Die Verringerung des CO2-Ausstoßes spielt bei der Sanierung von Bestandsimmobilien eine immer wichtigere Rolle und ist unter Immobilienexperten derzeit eines der Top-Themen.
Neue Projektentwicklungen sind rar, die Herausforderungen, aber auch Chancen für das Development liegen derzeit im Bestand. Diesen ESG-gerecht zu sanieren ist aufwendiger, als ein neues, emissionsfreies Hotel auf die grüne Wiese zu setzen. Dafür besetzen Bestandsimmobilien aber auch meistens hervorragende Standorte. A-Städte und damit bebaute Innenstädte seien der Development-Schwerpunkt von Art-Invest Real Estate Management, sagte dazu Christina Wendland, Senior ESG-Managerin des Unternehmens, unlängst in einer von ESG-Expertin Renée Nicole Wagner moderierten Runde des Expo Real Hospitality Industry Dialogue in München. Die Auseinandersetzung mit Bestandsimmobilien komme dem Thema ESG eigentlich entgegen, so Wendland. Dabei verwende man bestehende Substanz, bei der ESG allerdings verstärkt in den Fokus gerückt werden müsse, da die Immobilien ansonsten zusehends an Wert verlören.
Einsatz von Holz und Holzmodulen
Eine Lösung, um sowohl neue als auch bestehende Immobilien ESG-konformer zu gestalten, ist der Einsatz von Holz und Holzmodulen. „Wir haben ein Holzmodul für gewerbliche Immobilien entwickelt, auch für Hotels und Apartments. Das gesamte Material dieser Bettenhäuser ist bereits konfiguriert, wobei insgesamt viel recyceltes Material zum Einsatz kommt“, erläutert Oliver Scholl, Commercial Managing Director von Rubus Development diesen möglichen Weg zur Emissionssenkung. Rubus ist das gemeinsame Beteiligungsunternehmen von Deutsche Seereederei und Implenia Real Estate zur Entwicklung von Ferienhotel-Immobilien.
Holz allein ist aber nicht das Allheilmittel. Man müsse sich auch die Frage stellen, wie hoch der Anteil grauer Emissionen bei Beton zum Beispiel sei, so Wendland. Sie bezifferte ihn mit etwa
20 Prozent. Das Unternehmen Alcemy bietet hierfür Lösungen und arbeitet an einer CO2-reduzierten Beton- und Zementherstellung. „Aber es gehört auch noch viel anderes dazu. Die technische Ausstattung einer Immobilie kann auch 15 Prozent ausmachen. Wir betrachten alles projektbezogen“, so Wendland. Insbesondere für den Innenausbau gebe es bereits viele Elemente, die nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip produziert würden, vor allem im Teppichbereich. Bei Art-Invest kümmere sich ein 14-köpfiges Team darum, Hotels aus Betreibersicht und Gästesicht zu planen, wobei unter anderem auch Lagerflächen und Laufwege untersucht würden.
“Es wäre hirnrissig, die Heizung in einem fünf Jahre alten Haus auszutauschen.”
Max Luscher, B&B Hotels
Max Luscher, CEO Central & Northern Europe der B&B Hotels, erklärte, dass sich sein Unternehmen zwar schon mit Holzmodulbauweise auseinandergesetzt habe, vom Preis-Leistungsverhältnis jedoch noch nicht überzeugt sei. „Wir haben uns das in Portugal angesehen. Wenn wir in Deutschland ebenso bauen würden, würden die Kosten um 25 Prozent steigen“, rechnete er vor. Stattdessen zertifiziere man derzeit das Bestandsportfolio nach BREEAM, verwende ausschließlich Ökostrom und betreibe die Hotels plastikfrei. „Die letzte große Hürde, die vor uns liegt, ist die Umstellung der Warmwasseraufbereitung von Gas auf Wärmepumpen. Dafür würden sich aber die Kosten für eine Photovoltaikanlage auf 200.000 bis 250.000 Euro belaufen und die Pumpe zusätzlich 40.000 Euro kosten.“ Ausgetauscht werde erst dann, wenn die bisherigen Geräte nicht mehr funktionieren. „Es wäre hirnrissig, die Heizung in einem fünf Jahre alten Haus auszutauschen“, betont Luscher. Für Conversions benötige man Handwerker mit einem sehr großen Spezialwissen. B&B beschäftigt dafür drei Vollzeitmitarbeiter, die sich ausschließlich um ESG und das Inhouse-Development kümmern.
ESG wird immer wichtiger
Dass das Umsetzen nachhaltiger Maßnahmen nicht immer einfach ist, erlebt der B&B-Chef derzeit bei der Installation von E-Chargern auf seinen Hotelparkplätzen. „Wir haben Diskussionen mit Verpächtern, die uns mitteilen, dass das fremde Nutzen unserer Parkplätze nicht unsere Kompetenz sei“, wundert er sich. Auch sei es einfacher, Langsamlader zu installieren als Schnelllader, für die man zusätzliche Genehmigungen benötigt.
Zur Expansionspolitik der B&B Hotels sagte Luscher: „Bei allen Übernahmen ist ESG ein immer wichtigerer Bestandteil. Die Banken fragen heute bei den Finanzierungen nach, ob es ein Gebäudezertifikat gibt.“ Er geht davon aus, mit allen seinen Hotels den DGNB-Gold-Standard erreichen zu können. Es gebe klare Standards, was die energetische Ausstattung der Gebäude anbelangt. Bei allen Übernahmen werde ein Plan erstellt, wonach teilweise Heizungen durch Klimasplitgeräte ausgetauscht werden müssen. Nicht alle heute empfohlenen Maßnahmen senken aber tatsächlich die Betriebskosten. Man müsse auch stets die laufenden Maintenance-Kosten gegenrechnen.
Zählereinbau dringend erforderlich
Wer seine Bestandsimmobilien verbessern möchte, sollte sich intensiv mit ihren Werten befassen. „Ich bekomme den Bestand nicht neutral, aber klimaschonend. Entscheidend dafür sind unter anderem die Zähler. Die wenigsten wissen genau, wie hoch ihre Verbräuche sind“, so Oliver Scholl von Rubus Development. „Baue ich aber mehr Zähler ein als vorgeschrieben – am besten pro Zimmer –, dann kann ich sehr genau sehen, wo die Probleme liegen.“ Auch Max Luscher spricht sich für mehr Zähler aus: „Wir übernehmen gern beides: Alt- und Neubauten. Aber was die Zähler anbelangt, so bekommt man in den meisten Hotels nur einen verbaut.“
Womit in dieser Runde der Wunsch nach einer besseren Kommunikation zwischen Betreiber und Investor beziehungsweise Eigentümer laut wurde. „Der Developer oder Investor hat grundsätzlich andere Ansichten als der Betreiber“, so Michael Widmann, Global CEO der Wiener PKF Hospitality Group. Owner-Operator seien hierbei in einer komfortableren Lage. Handle es sich jedoch um zwei getrennte Parteien, funktioniere die nachhaltigere Entwicklung von Immobilie und Betrieb nur über den Ausbau der Datenflüsse. „Wir brauchen Technologie, insbesondere aber auch die Bereitschaft aller Parteien, sich über die Messwerte auszutauschen.“ Dem Vermieter mitzuteilen, dass die Meldung des Wasserverbrauchs nicht im Mietvertrag verankert ist, sei keine Lösung.
„Bei der Kommunikation ist noch Luft nach oben“, findet auch Scholl. „Bei einer Green Lease basiert alles auf Informationsaustausch. Wenn ich mein Gegenüber verstehe, bin ich auch in der Lage, Informationen zu geben. Wenn ich als Eigentümer dem Betreiber aber lediglich die Anweisung gebe, die Verbräuche mitzuteilen, dann ist das plump. Sage ich hingegen: ‚Lass uns die Immobilien gemeinsam nachhaltiger entwickeln‘, klingt das gleich ganz anders.“
KI-basierte Energiemanagementsysteme
Christina Wendland hat die Erfahrung gemacht, dass viele Betreiber keine strikte Nachhaltigkeitsstrategie haben. Für Neubauten gebe es bei Art-Invest klare Ziele. Jedes Team müsse sich mit den grauen Emissionen beschäftigen und auf Biodiversität achten, also stets Grünflächen einplanen, wassersparende Armaturen in Hotels einbauen und ein Zählerkonzept integrieren. KI-basierte Energiemanagementsysteme spielten dabei ebenfalls eine große Rolle.
Die Ziele, an denen man sich beim Neubau orientiert, leiten sich ein bisschen von der EU-Taxonomie ab. Schwierigkeiten bei der Revitalisierung ergeben sich teilweise bei der Materialnutzung, den Hürden des Denkmalschutzes oder bei den Brandschutzmaßnahmen. Wendland: „Oft muss der Bestand durch Neubauten ergänzt werden, um die hier gesetzten Ziele tatsächlich zu erreichen.“
Jedes Bauteil erfassen
Zu den Messinstrumenten für die Herstelleremissionen pro Quadratmeter zählt in der Branche unter anderem die Madaster-Plattform. In Madaster werden Daten über alle Materialien und Produkte registriert, die in einem Objekt verbaut wurden. Durch die Erfassung jedes einzelnen Bauteils erhält man unter anderem Aufschluss über die Trennbarkeit, das gebundene CO2 und die Toxizität von Materialien und Produkten.
Außerdem lässt sich damit feststellen, ob Materialien und Produkte wiederverwendet werden können. Nur durch zirkuläres Bauen könnten Abfallmenge und CO2-Emissionen drastisch reduziert und Klimaziele erreicht werden. Rubus misst bereits die Zirkularität der verwendeten Materialien – sie beträgt derzeit 79 Prozent.