Wir haben uns mit Radverkehrsprofessor Dr. Christian Rudolph über intermodalen Verkehr unterhalten und gefragt, wie das anfühlen würde: rundum positiv und entspannt, so seine Antwort. Nebenbei sei der Radverkehr auch gut für die Wirtschaft.
Christian Rudolph leitet die vom Bundesverkehrsministerium finanzierte Stiftungsprofessur „Radverkehr in intermodalen Verkehrsnetzen“ an der Technischen Hochschule Wildau in Brandenburg. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was es braucht, damit Radfahrer:innen im Alltag reibungslos von einem Verkehrsmittel auf das andere umsteigen können und welches Lebensgefühl sich mit dieser Art der Mobilität einstellen könnte.
Wie sieht in Deutschland die Lage für Menschen aus, die intermodal unterwegs sein wollen – die also für eine Strecke mehrere unterschiedliche Verkehrsmittel nutzen möchten?
An meinem Lehrstuhl „Radverkehr in intermodalen Verkehrsnetzen“ befassen wir uns unter anderem mit der Frage, wie die Nutzung des Fahrrads im Zusammenspiel mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gestärkt werden kann. Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie man diese Verkehrsmittel intermodal nutzen kann. Einmal, indem ich mein Fahrrad am Bahnhof oder an einer Haltestelle abstelle und dann mit Bus und Bahn weiterfahre. Oder auch, indem ich das Fahrrad mitnehme und am Zielort damit weiterfahre. Eine andere Möglichkeit ist, am Zielort ein Bike-Sharing-System zu nutzen oder einfach zu Fuß zu gehen.
Die Lage für Radfahrende ist diesbezüglich in Deutschland standortabhängig sehr unterschiedlich. In den Großstädten gibt es mittlerweile meist sogar verschiedene Bike-Sharing-Angebote. Auf dem Land eher nicht. Wenn wir über das Abstellen am Bahnhof sprechen, ist es zum Beispiel in Berlin immer noch viel zu oft so, dass die vorhandenen Abstellanlagen überfüllt sind. Die Fahrräder werden dann an irgendwelchen Pfosten oder Baustellenschildern angekettet. So soll es natürlich nicht sein. Dazu kommt, dass die Abstellanlagen selbst oft noch nicht auf der Höhe der Zeit sind – entweder es handelt sich um die berühmt berüchtigten Felgenkiller oder die Anlage befindet sich irgendwo im hintersten, dunklen Winkel der Bahnhöfe. Was das Fahrradparken an Bahnhöfen angeht, besteht noch einen Riesenbedarf an sichern Abstellmöglichkeiten. Wie groß der Bedarf genau ist, ermitteln wir gerade in unserem Projekt BikeTransit, das durch den Nationalen Radverkehrsplan des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr ermöglicht wird.
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Zu den fehlenden Fahrrad-Sharing-Systemen im ländlichen Raum: Machen diese dort aufgrund der weiteren Strecken und geringeren Nachfrage überhaupt Sinn?
Jede Fahrt, die mit einem E-Bike, einem Scooter, einem normalen Fahrrad oder einem Elektroauto statt eines Verbrenner-Pkws durchgeführt wird, ist ökologisch und volkswirtschaftlich sinnvoll. Das Problem ist, dass sich Fahrrad-Sharing-Systeme auf dem Land tatsächlich für private Anbieter nicht rechnen. Man könnte sie aber in den öffentlichen Verkehr noch besser integrieren – auch tariflich. Perspektivisch gewinnen die Verkehrsbetriebe auf diese Art mehr Radfahrer:innen und damit auch mehr Kunden, was sich positiv auf die Ticketverkäufe für den ÖPNV auswirken kann. Für einige Kommunen könnte sich das aus meiner Sicht langfristig rentieren.
Was sind die wichtigsten Projekte, die angegangen werden müssten, damit sich die Situation für den intermodalen Verkehr verbessert?
Wirklich zentral ist: Die Menschen müssen sicher mit dem Fahrrad zum Bahnhof kommen können. Die Fahrradwege vom Wohnort zum Bahnhof und das Fahrradnetz insgesamt müssen gut ausgebaut sein, so dass die Menschen sich beim Fahren zum oder vom Bahnhof weg sicher fühlen. Das ist derzeit nicht gegeben. Oft gibt es gar keine Radwege oder sie sind veraltet. Radschnellwege können zusätzlich eine interessante Option für längere Distanzen darstellen.
Zudem braucht es gute Abstellanlagen an allen Bahnhöfen, überdacht, hell und freundlich, mit guten Sichtachsen damit sich jeder sicher fühlt. Die Vermeidung von Angsträumen ist hier oberstes Gebot. Zum sicheren Abschließen der Räder eignen sich die sogenannten Kreuzberger Bügel, aber auch Doppelstockparker kommen immer häufiger zum Einsatz, wenn eine große Menge an Abstellplätzen auf engem Raum bereitgestellt werden soll. Es muss zudem ausreichend viel Platz für Lastenräder und Räder mit Kinderanhänger und Kindersitzen vorgesehen werden. In Utrecht haben wir ein Fahrradparkhaus besichtigt, in dem kostenlos Kinderbuggies und Einkaufstrollies bereitgestellt werden. Smarte Lösungen, die den Alltag gerade für Eltern mit Kindern sehr viel einfacher machen und den Umstieg auf das Fahrrad als Alltagsfahrzeug deutlich erleichtern.
Barrierefreiheit ist der nächste Punkt: funktionierende Aufzüge an Bahnhöfen, die auch groß genug sind für Fahrräder. Für eine reibungslose Reisekette sind darüber hinaus gute Reiseinformationssysteme notwendig. Radfahrer:innen müssen wissen, wo das Fahrradabteil am Gleis halten wird, ob ich noch einen Platz im Fahrradabteil bekomme, ob ich das Fahrrad überhaupt mitnehmen darf und so weiter.