Bruno Kernen (63), der prominente Skirennfahrer aus Schönried, der 1983 sensationell das Abfahrtsrennen auf der «Streif» in Kitzbühel gewann, ist heute ein erfolgreicher Hotelier und Gastronom. Im Video-Gespräch mit Hans R. Amrein erzählt Bruno Kernen von seiner Leidenschaft für die Hotellerie. Es geht aber auch um seine Zukunft. Motto: Haben Sie die Nachfolge geregelt, Herr Kernen?
Interview mit Bruno Kernen
Auszüge aus einem Interview, das im Jahr 2019 im damaligen Magazin «Hotelier» publiziert wurde.
Bruno Kernen, vom Skirennfahrer zum Hotelier. So könnte der Titel eines Porträts lauten. Ihr Hotel Kernen ist ein Drei-Sterne-Haus …
… mit 22 Zimmern. Dazu kommt ein Restaurant mit rund 85 Sitzplätzen, im Sommer haben wir auf der Terrasse nochmals über 80 Plätze.
Sie sind bewusst ein Drei-Sterne-Hotelier?
Aus Überzeugung. Das zweite Haus, das ich führe, das Hotel des Alpes by Bruno Kernen in Saanenmöser, ist ein Drei-Sterne-Superior-Haus.
Als Sie 1993 das Hotel übernommen haben, hatten Sie damals ein Ziel oder gar eine Vision für das Haus?
Ich führe das Hotel in der vierten Generation. Es geht mir vielleicht auch darum, den Weg für die fünfte Generation zu ebnen.
Ihr Sohn, Jan Kernen, ist ja Hotelkaufmann…
Es kann sein, dass er später einmal das Hotel übernimmt. Kennen Sie den bekannten Spruch?
Welchen meinen Sie?
Wie macht ein Hotelier schnell ein kleines Vermögen?
Keine Ahnung.
Man muss mit einem grossen Vermögen anfangen… Schauen Sie, unser Hotel ist ein traditionsreicher Betrieb, wir stehen fest auf dem Boden und heben nicht ab. Es gibt im Saanenland so viele Gault-Millau- und Sterne-Lokale, Vier- und Fünf-Sterne-Hotels, da positionieren wir uns gerne als eher bürgerliches Traditionslokal. Es ist überhaupt nicht mein Ziel, im Gault-Millau oder bei Michelin aufgeführt zu werden.
Frage: Wie macht ein Hotelier schnell ein kleines Vermögen? Antwort: Man muss mit einem grossen Vermögen anfangen…
Bruno Kernen
Haben Sie ein Problem mit dem Gault-Millau?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe mal mit Urs Heller, dem Chefredaktor, gesprochen. Ich schätze seine Arbeit und seinen Guide, aber ich muss da nicht dabei sein. Wäre es mein Ziel, 15 oder gar 16 Punkte zu haben, müssten wir unsere Küche und den ganzen Betrieb völlig umkrempeln, doch das will ich nicht.
Viele Hotels im Saanenland sind Saisonbetriebe. Haben Sie auch nur im Sommer und Winter offen?
Nein, wir haben ganzjährig geöffnet. Nur Anfang Dezember und Ende April schliessen wir den Betrieb einige Tage für die Generalreinigung.
Lohnt sich der Ganzjahresbetrieb?
Ich erziele auch in schwachen Monaten einen Deckungsbeitrag. Wir profitieren ein wenig von der Tatsache, dass ab Ende Oktober und ab Ende April viele Hotels in der Umgebung geschlossen haben. Viele Gäste, die Ruhe suchen, steigen bei uns im November oder Mai ab.
Was ist eigentlich das Besondere im Hotel Kernen?
Einzigartig ist sicher die Lage des Hotels mitten in Schönried. Es liegt direkt beim Bahnhof, nahe der Busstation und vor allem bei den Bergbahnen …
Sind das wirklich Vorteile?
Ja klar, fragen Sie unsere Gäste! Die Nähe zum öffentlichen Verkehr ist für viele Gäste ein Pluspunkt, auch wenn die meisten mit dem Privatauto kommen.
Nachteile?
Die Hälfte der Zimmer liegt an der Hauptstrasse. Nur: Wäre das Hotel nicht direkt an der Strasse, wäre das auch ein Nachteil, weil man unser Restaurant nicht finden würde.
Laut dem Hotelpionier Conrad Hilton erfüllen Sie somit den wichtigsten Erfolgsfaktor für ein Hotel, nämlich die Lage. Was aber bietet das Haus im Innern – nebst Zimmern und Restaurant?
Der Patron des Hauses ist täglich vor Ort, bei seinen Gästen. Ich nehme meine Rolle als Gastgeber sehr ernst. Es gibt hier keine Direktoren.
Ich nehme meine Rolle als Gastgeber sehr ernst. Es gibt hier keine Direktoren.“
Bruno Kernen
Sie sind sieben Tage im Hotel.
Mehr oder weniger. Es sind sechseinhalb Tage, wenn ich nicht gerade auf der Jagd oder am Golfen bin. Einzigartig ist sicher auch, dass es bei uns in der Gaststube noch einen richtigen Stammtisch gibt, wo sich Arbeiter, Bauern und Bürger des Dorfes treffen. Doch jeder kann an den Stammtisch sitzen, nicht nur die Stammgäste.
Haben Sie Wellnessangebote im Hotel?
Nein. Wellness findet bei uns draussen in der Natur statt. Man kommt zu uns und will die Natur geniessen, indem man Wanderungen unternimmt, aufs Velo oder Bike sitzt, in die Berge fährt – und das bei jedem Wetter.
Nur zwei Gehminuten von Ihnen entfernt befindet sich das Wellness-Hotel Ermitage mit Solbad, Saunen, Dampfbädern, Whirlpools…
…unsere Hotelgäste können den Spa im Nachbarhotel Ermitage zu einem vergünstigten Preis benutzen.
Wer sind Ihre Hotelgäste? Welche Gästesegmente sprechen Sie mit dem Hotel Kernen an?
Die meisten Gäste sind 40 Jahre alt oder älter. Es sind Paare, Singles, Familien. 70 Prozent stammen aus der Schweiz, der Rest aus Frankreich, den Benelux-Ländern, England, Deutschland, den USA und einige auch aus Brasilien und Asien.
2006 haben Sie die Zimmer des Hotels, das Dach des Hauses und das Restaurant saniert …
…richtig. Und im Sommer 2019 haben wir die Zimmer mit neuen Boxspringbetten ausgestattet.
2004 / 2005 haben Sie direkt neben dem Hotel zwei Häuser mit 17 Wohnungen gebaut. 16 Wohnungen haben sie verkauft. Konnten Sie dadurch den Umbau des Hotels finanzieren?
Ja.
Sie haben die Häuser mit den 17 Wohnungen vor allem aus wirtschaftlichen Gründen gebaut.
Dank dem Gewinn, der aus dem Verkauf der 16 Wohnungen resultierte, konnten wir das Hotel umbauen. Im Restaurant habe ich darauf geachtet, dass diverse gemütliche Stuben entstehen. Sie sind alle mit Altholz ausgestattet.
40 Zimmer sind das Minimum in einem Hotel, sagen Experten. Wer Geld verdienen will, sollte also mindestens 40 Zimmer haben. Sie haben nur 22 Zimmer. Wie schaffen Sie es, mit so wenigen Zimmern Geld zu verdienen?
Man kann auch mit 22 Zimmern Geld verdienen. Wie? Nun, ich zahle mir alles andere als einen Fantasielohn aus. Wichtig sind auch die Mitarbeitenden. Man braucht sehr gute, treue und motivierte Leute, um Erfolg zu haben. Wir haben Mitarbeitende, die seit über 20 Jahren im Hotel arbeiten.
Sie verdienen so viel Geld, dass Sie den Betrieb gut finanzieren können.
Jein. Die letzten Jahre waren schwierig. Seit der Euro gegenüber dem Schweizer Franken an Wert verloren hat, wurde es noch schwieriger als zuvor. Doch man kann nicht nur mit Zimmern gutes Geld verdienen. Wichtig ist die ganze Dienstleistungspalette im Hotel und Restaurant.
Alle sprechen vom Fachkräftemangel, doch leider kümmern sich zu viele Hoteliers überhaupt nicht um den Nachwuchs.“
Bruno Kernen
Ein besonderes Anliegen im Hotel ist Ihnen die Ausbildung der Lehrlinge.
Nachwuchsförderung ist ein zentrales Thema, egal ob in einem Verein, Skiclub, in der Politik oder im Gastgewerbe. Ich liebe die Hotellerie! Deshalb ist es mir ein Anliegen, dass wir etwas tun für unseren Nachwuchs, dass wir junge Leute fördern und motivieren für die Berufe des Gastgewerbes. Derzeit arbeiten bei uns ein Kochlehrling, eine Hotelfachassistentin und ein Hotel-KV-Lehrling. Alle sprechen vom Fachkräftemangel, doch leider kümmern sich zu viele Hoteliers und Gastronomen überhaupt nicht um den Nachwuchs.
Quelle: Magazin «Hotelier», 2019. Autor: Hans R. Amrein
Wer ist Bruno Kernen?
Bruno Kernen wurde 1961 in Interlaken geboren. Schon seit frühester Kindheit war er ein leidenschaftlicher Skifahrer. Nach einer Lehre als Koch im Hotel Landhaus in Saanen begann er 1978 seine professionelle Skikarriere. Sein grösster Erfolg war der Sieg an der Hahnenkammabfahrt in Kitzbühel 1983. Nach dem Ende seiner Profikarriere 1989 übernahm er das elterliche Hotel. Seither ist Bruno Kernen ein passionierter Gastgeber und Jäger. Er führt die Hotels Kernen in Schönried und das Hotel des Alpes by Bruno Kernen in Saanenmöser (Berner Oberland).
Buch-Tipp
Jagd, Geschichten und Rezepte
In ausführlichen Interviews mit Hans R. Amrein erzählt Bruno Kernen von seinen Anfängen als Skifahrer und Hotelier, seinen Erlebnissen im Weltcup, seiner Leidenschaft für die Jagd und demTourismus in der Region Gstaad-Saanenland. Kernen bietet in dem reicht illustrierten Buch aber nicht nur Einsichten in sein Leben, sondern auch in seine weitherum bekannte Wildküche. Über zwei Dutzend Rezepte, persönlich gesammelt und beschrieben von Küchenchef Edwin Griessen, zeigen dem Leser, wie er herbstliche Genüsse mühelos selber zubereiten kann – von der bunten Wildgarnitur über aromatische Suppen bis hin zu spektakulären Gerichten von Hirsch, Reh, Gams und Co.
Autoren: Bruno Kernen, Edwin Griessen (Rezepte), Hans R. Amrein (Interviews)
Auflage 2019
120 Seiten, 21,5 x 25,5 cm, gebunden, Hardcover
Mit zahlreichen Abbildungen
ISBN 978-3-03818-241-2, CHF 39.00
Weber Verlag Thun
Bildlegende Hauptfoto: Bruno Kernen im Jahr 2018 (Bild für das Buch-Cover über die Jagd. Bild: Weber Verlag)