußabdrucks der eigenen Unternehmens-IT. Hier bietet die Green Web Foundation Hilfestellung. Die lancierte Open-Source-Javascript-Bibliothek gibt Auskunft zu CO2-Emissionen von Apps, Websites und Software.
Online-Workshops unterstützen bei der Schätzung digitaler CO2-Emissionen. Einer der wesentlichen Hebel in Richtung nachhaltige Digitalisierung ist die Implementierung von Smart-Energy-Systemen, darunter Lösungen zur Optimierung der Auslastung der Klima- und Kältetechnik, der Strom- und Wärmeerzeugung sowie deren Nutzung. Smarte Raumtechnik beispielsweise erkennt selbstständig, welche Bereiche gerade genutzt werden beziehungsweise welche nicht und passt Heizung und Beleuchtung entsprechend an. Energiekosten und CO2-Ausstoß sinken Erfahrungen zufolge deutlich.
>> Der Beitrag ist in der Tophotel Ausgabe 3-4/2025 erschienen.
