Der World Travel Market (WTM) in London ist der wichtigste Fachevent der globalen Reisebranche. Mehr als 40 000 Fachleute aus 184 Ländern besuchten die Messe. Hotel Inside wollte wissen: Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse des WTM für die Hospitality-Branche und den weltweiten Tourismus?
Laut der deutschen Fachplattform «Travel Talk» (fvw) blickten die Touristiker am Londoner WTM 2024 optimistisch auf das globale Wachstum und das Potenzial der Branche – gestützt auf aktuelle Marktzahlen. Im Rahmen einer Pressekonferenz wurden auf Basis des 43-seitigen „WTM Global Travel Report 2024“ aktuelle Fakten und Zahlen zu Quellmärkten, Destinationen und Segmenten von Tourism Economics vorgestellt.
75 Prozent finden Ferien persönlich wichtig
In den Industriestaaten geben die Menschen inzwischen einen höheren Anteil ihres Einkommens für Ferien aus als noch vor der Pandemie: zwischen acht und neun Prozent, so Tourism Economics aus Oxford. „Urlaub hat eine wichtige Priorität in meinem Leben“, sagen demnach drei Viertel der Befragten weltweit. Die Nachfrage Reisender wuchs 2024 jedoch nur auf Kurzstreckenreisen, die Langstreckenreisen kommen den Auswertungen von Tourism Economics zufolge erst nächstes Jahr auf ein Wachstum über dem Wert von 2019.
Deutschland – eine der führenden Reisedestinationen
Das Reiseziel Deutschland verdient mit Reisenden mehr als doppelt so viel wie Frankreich, Großbritannien, Italien oder Spanien, die in der Reihenfolge alle nicht weit auseinander liegen. Die Unterschiede liegen zwischen Inlands- und Auslandstourismus: Während in Deutschland vor allem Deutsche Ferien machen, so kommen Frankreich und Italien auf einen deutlich größeren Anteil ausländischer Touristen. Spanien und die Türkei haben hier einen Anteil von sogar weit mehr als 50 Prozent. In der Schweiz gehen knapp 49 Prozent der Touristen aufs Konto „Einheimische“.
Das Wachstum der touristischen Märkte in Europa (inklusive Türkei) wird für 2025 aber vor allem Ländern im Osten vorhergesagt: Slowakei vor Ungarn, Bulgarien und der Türkei. Im Westen Europas wird demnach der touristische Sektor, was die Zielgebiete angeht, vor allem in Großbritannien, Spanien und Italien zulegen.
Karibik profitiert von XXL-Schiffen
Die weltweite Nachfrage nach Hochseereisen wird im kommenden Jahr zu rund 44 Prozent allein den Schiffen in der Karibik zugutekommen – ein Resultat der jüngst dort noch mal um 14 Prozent gewachsenen Kapazitäten.
Dabei wirken sich auch die Megakreuzfahrtschiffe (mindestens 4500 Reisegäste) aus, die derzeit zwar nur 16 Prozent der Flotten ausmachen, aber in den Orderbüchern mehr als die Hälfte der Bestellungen dominieren (58 Prozent). Dennoch geht – global gesehen und in Bezug auf künftige Bestellungen – das Interesse an großen Schiffen mit über 3000 Passagieren schon wieder zurück (um elf Prozent).
Kleine und mittelgroße Schiffe sorgen dem Report zufolge auch künftig weiter für eine wachsende Nachfrage der Reedereien: Der Trendreport verzeichnet ein um 15 beziehungsweise 20 Prozent höheres Interesse als noch 2019.
Neue Erlebnisse und Events sind gefragt
29 Prozent aller Reisenden suchen im Urlaub mehr denn je Abenteuer. Laut Mastercard wollen vor allem Europäer, mehr als 88 Prozent der Befragten, künftig genauso viel oder mehr als bislang für Erlebnisse in ihrem Leben ausgeben – immerhin noch 60 Prozent beziehen das ausdrücklich auf Reisen und Tourismus.
Die Suche nach neuen Erlebnissen ist auch eine Chance für touristisch bislang nicht so stark nachgefragte Regionen und Städte. Das Interesse an neuen Destinationen ist heute 57 Prozent größer als vor fünf Jahren. Laut Tourism Economics sind in den 250 populärsten Städten im Durchschnitt fünf Prozent mehr Reisende angekommen, der globale Schnitt liegt zwei Prozentpunkte darüber. Das führt zu einem Anstieg der Ausgaben um 20 Prozent – in den Topstädten liegt der Zuwachs durchschnittlich nur bei 15 Prozent.
Taylor Swift lässt grüßen: Die größten Treiber für touristisches Wachstum sind kulturell getriebene Erlebnisse: Konzerte, Sportereignisse und andere Events: Der Sporttourismus-Markt wächst derzeit um zehn Prozent jährlich. In den USA wollen 65 Prozent der Generation Z und immerhin noch 27 Prozent der Baby Boomer binnen eines Jahres mehr als 50 Meilen entfernt von zu Hause ein Großereignis aus den Bereichen Musik, Sport & Co. besuchen (Millennials 58 und Generation X 43 Prozent).
Das hat Auswirkungen: Die Konzert- und Live-Entertainment-Branche hat ein ökonomisches Volumen von 133 Mrd. US-Dollar und unterstützt laut Tourism Economics 913.000 Jobs in den USA.
Quellmarkt-Wachstum bis 2030
Indien überholt auf lange Sicht Chinas Wachstumsrate: Auch wenn China der wichtigste Wachstumsquellmarkt aus Sicht der weltweiten Zielgebiete ist, so werden chinesische Reisende bis 2030 „nur“ 78 Prozent mehr Nächte außerhalb des eigenen Landes verbringen – Indien hingegen wird sein Aufkommen weltweit wohl knapp verdoppeln: 97 Prozent mehr Übernachtungen außerhalb von Indien bis 2030 im Vergleich zu 2019.
Natürlich wächst der indische Quellmarkt von einer schwächeren Basis; und im kommenden Jahr werden Tourism Economics zufolge die chinesischen Ausgaben für Auslandsreisen sogar um 18 Prozent wachsen (von acht Prozent Steigerung in diesem Jahr). Indien wächst aber, glaubt man den Hochrechnungen, seit Jahren kontinuierlich zweistellig (12 beziehungsweise 14 Prozent in den Jahren 2024 und 2025).
Mittelschicht entscheidend für Wachstum: Laut Tourism Economics aus Oxford werden zusätzlich neun Millionen Haushalte in Indien bis 2030 zur Mittelklasse zählen. In absoluten Zahlen zeigt sich aber auch hier die Übermacht Chinas: Im selben Zeitraum erlangen im Reich der Mitte 44 Millionen weitere Haushalte das Wohlstandslevel der chinesischen Mittelschicht.
China hat dabei einen erheblichen Einfluss auf die Volkswirtschaften vor allem in Südostasien. Chinesische Touristen machten bis vor der Pandemie dort einen Anteil von 29 Prozent aus, in Thailand allein 40 und in Vietnam sogar 56 Prozent.
Deutschland hinter Frankreich, vor USA
Für Reisende aus Südkorea, Frankreich und sogar Russland werden 67 bis 61 Prozent Wachstum prognostiziert. Und Deutschland, gleichauf mit Großbritannien, soll demnach im Vergleich zu 2019 bis Ende des laufenden Jahrzehnts immerhin auf 48 Prozent mehr Übernachtungen im Ausland kommen. Die USA rangieren mit 42 Prozent Outbound-Wachstum in Nächten knapp dahinter.
Europaweit wird das Wachstum kommendes Jahr ebenfalls knapp über Nordamerika liegen: sieben zu sechs Prozent 2025. Afrika wächst mit vier Prozent 2025 schwächer; nur der arabische Raum und Asien erreichen zweistellige Wachstumsraten bei den Ausgaben für Inlands- und Auslandsreisen (13 bzw. 15 Prozent).
Mehr Reisende bis 2050: Auch wenn das globale Bevölkerungswachstum ohnehin ein größeres Potenzial an Urlaubern und Geschäftsreisenden bietet, steigt laut den Hochrechnungen von Oxford Economics der Anteil der Reisenden an der Weltbevölkerung von heute 21 auf 33 Prozent in 2050.
Für Übernachtungen geben Urlauber weltweit einen höheren Anteil des gesamten Budgets aus – bis 2034 steigen die Kosten laut Tourism Economics um 63 Prozent. Vor allem Kurzzeitvermietungen steigen an und haben an den Übernachtungen von Reisenden in Europa schon einen Anteil von 20 Prozent. Einer der führenden Vertriebspartner der Vermieter ist Airbnb mit weltweit 7,7 Mio. Mietunterkünften im Angebot.
Der Klimawandel beeinträchtigt das Reisen
Wetterkapriolen und die Erderwärmung zählen zu den bedeutendsten Risiken für die Tourismuswirtschaft weltweit. Aber bestimmte Zielgebiete werden auch stark profitieren. Auf lange Sicht von 76 Jahren sollen die „Outdoor Days“ in Schweden um 53 Prozent ansteigen.
Auch Kanada (23 Prozent) oder Frankreich (18 Prozent) zählen zu den Gewinnern in der Prognose der Tage im Jahr 2100, die sich klassischerweise im Freien verbringen lassen oder Outdoor-Aktivitäten gut möglich machen. Glaubt man dem Massachusetts Institute of Technology und Tourism Economics in Oxford, werden aber Länder wie die Dominikanische Republik (minus 124 Prozent), Ägypten (minus 68 Prozent), Thailand (minus 55 Prozent) oder Griechenland (minus 37 Prozent) teils erhebliche Rückgänge der klimatisch angenehmen Urlaubstage verzeichnen.
Die Folge: Urlauber kommen zu anderen Zeiten im Jahr oder meiden die Regionen ganz: 29 Prozent aller Befragten gaben das für die letzten zwölf Monate im Trendreport von Tourism Economics an, in der Altersgruppe 16 bis 34 Jahren sogar 43 Prozent.
Wachsendes Bewusstsein – vor allem in Europa
Weltweite Reisen, besonders Flugreisen, haben negative Folgen für die Umwelt – dem stimmen 71 Prozent der Europäer zu, so Tourism Economics aus Oxford. In den Ländern des Raums Asien/Pazifik bestätigen das immerhin 60 Prozent aller Befragten.
In Nordamerika haben das Bewusstsein hingegen nur noch 58 Prozent – sieben Prozentpunkte unterhalb des globalen Durchschnitts. Interessant: Obwohl satte 83 Prozent nach Angaben von Booking.com Nachhaltigkeit beim Reisen für wichtig erachten, wollen nur 57 Prozent den Energieverbrauch auf Reisen künftig reduzieren.
Noch wichtiger als die Umwelteinflüsse sind Reisenden weltweit die Preise für Urlaub: 83 Prozent der Zielgruppe sagen, dass sie künftige Urlaubsentscheidungen stärker denn je von den Kosten abhängig machen.
Hinweis und Quelle: Dieser Text erschien zuerst auf www.fvw.de