Wir haben uns mit dem CEO der Upstalsboom-Hotels über New Work, Mitarbeiterzufriedenheit und Persönlichkeitsentwicklung unterhalten.
Bodo Janssen, CEO der Upstalsboom-Hotels, ist in der Branche kein Unbekannter. Mithilfe von Benediktiner Mönchen hatte er einst seinen eigenen Führungsstil erfolgreich umgestellt und damit für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Doch die Welt hat sich weitergedreht. In seinem jüngst erschienen Buch „Das neue Führen“ befasst sich Janssen daher mit Lösungsansätzen zu Führung in Zeiten der Unvorhersehbarkeit.
Tophotel: Herr Janssen, wie kann ich mein Unternehmen motiviert führen, wenn alle Schlagzeilen nur noch von Krisen dominiert sind?
Bodo Janssen: Der Druck auf Führungskräfte ist gewachsen, von oben und von unten. Sie befinden sich in einer Sandwich-Position. Mein Rat ist, sich auf das zu fokussieren, was tatsächlich in meiner Macht liegt. Ich darf nicht die Schuld bei anderen suchen, beim Chef, bei der Politik. Wir beklagen uns häufig über Dinge, über die wir nicht verfügen können. Einen Ukrainekrieg oder Corona, aber auch bestimmte politische Entscheidungen zu meinen Ungunsten kann ich nicht direkt beeinflussen. Also muss ich überlegen: Was mache ich jetzt daraus? Am Ende spielt es keine Rolle, ob eine Herausforderung Folge einer Naturkatastrophe oder der Politik ist. Entscheidend ist, wie ich damit für mein Unternehmen umgehe.
Doch leider erleben wir derzeit häufig auch von Unternehmern eine Mischung aus Jammern und Arroganz, wobei Arroganz natürlich auch oft eine Kombination aus Angst und Unsicherheit ist. Unter solchen Bedingungen zu arbeiten ist für Mitarbeiter sehr schwierig.
Was war die Initialzündung, gerade jetzt ein neues Buch zum Thema Führung herauszubringen?
Ich habe mich dazu entschlossen, weil ich immer häufiger mit Fragen konfrontiert wurde, auf die Führungskräfte keine Antworten haben. Und dann habe ich mich auch darüber geärgert, was alles in den eigentlich guten Begriff New Work hineininterpretiert wird, was die Situation nicht verbessert.
“Prozesse effizienter zu gestalten und weniger zu arbeiten, führt nicht unweigerlich zu mehr Mitarbeiterzufriedenheit.”
Was genau meinen Sie damit?
Im Mittelpunkt des New-Work-Gedankens von Begründer Frithjof Bergmann stand, dass Menschen nicht nur Geld verdienen möchten, sondern aus der Arbeit heraus auch Fragen beantwortet bekommen wollen, die ihr Leben betreffen. New Work beschreibt die Arbeit als Mittel zum Zweck, Selbsterkenntnis zu gewinnen.
Das ist aber das Gegenteil von dem, was viele Führungskräfte jetzt unter dem Deckmantel New Work tun. Sie denken, wenn sie den Mitarbeitern alles einfach und unkompliziert machen, dann sind diese zufrieden. Eine Viertagewoche für alle ist beispielsweise Unsinn, das möchten gar nicht alle Mitarbeiter. Wir haben das in unserem Unternehmen abgefragt. Die Viertagewoche arbeitet zudem gegen die deutsche Wirtschaft. Prozesse effizienter zu gestalten und weniger zu arbeiten, führt nicht unweigerlich zu mehr Mitarbeiterzufriedenheit.
Was suchen Mitarbeiter stattdessen bei ihrer Arbeit?
Wir haben gerade die vergangenen zehn Jahre in unserem Team reflektiert, wie jeder einzelne Mitarbeiter den von uns eingeschlagenen Upstalsboom-Weg für sich interpretiert hat. Das war teilweise sehr unterschiedlich. Doch alle haben eines genossen: Dass dabei der Mensch gestärkt wurde und wird.
Der Mensch und seine Fähigkeiten spielen in Ihrem Buch eine große Rolle.
Ja, denn die wirklich gravierenden Veränderungen, die sich weltweit in der Wirtschaft vollziehen, der gesamte Fortschritt bei der Digitalisierung und Automatisierung führt uns Menschen auf das Menschsein zurück, auf unsere besondere Fähigkeit, Empathie zu zeigen und Beziehungen einzugehen. Hatten Führungskräfte früher noch viel Macht durch Wissen, so haben heute sehr viele Menschen digital Zugriff auf enormes Wissen. Damit sind heute menschliche Skills entscheidender als erlerntes Wissen. Alles, was nicht Menschlichkeit ausdrückt, kann durch Maschinen besser gemacht werden.
Was bremst Mitarbeitende bei der Arbeit aus?
Das kann zum Beispiel die Gier des Unternehmers sein. Wir haben deshalb in einigen Häusern eine Belegungsbremse umgesetzt, weil wir festgestellt haben, dass das Team ab einer bestimmten Belegung nicht mehr in der Lage war, die Gästewünsche zu erfüllen. Wenn ich mich als Führungskraft nur auf den Umsatz fokussiere, kann dies leicht zu Ungunsten von Gästen und Mitarbeitern ausgehen. Ein Sommelier beispielsweise, der keine Zeit mehr für die Weinberatung findet, weil er den Service beim Teller-Einsetzen unterstützen muss, hat keinen Spaß mehr an seinem Beruf, und den Gästen entgeht die Beratung. Die Frage ist: Wie werden wir der Qualifikation unserer Mitarbeiter gerecht, nicht nur, wie steigern wir den Umsatz. Mitarbeiter wollen das, was sie tun, auch wirklich gut machen können.
Bodo Janssen
Bodo Janssen, geboren 1974, studierte BWL und Sinologie und stieg im Anschluss ins elterliche Hotelunternehmen ein. Als sein Vater bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, übernahm er die Führung der Hotelkette. Nachdem er bei einer Mitarbeiterbefragung vernichtende Ergebnisse erhalten hatte, beschloss er, für eineinhalb Jahre ins Kloster zu gehen. Nach dieser Zeit der inneren Einkehr leitete Bodo Janssen in seinem Unternehmen einen Paradigmenwechsel ein, mit dem Ziel, eine authentische Unternehmenskultur zu entwickeln, sodass alle Mitarbeitenden im Unternehmen das leben können, was ihnen als Mensch wichtig ist.
Welche Rolle spielt die Höhe der Bezahlung?
Es wird immer Menschen geben, für die Geld ihr Ein und Alles ist. Ein Großteil der Menschen verlangt heute aber nach einer neuen Währung.
Was ist ihnen denn wichtiger?
Wir haben in unserem Unternehmen schon vor einigen Jahren eine Umfrage gestartet, ab welchem Einkommen die Mitarbeiter lieber einen Freizeitausgleich hätten als mehr Geld. Dabei kamen 2.000 Euro netto heraus, branchenübergreifend waren es wohl um die 5.000 Euro. Freizeit, Unterstützung bei der persönlichen Entwicklung, die Möglichkeit, Fähigkeiten im Job richtig umzusetzen, das sind Dinge, die heute wirklich zählen.
Von Boni für Führungskräfte halten Sie auch nichts, wie Sie kürzlich in einem Linkedin-Post schrieben.
Ich finde es unsinnig, einzelne Leistungen gesondert zu honorieren. Das geht am Ende nur auf Kosten der Mitarbeiter, die Führungskräfte konzentrieren sich nur noch auf ihre Boni und verlangen dann auch noch immer mehr. Daher bin ich nicht für Boni, aber auch nicht für die Gleichstellung von Gehältern. Ich bin für Gerechtigkeit bei der Bezahlung. Dafür muss man sich bei jedem einzelnen fragen, was ihm wirklich gerecht wird. Nicht gerecht finde ich zum Beispiel den Unterschied bei den Tariflöhnen. Wir haben als Folge dessen unsere Gehälter in Ostdeutschland um über 20 Prozent erhöht. Ein Mitarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern sollte nicht schlechter dastehen als einer in Niedersachsen. Viel wichtiger als Geld ist den Menschen aber tatsächlich, dass sie an ihrer persönlichen Entwicklung arbeiten können. Und dass ihnen die Aufmerksamkeit zukommt, die sie benötigen.
Unterlaufen Ihnen dabei auch heute noch Fehler?
Ja, natürlich, auch ich bin nicht frei von Fehleinschätzungen. Ich hatte zum Beispiel beschlossen, mein Büro aufzugeben, weil ich mobil von verschiedenen Orten aus arbeiten kann. Eine Mitarbeiterin hat es aber so verunsichert, dass sie keine konkrete Anlaufstelle mehr hatte, an der sie mich erreichen kann, dass sie krank wurde. Als wir die Ursache herausgefunden und eine neue Lösung der Zusammenarbeit erarbeitet hatten, verschwanden diese Symptome wieder. Es wäre mir nicht in den Sinn gekommen, dass die Aufgabe meines Büros bei anderen Ängste auslösen könnte. Fälle wie diese bezeichne ich als toxische Führung, Führung, die andere krank macht, oft auch unbeabsichtigt.
“Freizeit, Unterstützung bei der persönlichen Entwicklung, die Möglichkeit, Fähigkeiten im Job richtig umzusetzen, das sind Dinge, die heute wirklich zählen.”
Was fällt noch darunter?
Manchmal sind es unbedachte Äußerungen, die Mitarbeiter kränken. Oder dass Vorgesetzte ihre Mitarbeiter nicht grüßen und selbst nach Wochen deren Namen nicht kennen. Toxisch wird die Arbeit aber auch, wenn zu viel auf Kennzahlen geachtet wird, auf Checklisten, Audits: Das alles nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und lenkt von der eigentlichen Arbeit als Gastgeber ab.
Upstalsboom hat mehr Bewerber als Sie benötigen, und in manchen Hotels beschäftigen Sie über 50 Prozent Quereinsteiger, vom Bankdirektor als Pagen bis zur Physiotherapeutin im Housekeeping. Worauf basiert dieser Erfolg?
Wir haben bereits vor zehn Jahren im Spannungsfeld von Spiritualität und Wissenschaft angefangen, Angebote zu schaffen, die Menschen bieten, wonach sich heute viele sehnen. Wir unterstützen sie dabei, ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln, zum Beispiel durch unsere Tour-des-Lebens-Projekte, bei denen wir mit Mitarbeitern Touren zum Kilimandscharo, nach Spitzbergen oder nach Ruanda unternehmen, aber auch durch Klosterseminare, Coachings und vieles mehr. 50 Prozent unserer Weiterbildungsangebote stellen wir dabei auch der Öffentlichkeit zur Verfügung, was von vielen Unternehmen gern genutzt wird.
Sind darunter auch Hoteliers?
Sehr selten, eher andere Branchen, von der Großbäckerei bis zum Autohaus. Ich würde mir mehr Teilnehmer aus der Hotellerie wünschen. Das könnte auch zu einem spannenden inhaltlichen Austausch führen. Denn wir sind auf dem einen Gebiet der Führung wirklich gut, haben aber gewiss noch Bereiche, in denen unser Wissen ausbaufähig wäre.
Was schätzen Sie besonders an der Hotellerie? Die mit der Hotellerie einhergehenden Aufgaben sind ein Geschenk für die Welt. Gastfreundschaft ist eines der höchsten Güter. Das sagen übrigens auch die Benediktiner. Sie brechen zugunsten ihrer Gäste sogar Regeln, verzichten beispielsweise auf bestimmte Rituale, um voll und ganz für ihre Gäste da zu sein.