Revenue Management in der Ferienhotellerie. In #happyTalk04 sprechen wir mit Markus Seemann von 9seemeilen Hospitality über Revenue Management in der Ferienhotellerie.
Es geht vor allem darum, warum – entgegen der gängigen Klischees – Revenue Management sinnvoll und erfolgreich für Hotels in Feriendestinationen ist und wie Hoteliers davon profitieren.
Unser happyTalk Gast
Markus Seemann hatte schon immer eine große Leidenschaft für Revenue Management, die strategische Betrachtung von Prozessen und die Analyse von Logis-Kennzahlen. Nach seiner klassischen Ausbildung in der 5-Sterne Hotellerie hat er diverse Station im In- und Ausland durchlaufen. Sowohl in der Ketten- als auch in der Privathotellerie konnte er in zahlreichen Führungspositionen sein Talent in über 15 Jahren unter Beweis stellen.
2018 hat er sich für den Schritt in die Selbständigkeit entschieden und 9seemeilen Hospitality gegründet. 9seemeilen Hospitality versteht sich als Partner der Hotellerie, um auch privat geführten Hotels den Zugang zu einem professionellen Revenue Management zu gewähren.
Sebastian: Ein Klischee hält sich dauerhaft: Revenue Management ist doch gar nichts für Ferienhotellerie. Meine Frage an dich: Warum ist es doch was?
Markus: Mit diesem Klischee habe ich tatsächlich jeden Tag zu kämpfen. In der Stadt- und Ketten-Hotellerie ist Revenue Management ein ganz, ganz großes Thema, schon seit vielen Jahren. Und warum funktioniert das auch in der Ferienhotellerie? Ganz einfach: weil das Produkt so verderblich ist wie in der Stadt-Hotellerie: Das Hotelbett/-zimmer können wir nur heute Nacht verkaufen. Dabei spielt es keine Rolle, wo das Hotelbett ist, das ist Punkt Eins.
Der zweite Punkt ist: Wir haben immer eine variable Nachfrage – egal, ob das Hotelzimmer in der Stadt oder in einer Feriendestination ist. Und der dritte Punkt ist die variable Zahlungsbereitschaft. Das heißt, es gibt unterschiedliche Marktsegmente, aus denen meine Gäste kommen und die haben eine unterschiedliche Bereitschaft, unterschiedliche Preise zu bezahlen.
Es ist also doch 1:1 das gleiche, wenn man es auf das Thema Revenue Management herunterbricht. Und das ist wohl der erste gedankliche Knackpunkt, den man da aufbrechen muss, um zu sagen: es ist eigentlich doch gleich, obwohl es tatsächlich sehr unterschiedlich ist.
Sebastian: Warum glaubst du, dass ausgerechnet die Hoteliers aus diesem Segment glauben, dass es nichts für sie ist? Ich höre sehr oft: „Aber ich habe doch gar keinen Wettbewerber, mit dem ich mich vergleichen kann“. Vielleicht hast du ähnliche Erfahrungen gemacht?
Markus: Ja, auf jeden Fall. Ich wohne ja in Meersburg, einer sehr schönen touristischen Destination. Und gerade im Sommer geht da natürlich besonders viel – und genau diese Erfahrung macht man in allen Feriendestinationen, ob das der Schwarzwald, die Mecklenburgische Seenplatte oder meine Heimat Ostfriesland ist.
Gerade was das Thema Mitbewerber angeht, sage ich immer: Überleg mal, der Gast, der zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen kommt, dem ist es letztendlich schon in gewisser Weise egal, wohin er fährt. Er möchte ein schönes Produkt an einem schönen Standort zu einem akzeptablen Preis haben. Wenn das am Markt nicht verfügbar ist an Standort A, dann wandert er halt nach Standort B ab.
Und: Auch wenn ich vielleicht an meinem eigenen kleinen Ort oder im Umkreis das einzige Hotel bin, habe ich überregional doch Wettbewerber. Dann kommt es in der speziellen Situation immer noch darauf an, ob das Sinn macht, die Preise mit überregionalen Mitbewerbern zu vergleichen.
Häufig hört man dann auch: Ja, unsere Saison ist ja immer lang. Also grad hier am Bodensee geht die Saison fast 8 Monate, bis nach den Herbstferien. Aber selbst in dieser langen Zeit gibt es Peaks. Schön wäre natürlich: von Anfang April bis zur ersten Novemberwoche komplett voll – der Traum eines jeden Hoteliers. Das ist aber nicht der Fall. Und wenn man sich seine Betriebskennzahlen anschaut und da mal ein bisschen tiefer in die Logis einsteigt, dann sieht man genau: da gibt es wiederkehrende Muster. Und die müssen mit vernünftigen Raten bedient werden. Viele Ferienhotels haben immer noch die klassische Saisonpreise: Winterrate, wenn nichts los ist und Sommerrate, wenn viel los ist. Da ist es superspannend, dass man der Nachfrage entsprechend, einen vernünftigen Preis auf den Markt bringen kann. Um zum einen natürlich eine höhere Nachfrage mit einem höheren Preis zu bedienen, aber auch niedrigere Nachfrage mit einem niedrigeren Preis.
Deshalb ist es aus meiner Sicht – und da spreche ich sicher auch für dich – ein absolutes MUSS, Revenue Management zu betreiben, um wirtschaftlich stabil arbeiten zu können.
Sebastian: Machen wir weiter mit Klischee Nummer 2: Mit dynamischen Preisen verärgere ich meine Gäste. Warum glaubst du, dass dies in den Köpfen noch so verbreitet ist? Die dynamischen Preise sind ja sonst überall – zum Beispiel bei Flügen – weit verbreitet.
Markus: Das ist immer so der letzte Schritt, den ich machen muss, um jemanden zu überzeugen, Revenue Management zu machen. Ich möchte vehement verneinen, dass dynamische Preise die Gäste verärgert. Aus meiner persönlichen Sicht ist es nur eine mangelnde Informationsbereitschaft von uns in der Hotellerie an den Gast. Wenn der Gast zum Beispiel von Samstag bis Montag kommt, dann muss ich ihm erklären können: Am Samstag zahlst du ein bisschen mehr, weil da bei uns viel mehr los ist, am Sonntag ist weniger los und wir können den Preisvorteil direkt an dich weitergeben: Deshalb unterscheidet sich die Rate.
Ich finde das oft schade, dass die Hoteliers oder die Verantwortlichen, die sich mit Revenue Management beschäftigen, sich ihre Gedanken und Pläne für die Raten machen, aber diese weniger gut an die Mitarbeiter in der Reservierung oder an der Rezeption kommunizieren. Denn die müssen das unterm Strich jeden Tag leben und praktizieren und auf die Fragen der Gäste eine Antwort haben. Sonst sind die Gäste nicht zufrieden. Aber wenn man das offen und ehrlich kommuniziert, dann lässt sich der Gast auch darauf ein.
Wie du grad sagtest: wir haben so viele Berührungspunkte mit Revenue Management in unserem täglichen Leben: Kino ist ein gutes Beispiel: Abgesehen, dass die unterschiedlichen Uhrzeiten unterschiedlich bepreist sind, haben wir in den großen Kino-Ketten ja jetzt auch schon unterschiedliche Sitzplatz-Kategorien – vom Love-Seat bis zum breiten Ledersessel.
Was jeder von uns eigentlich noch wissen müsste: Wenn wir zurückdenken an den ersten Lockdown, da wollte jeder backen. Und was war die große Nachfrage: Hefe. Was ist passiert im Lebensmittel-Einzelhandel: Hefepreise sind explodiert.
Das ist daily life und so sollte es auch bei uns in der Hotellerie sein. Das mache ich auch mit meinen Kunden: Wir holen das ganze Team zusammen, gerade die, die tagtäglich damit zu tun haben, sie werden vernünftig geschult und gebrieft.
Dann fällt es diesen Mitarbeitern auch leicht, dem Gast nicht nur die Einheitsrate sondern auch dynamische Preise zu verkaufen.
Sebastian: Steigen wir tiefer ins Revenue Management ein: Wie setzt du deine Raten auf, wie sind die Strukturen, die du bei deinen Kunden einführst? Welches ist so der Baukasten, den du bei deinen Kunden benutzt?
Markus: Ja, wie kommen wir eigentlich zu einer Rate, das ist des Pudels Kern. Hand aufs Herz: die meisten Raten sind historisch gewachsen. Sie wurden mal festgelegt, vielleicht auch mit Wettbewerbern verglichen. Aber davon möchte ich weg, denn das ist so mehr aus dem Bauchgefühl heraus – und das ist, wenn es ums Geld geht, ein schlechter Ratgeber. Ich möchte das lieber mit Zahlen belegt haben.
Deswegen gehen wir so vor: Wir stellen fest, wie die Kostenstruktur ist, machen eine saubere Break-Even-Analyse und bauen darauf unser Raten-Gitter auf. Letztendlich muss ich auch wissen, in welcher Range ich „spielen“ kann: Wo ist meine Preis-Untergrenze, darf ich eigentlich darunter verkaufen und wie hoch kann ich gehen? Ich habe also schon ein breites Spektrum, das mir an Marktpreisen zur Verfügung steht.
Und dann ist mein Baukasten oder Masterplan auch immer ein bisschen abhängig davon, was für ein Hotel das ist und wie viele Marktsegmente vorhanden sind.
Und bei den Raten gilt: the sky is the limit: Man kann sich so viele machen, wie man möchte und das kann durchaus auch hin und wieder Sinn machen. Aber ich empfehle grundsätzlich ein Minimum von vier Raten: zum einen die Bar-Rate oder flexible Rate oder auch Hausrate, wie sie genannt wird. Das ist die Rate, die ich nehme, wenn für die Reservierung ein Gast anruft oder eine E-Mail schickt. Hier habe ich Arbeit: Die Mail muss beantwortet werden oder auch mal noch das Fax. Das ist sozusagen der Standard.
Dann habe ich eine Rate, die ist etwas günstiger. Das ist die Homepage-Rate. Finde ich sehr wichtig und sehe sie immer noch zu selten. Diese Rate ist etwas rabattiert, weil der Gast mir alle Arbeit abnimmt: Er sucht sich Zimmer, Zeitraum etc. aus, gibt seine ganzen Daten ein und alles wird direkt ins Hotelprogramm eingebucht.
Das dritte wäre dann eine Portal- oder OTA-Rate. Diese ist etwas teurer als die Bar-Rate, weil wir dadurch etwas an Kommission kompensieren möchte. Ich rate sogar dazu, diese Rate 10% über die Bar-Rate zu legen, denn die Kommissionen sind ja oft zwischen 11-18%. Damit kann man sich einen Großteil davon wiederholen.
Und ich empfehle auch immer noch eine Non-Refundable-Rate. Da haben wir zwar gemerkt, dass sie (jetzt und während Corona) nicht so gut nachgefragt wird am Markt. Aber sie hatte vorher eine hohe Relevanz und wird diese wieder erreichen.
Damit haben wir dann ein gutes Standard-Portfolio.
Sebastian: Bei der OTA-Rate hattest du ja schon kurz gesagt, dass du da mit 10% Aufschlag arbeitest. Arbeitest du generell mit prozentualen Auf- und Abschlägen oder nimmst Du auch absolute?
Markus: Ich bin ein Freund von prozentualen Auf- und Abschlägen. Das lässt sich besser darstellen im späteren Logis-Controlling, in der Buchhaltung oder in der Vorausplanung. Wenn ich einen bestimmten Eurobetrag zum Beispiel 10 Euro als Aufschlag nehmen würde, ist es bei einer Rate von 50 Euro sehr sehr viel, aber 10 Euro bei einer Rate von 150 Euro ist dafür extrem wenig. Deshalb arbeite ich lieber mit einem variablen Aufschlag in Prozent, der immer von der täglichen Rate abhängig ist.
Sebastian: Was auch noch spannend ist, ist das Thema Restriktionen. Wie gehst du damit um? Empfiehlst du deinen Kunden zum Beispiel auch auf MinLOS und MaxLos zu setzen?
Markus: Unbedingt. Ganz, ganz wichtig. Dieses wichtige Thema haben viele gar nicht so auf dem Schirm. Am Beispiel Meersburg ist es ganz extrem: Da sind die Wochenenden außerhalb der Sommerferien sehr stark nachgefragt. Und da wäre es eigentlich sehr hinderlich, wenn man keinen Mindestaufenthalt für das Wochenende einführen würde. Hinderlich für ein gutes Revenue Management und für die Prozesse und Arbeitsabläufe im Hotel. So spart man sich zum Beispiel An- und Abreise am Samstag und hat weniger Personalaufwand. Ich forciere das tatsächlich in 99% der Fälle.
Es gibt nur wenige Destinationen, da ist das nicht der Fall, da sind keine Restriktionen notwendig. Aber es gibt fast immer Muster, die es bestätigen, warum ich einen Mindestaufenthalt haben muss – sei es an Wochenenden oder Brückentagen. Das trägt enorm zu einem vernünftigen Wirtschaftswachstum im eigenen Betrieb bei. Und es ist dabei egal, um welche Restriktion es geht – sei es MinLos oder CTA etc. Das alles sind kleine Stellschrauben, mit denen man innerhalb vom Revenue Management viel bewegen kann.
Sebastian: Du bist stark verwurzelt mit der DEHOGA. Was genau machst du da?
Markus: Vor meiner Selbständigkeit war ich lange General Manager in privaten und Ketten-Hotels und hatte viel Kontakt mit dem Verband. Ich finde es eine spannende Plattform, um Wissen zu teilen. Deshalb bin ich da sozusagen auf zwei Hochzeiten unterwegs:
Zum einen ist da die DEHOGA Akademie, da halte ich viele Seminare, natürlich im Bereich Revenue- und Yield-Management. Das macht sehr viel Spaß. Vor allem, weil das so viele unterschiedliche Betriebe sind, die da zusammenkommen und der Austausch sehr intensiv ist. Es geht im Wesentlichen um die Basics. Was einen höheren Beratungsaufwand hat, kann man da nicht leisten, aber das kann ich dann mit 9seemeilen Hospitality zur Verfügung stellen
Die andere „Hochzeit“ ist die DEHOGA Beratung in Stuttgart. Da unterstütze ich das Team als freier Berater. Zum einen im Bereich Digitalisierung. Das heißt, speziell in der Hotellerie / in der Logis gibt es ja viele Systeme (wie happyhotel), um den Hotels Wege aufzuzeigen, wie sie sich besser am Markt positionieren und digitaler aufstellen können. Zum anderen ist da natürlich auch die klassische Beratung. Ein Hotel ist in Schieflage geraten und bittet beim Verband um Hilfe. Wenn es um die Bereiche Digitalisierung und Logis geht, kann ich dann als Berater helfen. Wenn es restaurantlastiger ist, kommt ein Kollege. Das sind die beiden wichtigen Bereiche.
Das macht besonders Spaß, wenn es sich um eine langfristige, nicht nur punktuelle Zusammenarbeit handelt, die dann zum Erfolg für die Hoteliers führt.
Sebastian: Was glaubst du, welche drei Dinge sollte ein Hotelier in der Zukunft im Fokus haben, um gut aufgestellt zu sein?
Markus: Gute Frage – ich habe mir dazu Gedanken im Vorfeld gemacht. Da sind direkt drei Themen aufgepoppt, die vielleicht nicht neu, aber extrem wichtig sind für die Zukunft.
Erstens die Prozessoptimierung und Digitalisierung – beides zusammen. Die Digitalisierung kann die Prozessoptimierung sehr unterstützen, sei es im Logisbereich bei der Abwicklung von Reservierungen oder der Automatisierung der Preisentscheidungen. Aber auch in der Gastronomie und im Hauskeeping ist die Prozessoptimierung ein Riesen-Thema. Wir haben immer weniger Staff in den Hotels und da ist es wichtig, mit dem Personal so gut wie möglich zu arbeiten – ähnlich der Industrie.
Der zweite wichtige Punkt ist Online-Marketing als Teilbereich des gesamten Marketings. Viele Hoteliers sagen: „Ach, ich möchte bei den OTAs nicht mehr mitmachen, die wollen immer so viel Geld…“. Das kann man machen, wenn man die Kommissionen des letzten Jahres direkt ins Marketing investiert. Denn genau das sind die Kommissionen, die man für ein Portal bezahlt: Marketingausgaben. Der Anbieter des Portals platziert mich als Hotel mit einer sehr großen Reichweite, die man meist allein nicht hat. Wenn man davon unabhängiger sein möchte, kann man die Ausgaben anderweitig im Online-Marketing einsetzen. Aber auch hier ist es wichtig, einen Plan zu entwickeln und nicht nach dem Gießkannen-Prinzip vorzugehen. Da gibt es viele Dienstleister und schlaue Leute, die einem hier unterstützen.
Und der dritte Punkt sind nach wie vor die Mitarbeiter! Wir haben auch schon darüber gesprochen: Viele dachten, dass sie nach Corona neue Mitarbeiter gewinnen können, weil zum Beispiel Stellen in der Industrie abgebaut werden. Aber genau das Gegenteil war der Fall! Die Lage war vorher schon angespannt, was Personal bei uns in der Hotellerie angeht. Aber jetzt ist es noch viel schlechter geworden.
Wir müssen uns also ein bisschen mehr bewegen, weil der Lohn als einzelne Komponente nicht mehr ausreicht. Der Manteltarifvertrag in Baden-Württemberg ist ja ein guter, da können sich viele andere Bundesländer eine Scheibe abschneiden, aber das allein ist nicht genug. Die Bedürfnisse der Mitarbeiter – gerade in der jüngeren Generation – sind anders geworden. Da muss ich dann schon noch schauen, dass ich Zusatzleistungen oder Boni mit anbiete. Wie zum Beispiel eine private Zahnzusatz-Versicherung. Das hat mir jemand in einem Seminar erzählt: Dieses Hotel zahlt jedem Mitarbeiter eine private Zahnzusatzversicherung – kostet vielleicht 5 Euro pro Person im Monat -und das sind Betriebsausgaben. Und ein riesengroßer Mehrwert für den Arbeitnehmer. Da muss ich mich halt von meinen Mitbewerbern abheben, um attraktiv zu sein für die Mitarbeiter, die noch am Markt verfügbar sind.