Ursprünglich wurde dieser Artikel von htr hotelrevue verfasst.
Die meisten Unternehmen sehen KI als oberste Priorität, aber nur wenige haben ihre Mitarbeitenden ernsthaft darin geschult. Auch im Gastgewerbe bleiben noch viele Chancen von KI ungenutzt.
Neun von zehn Geschäftsführern geben laut Boston Consulting Group der künstlichen Intelligenz (KI) oberste Priorität, aber nur eines von zehn Unternehmen hat ernsthaft mit der Schulung seiner Mitarbeitenden in der Anwendung von KI gestartet. Insbesondere auch das Gastgewerbe liegt in der Nutzung der Chancen von KI noch weit hinter seinen Möglichkeiten. Wo klemmt’s? Wieso stehen dieser Entwicklung viele Unternehmen etwas hilflos gegenüber?
Zum einen ist das Angebot für Ausbildung on the job an Universitäten, Fachhoch- und Berufsschulen, um Mitarbeitende für die Nutzung von KI im Alltag zu trainieren und die Starthürden abzubauen, bescheiden. Zum andern fehlt oft der Mut, sich mit ersten kleinen Schritten dem Thema zu nähern und an konkreten Anwendungen zu lernen.
Hilfe bei Administration, Kreativität oder Recruitment
Die vordergründig größten ungenutzten Chancen von KI im Hotel- und Gastronomiebereich bestehen bei den administrativen Prozessen. Dort liegen große Produktivitätsgewinne brach. Da wir heute in vielen Branchen in einem Arbeitnehmermarkt händeringend um Mitarbeitende kämpfen, sind die Ängste, dass KI Arbeitsplätze vernichtet, fehl am Platz. Im Gegenteil: Dank KI werden Mitarbeitende viele Arbeiten wie beispielsweise Lager- und Zugangskontrolle oder Sicherheitsdienste effizienter bewerkstelligen und bei Reservierungen, Gäste-Check-in und -Check-out smarte Unterstützung erhalten. Die Rekrutierung neuer Mitarbeitender könnte mit KI-Chatbots vereinfacht oder die Einsatzplanung der Zimmerreinigung optimiert werden. In der führenden Orthopädie-Klinik in Zürich konnte dank mitarbeiterorientierter KI-Einsatzplanung die Mitarbeitendenzufriedenheit erhöht und die Fluktuation massiv reduziert werden. Selbst bei kleineren Hotels kann sich der Einsatz eines virtuellen Mitarbeiters, allenfalls auch gemeinsam mit anderen Hotels, lohnen. So etwa, wenn mit Chat-GPT oder WhatsApp die 20 häufigsten Standard-fragen schnell und kosteneffizient beantwortet werden.
Ebenso lohnend kann der Einsatz von KI im Revenue Management sein. Was die Airline-Industrie vor Jahren eingeführt hat und später von Tourismusbahnen übernommen wurde, beispielsweise ein Fensterplatz gegen Aufpreis beim Speedy Boarding der Gornergratbahn, wird nur selten im Restaurant angewendet. Warum nicht für die garantierte Aussicht auf dem Bürgenstock bei der Tischreservation einen Aufpreis verlangen? Auch werden die Vorteile für Kunden und Anbieter aus der Personalisierung des Angebotes durch Nutzung der Gästedaten für beispielsweise kundenspezifische Menüvorschläge, wunschgerechte Zimmerausstattung, die Kreation von individuellen Erlebniswelten bei Ausflügen oder den Einsatz von Gamification als Unterhaltungselement, obwohl bekannt, kaum genutzt.
Nicht die Größe, sondern die Betriebskultur entscheidet
Die optimierte Nutzung der Energiesysteme, lernende Lebensmittel-Entsorgungssysteme oder die tägliche zusammenfassende Aufbereitung der wichtigsten Daten aus den verschiedenen Hotel-Management-Systemen mittels einfacher Robotic-Prozess-Automation sind weitere lohnende KI-Anwendungen.
Dass sich regional große Unterschiede abzuzeichnen beginnen, hängt auch damit zusammen, dass europäische Unternehmen mit verschiedensten Sprachen und einer komplexen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu kämpfen haben, während Asien und insbesondere die Golfstaaten mit Vollgas neueste Entwicklungen bevorzugt einsetzen. Interessant ist, dass gemäß Ian Miliar, Senior Lecturer und Lead bei den Student Business Projects an der EHL, nicht die Größe der Unternehmen oder das Sterneniveau, sondern die Einstellung und die Kultur eines Hauses darüber entscheiden, ob und wie KI angewendet wird. CitizenM als Mittelklassehotel ist ein Beispiel dafür, wie man mit konsequentem Fokus auf Kundennutzen und Technikeinsatz digitale Erlebnisse schafft und so in einem hart umkämpften Markt erfolgreich sein kann.
Digitale Transformation mit richtigem Mindset fördern
Selbst wenn das technische Wissen für die Implementierung oben angesprochener Quick Wins vorhanden ist, stockt die Umsetzung oft. Hier können Bildungseinrichtungen einspringen und die Affinität zu KI wecken, den Umgang mit intelligenten Verknüpfungen interner und externer Daten üben und so ein Mindset zur Umsetzung digitaler Transformation fördern. KI, die in personalisiertes, intelligentes Coaching für Lernende und Ausbildende mündet, wie sie die Khan Academy schon ziemlich überzeugend anwendet, wäre ein gutes Vorbild dazu.
Uns allen ist längst klar, dass die Zeiten vorbei sind, in denen ein Abschluss das Ende einer Ausbildung bedeutet. Oder mit den Worten von Professor Amit Joshi von IMD gesagt: In Zukunft müssen Mitarbeitende und Organisationen ihr Wissen kontinuierlich aktualisieren und die Querschnittskompetenzen aufbauen, um das Ganze zusammenzuhalten, wenn sich unsere Fähigkeiten, unsere Arbeit und unsere Welt verändern. Respekt, kombiniert mit einem Schuss Mut, im Bewusstsein, dass wir alle erst am Anfang der KI-Lernkurve stehen, hilft sicherlich, den Prozess auf durchdachte Weise voranzutreiben.