Die Insolvenz des drittgrößten europäischen Reiseveranstalters sorgt für Turbulenzen. Der Tourismusexperte Torsten Kirstges über die Folgen für die Branche.
Auch wenn der Reiseveranstalter FTI am Montag ein Insolvenzverfahren beantragt hat, steht die Reisebranche steht die Reisebranche trotzdem insgesamt gut da. Das meint der Tourismusexperte Torsten Kirstges. Er ist Tourismusforscher an der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven. Zwar drückten Schulden und Bankkredite aus der Corona-Krise. “Aber es wird stark gereist, hochpreisige Reisen liegen im Trend, Kreuzfahrten boomen wieder.”
Verbliebene Veranstalter dürften sogar von der FTI-Insolvenz profitieren, erwartet er. “Die Leute werden trotz der FTI-Insolvenz reisen und der Milliardenkuchen wird unter den anderen Veranstaltern aufgeteilt.” Spätestens im kommenden Jahr, dürfte man an der Gesamtzahl nichts mehr von den Turbulenzen merken.
FTI war eher preisaggressiv unterwegs
FTI habe zuletzt an Vertrauen in der Branche verloren, unter anderem wegen der sehr schwachen Bilanz 2022, sagte Kirstges. “FTI war eher preisaggressiv und hat relativ wenig verdient pro Reise bei einer vergleichsweise schwachen Eigenkapitalausstattung.”
Vor allem die Reiseverbote in der Corona-Pandemie hätten das Unternehmen schließlich in große Schwierigkeiten gebracht. Der drittgrößte europäische Reisekonzern nach Tui und DER Touristik war in der Pandemie auf staatliche Hilfe angewiesen, die zurückgezahlt werden muss. Das Unternehmen erhielt insgesamt knapp 600 Millionen Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds.
Vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt
Europas drittgrößter Reisekonzern FTI hatte am Montag Insolvenzantrag beim Amtsgericht München gestellt. Eigentlich wollte ein Konsortium unter Führung des US-Finanzinvestors Certares die FTI Group für einen Euro übernehmen und 125 Millionen Euro frisches Kapital in das Unternehmen stecken. Die Wettbewerbshüter mussten dem Deal noch zustimmen. Wie FTI mitteilte, sind jedoch die Buchungszahlen zuletzt deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. “Hinzu kam, dass zahlreiche Lieferanten auf Vorkasse bestanden haben. In der Folge kam es zu einem erhöhten Liquiditätsbedarf, welcher bis zum Closing des Investorenprozesses nicht mehr überbrückt werden konnte.”
Am Montagnachmittag hat das Amtsgericht München eine vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Damit solle das Schuldnervermögen vor nachteiligen Veränderungen geschützt werden, teilte das Gericht mit. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte es den Münchner Rechtsanwalt Axel Bierbach.
Fluggesellschaften halten wirtschaftliche Folgen durch FTI-Pleite für beherrschbar
Die größeren deutschen Ferienfluggesellschaften Eurowings und Condor halten die wirtschaftlichen Folgen der Insolvenz des Reiseveranstalters FTI für beherrschbar. Man warte derzeit auf Entscheidungen des Insolvenzverwalters, sagte ein Sprecher der Lufthansa-Tochter Eurowings am Mittwoch in Köln. Vorher könnten die reservierten Plätze nicht erneut vermarktet werden. Wie auch Condor nannte Eurowings keine Zahlen zu den von FTI geblockten Sitzplätzen.
Aus Kreisen war zu hören, dass zuletzt die FTI-Kontingente bei beiden Gesellschaften kleiner geworden seien. Das Touristikunternehmen musste bei beiden Gesellschaften dem Vernehmen nach die Tickets spätestens am Tag des Fluges bezahlen. Das seien marktübliche Konditionen.
“Wir gehen davon aus, dass die durch die Insolvenz von FTI entstehende Lücke auch kurzfristig vom Markt geschlossen wird”, erklärte eine Condor-Sprecherin. Dazu haben bereits Veranstalter wie die Tui besondere Verkaufsaktionen gestartet. Unter der Marke “Eurowings Holidays” gibt es zudem Pauschal-Pakete mit Sonderkonditionen für FTI-Gäste, die aktuell ihre Reise nicht antreten können. Im Buchungsprozess muss dafür die ursprüngliche Reisebestätigung nachgewiesen werden. Man sehe bereits ein sprunghaft gestiegenes Interesse an den alternativen Reiseangeboten, sagte der Airline-Sprecher.
Condor und Eurowings erneuerten ihre Zusagen, dass sie FTI-Kunden nicht an den Zielorten zurücklassen werden, sondern alle Touristen nach Hause fliegen. Am Dienstag hatte bereits der Lufthansa-Ferienflieger Discover Airlines berichtet, dass man von der FTI-Pleite betroffen sei. «FTI ist ein ganz wichtiger Partner für Discover», hatte Airline-Chef Bernd Bauer erklärt. Man prüfe derzeit die Auswirkungen. dpa/sr