Hightech trifft Achtsamkeit, Robotik auf Empathie, Tradition auf Transformation: Vanessa Borkmann, Expertin für Innovation und Digitalisierung in der Tourismusbranche, hat Japan bereist und berichtet, welche Impulse deutsche Hoteliers für sich nutzen können.
Japan ist seit Jahrzehnten ein Schaufenster für das, was die Hotellerie von morgen prägen wird. Zwischen Tradition und Technologie entstehen dort neue Formen der Gastlichkeit – vom Hightech-Wellnessresort über Service-Roboter und Kapselhotels bis hin zur gelebten Kultur des Omotenashi, jener tief verankerten Haltung echter Achtsamkeit gegenüber dem Gast.
Auf meiner Reise durch Hokkaido, Osaka, Kyoto und Fukuoka zeigt sich: Japans Hotellerie geht mutig voran. Häuser aller Größenordnungen experimentieren mit KI-Integration, digitalisierten Guest Journeys, Dual-Brand-Modellen und neuen Wellness-Formaten. Das Prinzip ist immer dasselbe – Innovation mit Sinn. Technik wird nicht ausgestellt, sondern gezielt eingesetzt, um den Aufenthalt individueller, effizienter und emotionaler zu machen.

Diese folgenden fünf Konzepte sind keine Einzelbeispiele, sondern Spiegel globaler Trends: Hyper-Individualisierung, hybride Service-Ökosysteme, Automatisierung mit Menschlichkeit und die Transformation von Hotels zu urbanen Service-Hubs.
Hybride Ökosysteme als Erfolgsschlüssel
Am Fraunhofer IAO beschäftigt sich das Future Hotel Innovation Network seit mehr als 15 Jahren genau mit diesem Wandel: Wie werden Hotels zu Plattformen, die physische Erfahrungen, digitale Services, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Gemeinschaft verbinden? Die Entwicklungen in Japan liefern dafür wertvolle Bestätigungen – und Impulse, wie sich auch die europäische Hotellerie strategisch ausrichten kann.
Denn die Erkenntnis aus Japan ist klar: Die Zukunft der Hotellerie entsteht im Spannungsfeld von Tradition, Technologie und Transformation. Erfolg wird künftig nicht durch „mehr Technik“ und Standardisierung erzielt, sondern durch klug orchestrierte Erlebnisse und die Fähigkeit, hybride Ökosysteme zu gestalten. Wer es schafft, Authentizität, Technologie und Markenidentität zu verbinden, gestaltet Hotels, die weit mehr sind als Übernachtungsorte – sie werden zu Orten der Transformation, zu sozialen Akteuren in ihren Communities.
Japans Beispiel zeigt: Mut zum Experiment, Respekt vor Kultur und Offenheit für Innovation schaffen die Grundlage für eine neue Ära der Gastlichkeit.
Zwei Marken, ein Zuhause
In Fukuoka teilen sich die beiden Hotelmarken The Lively Hakata und The Millennials Fukuoka ein Haus – und fungieren damit als Blaupause für ein Dual-Brand-Konzept. The Lively bietet Lifestyle- und Community-Spaces, The Millennials IoT-gesteuerte Smartpods. Junge Reisende buchen über App, steuern ihre Pods per iPod-Interface – etwa Licht, Bettwinkel, Streaming – und trinken abends Gratisbier in der Lobby.
Praxisidee: Unterschiedliche Zielgruppen unter einer Marke kombinieren – etwa Business-Gäste und digitale Nomaden – durch flexible Raummodule oder Co-Working-Zonen.
Learnings: Dual-Brand-Konzepte schaffen flexible Hospitality-Assets, die Lifestyle, Technologie und Community-Building verbinden – das Hotel wird zum sozialen Treffpunkt.
Bild: Global Agents Co., LTD


Hightech meets Wellness
In den 14 Wellness-Suiten des Rusutsu Resorts auf Hokkaido verschmelzen Onsen-Tradition und digitaler Lifestyle: KI-Massagesessel analysieren Muskelspannungen, Projection-Mapping-Whirlpools, individuell steuerbare Saunen und Sauerstoffkammern sorgen für sensorische Erholungserlebnisse.
Praxisidee: Wellness als personalisiertes, datenbasiertes Erlebnis kuratieren, das Regeneration, Prävention und persönliche Transformation verbindet – von biophilem Design bis hin zu Bio-Hacking.
Learnings: Zukunftsfähige Wellness-Hotellerie setzt auf Symbiosen aus gesundheitsbezogenen Zukunftstrends, Technologie und kulturellem Erbe.
Bild: Aaron Jamieson
Omotenashi neu übersetzt
Das Boutiquehotel Sowaka in Kyoto mit 23 Zimmern bringt traditionelle Machiya-Architektur und diskreten Luxus zusammen. Im Restaurant „Gion Loka“ verkörpert sich Omotenashi, die japanische Philosophie der Gastfreundschaft. Diskreter Service, saisonale Details und ruhiges Design schaffen Achtsamkeit und Fürsorge. Technik bleibt unsichtbar, aber hilfreich (z. B. automatische Lichtanpassung zur Teezeremonie).
Praxisidee: Technologien so integrieren, dass sie Prozesse erleichtern, aber Atmosphäre wahren – etwa durch stille Serviceautomation im Hintergrund.
Learnings: Omotenashi, die Kunst der Vorwegnahme und Empathie, unterstützt durch unaufdringliche Technologie. Die perfekte Grundlage für die Zukunft der Hospitality.
Bild: Sowaka/Yoshihito Ozawa


Check-in beim Roboter
Im Henn na Hotel Osaka werden Gäste schon lange von Robotern empfangen. Gesichtserkennung ersetzt Schlüsselkarten, Sprachsteuerung bedient Licht und Klima. Doch hinter dem Showeffekt steckt Funktion: Automatisierung reduziert Personaleinsatz und Fehlerquote, besonders bei Belegungs-Peaks.
Praxisidee: Service-Roboter für wiederkehrende Routinen einsetzen. Besonders im Back of House liegt Potenzial: Roboter als Co-Worker, die Mitarbeitende entlasten und Freiräume schaffen.
Learnings: Automatisierung ersetzt nicht, sondern ergänzt Gastfreundschaft. Und sie erhöht die Servicequalität, wenn sie klar definiert ist und Raum für echte Begegnung lässt.
Bild: Vanessa Borkmann
Hybride Guest Journeys
Die World Expo Osaka 2025 zeigt im deutschen Pavillon, wie Guest Journeys neu gedacht werden: Ein Smart Token namens Circular (ein kugelförmiger Charakter, inspiriert von der Idee des Kreislaufs im Kawaii-Stil) führt Besucher individuell durch die Ausstellung, interagiert mit Exponaten und speichert Interessen. Nach der Expo lebt der Erfahrungspfad digital weiter – ein Modell für Hotels mit Event-Bezug.
Praxisidee: Digitale Gästebegleiter oder Tokens entwickeln, die den Besuch personalisieren (z. B. für Empfehlungen, Nachhaltigkeitspunkte, Wiederkehr-Incentives).
Learnings: Hybride Journeys schaffen Bindung über den Aufenthalt hinaus – digital, emotional, datengetrieben.
Bild: German Pavilion/Alexandre.Olivieri/Takography

Gastautorin
Dr. Vanessa Borkmann ist Forschungsleiterin des Future Hotel Innovation Network am Fraunhofer IAO in Stuttgart und Professorin für Tourismus mit Schwerpunkt Hotelmanagement an der SRH University of Applied Sciences.
