Alle sprechen von der Künstlichen Intelligenz, kurz KI. Für die KI-Expertin Olga Heuser steht fest: «KI wird die Hotellerie stark verändern. Wir stehen am Anfang einer digitalen und von KI geprägten Transformation.» Soeben hat das KI-Team von Olga Heuser ein «KI Whitepaper» für Hotels verfasst. Hotel Inside wollte wissen: Welche Rolle spielt die KI im künftigen, normalen Hotelalltag?
Olga Heuser ist die Gründerin und Geschäftsführerin von DialogShift, einem preisgekrönten Technologie-Unternehmen, das seit 2019 rund 1000 Hotels mit innovativen KI-Lösungen für die Gäste-Kommunikation unterstützt. DialogShift hat sich als Vorreiter für die digitale Transformation in der Hotellerie etabliert und wurde in Deutschland u.a. mit dem renommierten IHA-Branchenaward 2021 ausgezeichnet.
Für Hotel Inside hat Olga Heuser die folgenden Thesen zu «KI und Hotellerie» verfasst:
Die Idee für das KI-Whitepaper ist als Folge vieler Vorträge von mir zum Thema Künstliche Intelligenz in der Hotellerie entstanden. Da DialogShift eine der Pionier-Anwendungen von Generativer KI für die Gästekommunikation entwickelt hat und damit weiterhin Technologieführer ist, ist unsere Expertise bei vielen Events, Verbänden, Unternehmen und Organisationen aus der Tourismusbranche sehr gefragt.
Seit der Veröffentlichung von ChatGPT ist das Thema Künstliche Intelligenz omnipräsent. Manche können das Thema nicht richtig fassen – was bedeutet das für mich? Was ist Hype und was wird bleiben? Viele Hoteliers fragen sich, wie sie von dieser scheinbar magischen Künstlichen Intelligenz in ihrem Arbeitsalltag und in ihrem Unternehmen profitieren können. Was ist heute möglich und was erwartet uns in der Zukunft?
Bill Gates hat einmal gesagt: “Wir überschätzen immer die Veränderungen, die in den nächsten zwei Jahren stattfinden werden, und unterschätzen die Veränderungen, die in den nächsten zehn Jahren stattfinden werden.“ Wir sollten nicht zu ungeduldig sein, wenn die Technologie unsere Erwartungen noch nicht erfüllt. Wir sollten aber auch nicht unterschätzen, wie sehr sie langfristig unser Arbeitsleben, unseren Alltag, unser Such- und Kaufverhalten und wahrscheinlich sogar unser Wirtschaftssystem verändern wird.
In den nicht einmal zwei Jahren seit der Veröffentlichung von ChatGPT ist sehr viel passiert und zugleich sehr wenig. Sehr viel, weil ein besseres und schlaueres KI-Modell das andere jagt. Und sehr wenig, weil sich der Alltag der meisten Verbraucherinnen und Beschäftigten kaum verändert hat. Zwar bemühen sich viele Unternehmen intensiv, die Möglichkeiten der neuen Technologien auszuschöpfen, doch nur wenige etablierte Firmen haben ihre Produkt- oder Produktionslinien wirklich grundlegend neu aufgestellt. Diese Ungleichzeitigkeit führt zu wechselhaften Reaktionen, insbesondere bei den Anlegern, die in den vergangenen Monaten zwischen extremen Ansichten hin- und hergerissen wirkten. Und wenn sich in der breiten Öffentlichkeit eine neue Haltung gegenüber Künstlicher Intelligenz etabliert, dann ist es eher eine der Unterschätzung. Das entspricht unserer menschlichen Neigung, unsere Vorstellungskraft möglichst sparsam einzusetzen und die technologische Zukunft eher als eine schrittweise Weiterentwicklung bestehender Trends zu betrachten.
Fast jede bahnbrechende Technologie wurde anfangs von der Generation ihrer Entwickler deutlich unterschätzt. Es gibt wenig Anzeichen dafür, dass dies bei Künstlicher Intelligenz, insbesondere der generativen Variante, anders sein sollte. Im Gegenteil, die rasante Entwicklung der letzten zwei Jahre zeigt deutlich, dass die tatsächlichen Auswirkungen der KI vermutlich weit über das hinausgehen, was wir uns heute vorstellen können.
KI allein bringt noch keinen Nutzen, nur weil sie existiert und sich weiterentwickelt. Ähnlich wie Rohöl benötigt sie passende Anwendungen und Umgebungen, um ihr Potenzial zu entfalten. Historisch gesehen dauert es oft lange, bis neue Technologien in den Alltag integriert werden. Ein Beispiel dafür ist die Elektrifizierung: Sie hat nicht nur unseren modernen Komfort ermöglicht, sondern auch die Industrie grundlegend verändert. Auch Künstliche Intelligenz wird langfristig viele Bereiche durchdringen und verändern. Wir werden einen stetigen Strom von Innovationen erleben. So wie Elektrizität vielseitig in unterschiedlichen Geräten eingesetzt wird, kann generative KI als „Kern“ in vielen verschiedenen Anwendungen genutzt werden, die dann jeweils auf bestimmte Bedürfnisse und Probleme zugeschnitten sind. Daher kommen im erwähnten Whitepaper Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen der Hotellerie zu Wort und stellen dar, wie Künstliche Intelligenz in ihrem Bereich heute schon zur Anwendung kommt oder was sie in Zukunft ermöglichen wird.
Zu kurz kommen in diesem Whitepaper philosophische Aspekte und auch Fragen zu Gefahren von KI. Diese Themen sind wichtig. Das Ziel dieses Whitepapers ist es jedoch, über die neueren Entwicklungen in der KI und ihre Auswirkungen auf die Hotellerie aufzuklären. Wir möchten, dass die Leserinnen und Leser die Technologie besser einordnen und für sich in Kontext bringen können. Wir möchten eine (hoffentlich ein wenig ansteckende) positive Perspektive auf das Thema bieten, Begeisterung wecken, Mut machen und inspirieren. Hier ein paar Thesen aus dem Whitepaper:
Was ist Generative KI und wo geht die Reise hin?
Die zunehmende Computerleistung hat in diesem Jahrhundert zu bedeutenden Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) geführt, die auf vielfältige Weise in unser tägliches Leben Einzug gehalten hat. Schon seit einigen Jahren lebt der Mensch mit Künstlichen Intelligenzen zusammen. Sie stecken in unserem Smartphone, verstehen unsere Sprache, schätzen für Versicherungen unsere Gesundheit ein, montieren unsere Autos oder handeln mit unserem Geld. Die meisten künstlichen Intelligenzen sind Spezialisten, sie können eine Sache richtig gut.
Im Jahr 2022 hat KI die nächste Evolutionsstufe erreicht: Sie ist nun in der Lage, eigenständig Inhalte zu erzeugen und zu erschaffen – sei es Text, Computercode, Musik oder hyperrealistische Bilder und Videos, die sich mit wenigen Eingaben erstellen lassen. Generative KI markiert einen Paradigmenwechsel und wird als das nächste große Ding gehandelt. GenAI hat das Potenzial, die Produktivität in sämtlichen Branchen – auch in der Hotellerie – drastisch zu steigern.
Aber was genau ist das Neue an Generativer KI, an dieser „neuen“ Künstlichen Intelligenz?
Der Begriff Künstliche Intelligenz bezieht sich auf die Entwicklung von Computern und Systemen, die menschliche kognitive Fähigkeiten nachbilden können, wie etwa Wahrnehmung, Denken, Lernen und Entscheidungsfindung. Kurz gesagt, können die generativen KI-Modelle menschliche Intelligenz besser imitieren als die alten KI-Modelle, weil sie mehr Komplexität abbilden können.
Generative KI-Modelle sind KI-Systeme, die auf Basis immenser Datenmengen eigenständig neue Inhalte erstellen können. Sie nutzen dabei komplexe Algorithmen und neuronale Netze, um Muster und Strukturen in den Trainingsdaten zu erkennen und daraus neue Texte, Bilder, Videos oder Audiodateien zu generieren. Diese Modelle sind nicht nur in der Lage, vorhandene Informationen zu replizieren, sondern erzeugen kreative Ausgaben, die realistisch oder natürlich wirken und bisher nicht existiert haben.
In sprach- und textbasierten Anwendungen handelt es sich um sogenannte Large Language Models (LLM), die mit menschlicher Sprache trainiert wurden und ähnlich wie ein sehr gut informierter Gesprächspartner agieren. Multimodale generative KI-Modelle kombinieren dabei verschiedene Datentypen (wie Text und Bild), um besonders kontextreiche und umfassende Ergebnisse zu erzielen. Anhand eines Fotos von einem offenen Kühlschrank kann das Modell etwa beschreiben, welche Lebensmittel sich darin befinden und darauf basierende Rezepte vorschlagen.
Allzweck-Technologie vs. Anwendung
(Generative) Künstliche Intelligenz ist eine sogenannte Allzweck-Technologie, ähnlich wie Elektrizität. Elektrizität ist nicht nur auf eine bestimmte Aufgabe beschränkt – sie treibt Haushaltsgeräte an, beleuchtet Räume, versorgt Maschinen in der Industrie oder lädt unsere Smartphones auf. Genauso verhält es sich mit generativer KI: Sie ist flexibel einsetzbar und bildet die Grundlage für eine Vielzahl unterschiedlicher Anwendungen. KI-Anwendungen sind die konkreten Programme oder Tools, die auf diesen KI-Modellen aufbauen. So wie eine Lampe Elektrizität nutzt, um Licht zu erzeugen, verwenden Anwendungen wie Chatbots, Übersetzungsprogramme oder Bildgeneratoren generative KI, um spezifische Aufgaben zu erledigen. Jede dieser Anwendungen hat ein klares Ziel und eine festgelegte Funktion, die auf den Fähigkeiten der zugrunde liegenden generativen KI basiert. Eine Hotel-KI, die Hotelgästen hilft, sich über das Hotel im Chat oder am Telefon zu informieren, Gästen Fragen zu beantworten, Zimmer zu buchen oder einen Tisch im Restaurant zu reservieren, nutzt zum Beispiel generative KI-Modelle, ist aber konkret auf die Kommunikation zwischen Gästen und Hotels ausgerichtet.
Mitarbeitende arbeiten mit KI schneller und besser
Branchenübergreifend profitieren drei Unternehmensbereiche bereits jetzt enorm von Anwendungen, die auf Generativer KI basieren: Programmierung, Marketing und Sales sowie der Kundenservice. Warum sollten Unternehmen, oder ganz konkret Hotels, Künstliche Intelligenz in ihren Betrieben einsetzen? Weil es auf lange Sicht betriebswirtschaftlich auf verschiedenen Ebenen Vorteile bringt: Man kann mit dem Einsatz von KI die Produktivität erhöhen, Zeit gewinnen und Kosten einsparen. Zudem arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit KI nicht nur schneller, sondern auch besser.
Mehrere wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass KI die Fähigkeiten von schwachen Performern in einem Unternehmen auf oder sogar über den Durchschnitt hebt. Das heißt, Angestellte, die mit KI-Tools arbeiten, arbeiten schneller und machen weniger Fehler. Schon in naher Zukunft werden KI-Assistenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit auf vielfältige Weise unterstützen. Wir werden KI-Assistenten für verschiedene Bereiche und Aufgabenfelder nutzen, wie bspw. einen Revenue Management Assistenten, dem man Fragen stellen und Anweisungen geben kann, KI-Assistenten für diverse Marketing-Aufgaben, KI-Assistenten, mit denen neue Mitarbeitende eingelernt werden, und KI-Assistenten, die uns bei der Kommunikation unterstützen. In ferner Zukunft wird es vielleicht sogar eine zentrale Hotel-KI geben, die applikationsübergreifend arbeitet. Vielleicht eine Artificial General Intelligence (AGI), die selbständig ein Hotel steuert?
Das nächste “große Ding” – From Thought to Action: AI Agents
Sogenannte KI-Agenten gelten als das nächste große Ding in der KI, und Unternehmen wie OpenAI, Anthropic, Meta, Google und andere stehen im Wettlauf um deren Entwicklung. Das große Ziel ist es, die KI über einfache Gespräche hinaus zu befähigen, zuverlässig komplexe, mehrstufige Arbeitsabläufe in einer digitalen Umgebung auszuführen. Kurz gesagt: Die Technologie entwickelt sich von der bloßen Informationsverarbeitung hin zur aktiven Handlung.
Im weitesten Sinne bezeichnen „agentische“ Systeme digitale Systeme, die unabhängig in einer dynamischen digitalen Welt interagieren können. Während Versionen dieser Softwaresysteme seit Jahren existieren, ermöglichen die Fähigkeiten der natürlichen Sprache von generativer KI neue Möglichkeiten. Dadurch entstehen Systeme, die ihre Handlungen planen, Online-Tools nutzen, um Aufgaben zu erledigen, mit anderen KI-Agenten und Menschen zusammenarbeiten und kontinuierlich ihre Leistung verbessern können. Generative KI-Agenten könnten zukünftig als qualifizierte virtuelle Mitarbeiter fungieren und nahtlos mit Menschen interagieren. Ein virtueller Assistent könnte beispielsweise eine komplexe, personalisierte Reise planen und buchen, indem er die Logistik auf verschiedenen Reiseplattformen koordiniert. Es ist wahrscheinlich, dass in etwa fünf Jahren nicht mehr Gäste selbst ein Hotel buchen, sondern die persönliche Künstliche Intelligenz mit der Hotel-KI interagiert und die Buchung durchführt.
Obwohl sich die Technologie noch in einer frühen Phase befindet und eine weitere technische Entwicklung benötigt, bevor sie in Unternehmen eingesetzt werden kann, gewinnt sie schnell an Aufmerksamkeit. Im vergangenen Jahr haben Google, Microsoft, OpenAI und andere Unternehmen in Software-Bibliotheken und Frameworks investiert, um die agentischen Funktionen zu unterstützen. LLM-gestützte Anwendungen wie Microsoft Copilot, Amazon Q und Googles Projekt Astra entwickeln sich von wissensbasierten hin zu aktionsbasierten Systemen. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich generative KI entwickelt, könnten Agenten bald genauso verbreitet sein wie heutige Chatbots. Wahrscheinlich werden die Chatbots selbst zu agentischen Systemen, die weitaus komplexere Aufgaben für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen werden. Denn sie können mit natürlicher Sprache gesteuert werden und nahtlos mit bestehenden Software-Tools und Plattformen zusammenarbeiten.
Agentische Systeme bieten speziell in der Hotel-Industrie das Potenzial, eine Vielzahl von operativen Aufgaben zu übernehmen und dadurch sowohl die Effizienz zu steigern als auch den Service zu verbessern. Im laufenden Betrieb kann eine zentrale Hotel-KI als Concierge-Agent fungieren, der auf Anfragen zu Restaurantempfehlungen, lokalen Attraktionen und Transportmöglichkeiten antwortet. Darüber hinaus kann sie Aktivitäten direkt buchen oder Änderungen an bestehenden Reservierungen vornehmen, ohne dass Mitarbeiter manuell eingreifen müssen. So könnten beispielsweise Tischreservierungen oder Spa-Termine automatisch geplant und Bestätigungen an die Gäste gesendet werden.
Die Fähigkeit, Aufgaben eigenständig auszuführen und nicht nur als Informationsquelle zu dienen, macht agentische Systeme zur nächsten Generation virtueller Hotelmitarbeiter. Sie können zu einer zentralen Steuereinheit für alle digitalen Prozesse eines Hotels werden und dabei nicht nur die Effizienz, sondern auch die Gästezufriedenheit erheblich steigern. So entwickelt sich die Technologie von einem bloßen Assistenten zu einem echten operativen Partner, der Routineaufgaben übernimmt, das Team entlastet und es dem Hotel ermöglicht, sich stärker auf die persönliche Interaktion und den Gästeservice zu konzentrieren.
Der Mensch bleibt das Herzstück eines Hotels
Ich glaube dennoch nicht an das „KI-Hotel“ ohne menschliches Personal, sondern daran, dass Menschen durch KI mehr Zeit für den Gast gewinnen. Ein Kunde von uns stand als Luxushotel vor der Frage: „Passt KI überhaupt in die Luxushotellerie?“ Ihre Vision war es, pro Gast einen Mitarbeiter zur Verfügung zu haben, doch sie erkannten schnell: Diesem Ziel kommt man nur durch den Einsatz von Technologie näher. Und genau darum geht es – nicht um die Entscheidung zwischen Technologie oder Service, sondern darum, wie man mithilfe von Technologie einen noch besseren Service bieten kann.
Und genau das ist die Chance, die KI bietet: Im besten Fall ersetzt Technologie die Mitarbeitenden nicht, sondern ermöglicht es ihnen, mehr Zeit und Aufmerksamkeit in die Bereiche zu investieren, die wirklich zählen – die persönliche Gästebetreuung und das Schaffen unvergesslicher Erlebnisse. Die Vision ist nicht, menschliche Präsenz zu reduzieren, sondern sie zu intensivieren. Das Bedürfnis nach Zwischenmenschlichkeit steigt, je automatisierter unsere Gesellschaft wird. Das ist eine wunderbare Nachricht für die Hotellerie: Je mehr Prozesse im Hintergrund automatisiert werden, desto mehr können die Mitarbeitenden sich dem widmen, was die Gäste wirklich schätzen – den persönlichen Kontakt.
Es ist denkbar, dass wir zukünftig zwei Extreme in der Hotelbranche sehen werden: Auf der einen Seite hochgradig automatisierte, nahezu menschenleere Hotels, in denen der Gast eine rein funktionale Unterkunft bucht. Auf der anderen Seite wird es jedoch auch Hotels geben, die mit Unterstützung von Technologie sehr viele Mitarbeitende am Gast einsetzen, um außergewöhnliche Erlebnisse zu schaffen. Diese Hotels könnten spezielle Aktivitäten anbieten, bei denen Mitarbeitende mit den Gästen Pilze suchen gehen, Wanderungen organisieren oder persönliche Ausflüge in die Umgebung gestalten. Solche intensiven, zwischenmenschlichen Interaktionen werden durch den Einsatz von KI erst möglich, da Routineaufgaben im Hintergrund erledigt werden und den Mitarbeitenden den Freiraum geben, ihre Rolle als Gastgeber voll auszuleben.
Technologie in der Hotellerie bedeutet also nicht, dass der Mensch verdrängt wird. Sie ist vielmehr der Schlüssel, um die Bedeutung des menschlichen Elements im Hotel zu stärken. Sie ermöglicht es, den Service zu einem echten Erlebnis zu machen, in dem Mitarbeitende nicht mehr nur Aufgaben abarbeiten, sondern als Gastgeber agieren, die sich voll und ganz um die Bedürfnisse und Wünsche der Gäste kümmern können. KI und Automatisierung schaffen damit die Voraussetzungen, das Beste aus beiden Welten zu kombinieren: Effizienz und Menschlichkeit.
KI für die Kundenkommunikation
Mal alle Träumereien über die Zukunft beiseite gelassen – welche Anwendungen von generativer KI können Hotels heute schon im Hotel einsetzen und davon bereits jetzt profitieren? Eine Anwendung von KI ist im Jahr 2024 bei etwa 20% der Hotels in Europa im Einsatz: Künstliche Intelligenz für die Gästekommunikation.
Die neue Generation von KI-Modellen, Large Language Models, sind sehr mächtige Sprachwerkzeuge. Sie können die menschliche Sprache bis hin zur Perfektion verstehen und selbstständig antworten. Das macht sie zu einer wertvollen und inzwischen sehr guten Unterstützung bei der Gästekommunikation, die in vielen Hotels sehr zeitintensiv ist und viele Stunden manuelle Arbeit pro Woche erfordert.
In nicht mehr allzu langer Zeit wird jedes Hotel über eine Hotel-KI verfügen, die das Hotel in- und auswendig kennt und mit Gästen an verschiedenen Stellen selbständig kommunizieren kann: Im Chat als Chatbot, per E-Mail, am Telefon oder direkt im Hotelzimmer. Die Unterhaltung mit diesen KI-Assistenten ist dabei keinesfalls roboterhaft oder hölzern. Im Gegenteil: Systeme, die auf GenAI basieren, schreiben oder sprechen ihre Antworten selbst und können damit ganz genau auf die Anliegen des Gastes eingehen und natürliche Konversationen führen. Sie kommunizieren in der Tonalität des Hotels, übernehmen das spezifische Wording, sind immer höflich, kommunizieren in über 100 Sprachen und decken eine große Bandbreite an Themen ab. Diese KI-Assistenten werden nicht nur für klassische Standardfragen eingesetzt, sondern als Dialogmarketing-Instrument für Upselling, Buchungen und für Empfehlungen. Dabei können sie nicht nur auf eingehende Anfragen reagieren, sondern dem Gast entlang der gesamten Guest Journey auch proaktiv beispielsweise auf WhatsApp schreiben.
Wie kann man als Hotel sicherstellen, dass KI-Assistenten keine falschen Informationen ausspielen oder gar halluzinieren?
Die Antwort lautet: Retrieval Augmented Generation (RAG). In einer RAG-Architektur dürfen KI-Modelle die gesuchten Informationen nicht im Internet recherchieren und nur begrenzt auf die eigenen Trainingsdaten zurückgreifen. RAG zielt darauf ab, den Bereich der Antworten eines LLMs auf nur die Informationen zu beschränken, die aus den eigenen Unternehmensdatenquellen oder der internen Wissensdatenbank verfügbar sind. Und es entwickeln sich bereits neue Ansätze, die generative KI-Modelle weiter verbessern, indem sie dynamischeren Zugriff auf Informationen und multimodale Daten ermöglichen. Dazu gehören adaptive Abrufstrategien (ARAG), die Integration von Bildern und Videos, sowie die Nutzung von Tools zur Echtzeit-Datenverarbeitung (Tool-Augmented Generation). Auch agentische Systeme und Memory-Augmented-Generierung gewinnen an Bedeutung, da sie Modelle befähigen, eigenständig zu handeln, sich an frühere Kontexte zu erinnern und Aufgaben autonom auszuführen. Diese Entwicklungen zielen darauf ab, die KI von reinen Wissenslieferanten zu proaktiven, kontextsensitiven Problemlösern weiterzuentwickeln (siehe Einführung).
In Zukunft wird jedes Unternehmen, ähnlich wie es heute eine E-Mail-Adresse, eine Website und eine Präsenz in den sozialen Medien hat, über eine Unternehmens-KI verfügen, mit der Kundinnen und Kunden über verschiedene Kanäle kommunizieren können. Heute sind es vor allem Chatbots auf der Website und bei WhatsApp, die Gästen zur Verfügung stehen. Inzwischen kann jedoch die gleiche KI für Gespräche mit dem Gast am Telefon eingesetzt werden.
Der Umbruch in der Telefonie hat bereits begonnen: Klassische Telefon-Systeme mit starren Dialogstrukturen werden jetzt von Sprachmodellen (LLMs) abgelöst, die in der Lage sind, dynamisch zu sprechen und auf unerwartete Gesprächsverläufe einzugehen. Diese KI-Systeme lernen ähnlich wie menschliche Mitarbeiter: Sie greifen auf die gleiche Wissensdatenbank wie der Chatbot zu, d.h. sie werden mit Informationen aus Dokumenten, Websites und Fragenkatalogen trainiert und können sogar visuelle Informationen verarbeiten, um am Telefon kompetente Auskünfte zu geben. Dabei kann eine Phone AI als First-Level-Support dienen, um häufige Standardanfragen abzufangen, oder sie kann als „Overflow“-Lösung eingesetzt werden, wenn kein Mitarbeiter verfügbar ist. Damit können Hotels heute 50% bis 60% ihres Anrufvolumens reduzieren. Mit der fortschreitenden Weiterentwicklung der Modelle und Systeme werden es in ein bis zwei Jahren wahrscheinlich mehr als 80% sein.
Wir werden in Zukunft mehr mit künstlichen Intelligenzen als mit Menschen telefonieren, aber der Unterschied wird kaum spürbar sein. Denn diese neuen Systeme sind nicht nur flexibel und intelligent, sondern auch immer freundlich und geduldig – eine schlecht gelaunte KI wird es nie geben. Unternehmen sollten schon heute die Weichen stellen und ihre Kommunikationssysteme entsprechend anpassen, um von dieser Entwicklung zu profitieren.
Schon immer haben wir Menschen uns eine Zukunft vorgestellt, in der wir mit unseren Autos sprechen oder Roboter als Kollegen an unserer Seite haben. Heute ist diese Vision greifbarer denn je, denn Künstliche Intelligenz entwickelt sich zur Basistechnologie, die nahezu alle Lebens- und Arbeitsbereiche durchdringen wird. Sie wird einen Strom von Innovationen auslösen – neue Produkte, Geschäftsmodelle, Unternehmen und sogar völlig neue Berufsfelder hervorbringen.
Die Zukunft sehe ich dabei sehr positiv: KI-Systeme haben die Fähigkeit, riesige Datenmengen in kürzester Zeit zu analysieren, Trends zu erkennen und präzise Vorhersagen zu treffen. Auf der anderen Seite bringen wir Menschen Fähigkeiten ein, die Maschinen (noch) nicht haben: Urteilsvermögen, Empathie, Intuition und die Fähigkeit, spontan und kreativ zu reagieren. Genau darin liegt die Chance für die Zukunft des Arbeitens. Es geht nicht darum, mit der KI zu konkurrieren, sondern sie als Ergänzung zu unseren menschlichen Stärken zu verstehen. Das Motto sollte daher lauten: Nicht Mensch gegen Maschine, sondern Mensch mit Maschine.
Ein KI-Mindset im Hotel etablieren
Die Herausforderung für Führungskräfte in der Hotellerie besteht nun darin, ein Umfeld zu schaffen, in dem KI als Chance und nicht als Bedrohung gesehen wird – ein Umfeld, das Neugier, Offenheit und Innovationsfreude fördert. Doch wie lässt sich ein solches Mindset im Team verankern? Hier sind einige praxisnahe Schritte, die Hotels helfen können, diese Transformation aktiv zu gestalten.
Verantwortlichkeiten schaffen
Bestimmen Sie einen oder mehrere „KI-Verantwortliche“ im Hotel, die als Ansprechpartner für alle Fragen rund um das Thema KI fungieren. Sie sollten technisches Know-how mit einer ausgeprägten Begeisterung für Neues kombinieren und als Botschafter für die neuen Technologien agieren.
Potenziale erkennen und Prozesse definieren
Beginnen Sie damit, Prozesse im Hotel zu identifizieren, die zeitaufwendig, fehleranfällig oder repetitiv sind. Überlegen Sie, wo durch den Einsatz von KI eine Entlastung möglich wäre – sei es in der Gästekommunikation, bei Buchungsanfragen, der Personaleinsatzplanung oder in der Lagerverwaltung. Fragen Sie sich: Welche Aufgaben könnten durch KI unterstützt oder sogar komplett automatisiert werden? Wo können Sie Zeit gewinnen, also die Produktivität erhöhen und Kosten einsparen?
Wissen aufbauen und Innovationen beobachten
Recherchieren Sie kontinuierlich neue KI-Anwendungen und -Trends. Machen Sie sich mit den Möglichkeiten vertraut, die bereits heute verfügbar sind, und informieren Sie sich über die Technologien, die in den nächsten Jahren in den Markt drängen. So behalten Sie die Entwicklung im Blick und bleiben flexibel für neue Lösungen.
Testen und experimentieren (!)
Warten Sie nicht, bis eine Lösung „perfekt“ ist – sondern probieren Sie sie einfach aus! Ein häufiges Missverständnis ist, dass eine Technologie erst dann eingesetzt wird, wenn sie 100% des Prozesses abbilden kann. Denken Sie stattdessen in Prozenten: Wie viel Prozent dieses Prozesses kann ich bereits jetzt automatisieren und wieviel wird es in 2 und dann in 5 Jahren sein? Die Technologie entwickelt sich rasant und sprunghaft. Was heute nur einigermaßen gut funktioniert, kann schon in 6 Monaten nahezu perfekt sein. Und außerdem ist ein kleiner Fortschritt immer besser als Stillstand, und oft offenbaren sich erst durch das Ausprobieren die wahren Potenziale einer neuen Technologie.
Mitarbeiter einbinden und Ängste abbauen
Kommunikation ist das A und O – auch hier. Beziehen Sie Ihre Mitarbeitenden von Anfang an in den Prozess mit ein und schaffen Sie Raum für Fragen, Sorgen und Ideen. Machen Sie deutlich, dass es nicht darum geht, Menschen zu ersetzen, sondern ihre Arbeit durch die Unterstützung der KI sinnvoller und spannender zu gestalten. Lassen Sie Ihr Team mitentscheiden, welche Prozesse sinnvoll automatisiert werden können und wie diese Technologien ihren Arbeitsalltag verbessern können.
Ein Lernumfeld schaffen
Fördern Sie eine Lernkultur, in der es selbstverständlich ist, Neues auszuprobieren und Fehler als Teil des Prozesses zu verstehen. Mitarbeiter, die sich trauen, sich mit neuen Tools auseinanderzusetzen und ihre Erfahrungen zu teilen, sind der Schlüssel, um eine Innovationskultur im gesamten Unternehmen zu verankern.
Ein KI-Mindset zu etablieren, bedeutet, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Hotelbranche befindet sich in einem Wandel, und wer heute anfängt, KI-Technologien mit einem offenen und mutigen Mindset zu testen, legt die Basis für langfristigen Erfolg. KI wird keine menschliche Wärme ersetzen, aber sie kann Raum schaffen für mehr Menschlichkeit: für intensivere Gespräche, persönliche Empfehlungen und sogar besondere Erlebnisse mit den Gästen, die ohne die Unterstützung durch KI zeitlich gar nicht möglich wären. Indem Technologie die Routine übernimmt, wird der Mensch wieder zum Gastgeber im besten Sinne.
– Whitpaper DialogShift KI in der Hotellerie (PDF)
– Interview mit Olga Heuser (PDF)
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