
Politische Themen, Leadership-Impulse und HR-Strategien standen im Mittelpunkt der Herbsttagung der Hoteldirektorenvereinigung Deutschland (HDV). Rund 150 Teilnehmer trafen sich in den Mövenpick-Hotels am Stuttgarter Airport, um über Zukunftsfragen der Branche zu diskutieren.
Unter dem Motto „Menschen, Führung, Zukunft – Impulse für die Hotellerie“ versammelte sich die Hoteldirektorenvereinigung Deutschland (HDV) vom 14. bis 16. November 2025 zu ihrer Herbsttagung in den beiden Mövenpick-Hotels am Stuttgarter Airport. Drei Tage lang standen aktuelle Themen im Mittelpunkt, die die Branche bewegen – von politischen und arbeitsrechtlichen Fragen über moderne HR-Konzepte bis hin zu digitalen Entwicklungen. Neben inspirierenden Vorträgen und praxisnahen Workshops bot die Tagung reichlich Gelegenheit zum Austausch und Networking. Ein besonderes Highlight war die Verleihung des Awards „Exzellenter Ausbildungsbetrieb 2025“, mit dem die HDV erneut Betriebe für herausragendes Engagement in der Nachwuchsförderung ehrte.

Politik im Fokus: Dreiergespräch zu Steuer, Arbeitszeit und Ausbildung
Nach der offiziellen Begrüßung startete die Tagung politisch – mit klaren Worten und pointierten Positionen. Bei der „Aktuellen Stunde im Dreiergespräch“ diskutierten HDV-Chef Jürgen Gangl, die Vorsitzende des Tourismusausschusses im Deutschen Bundestag, Anja Karliczek, und Fritz Engelhardt, Ehrenvorstand des Dehoga Baden-Württemberg, zu Beginn die drängende Frage nach der Mehrwertsteuer auf Speisen. Einigkeit bestand darin, dass die Rückkehr zum ermäßigten Satz von sieben Prozent für die Branche unabdingbar sei, um insbesondere mittelständische Betriebe zu entlasten. Karliczek betonte die breite Zustimmung im Bundestag und zeigte sich zuversichtlich, dass der Bundesrat die Steuersenkung Ende des Jahres ebenfalls billigen werde. Engelhardt schilderte die politische Gemengelage in den Ländern als zähes Ringen um finanzielle Kompensation, zeigte sich aber optimistisch, dass genügend Länder das Vorhaben unterstützen werden. Gangl hob die Bedeutung der Steuerentlastung für die Planungssicherheit und die wirtschaftliche Stabilität insbesondere im ländlichen Raum hervor.
Ein weiterer Schwerpunkt des Austauschs lag auf der Reform des Arbeitszeitgesetzes. Gangl und Engelhardt forderten mehr Flexibilität für die Betriebe, um auf die besonderen Arbeitszeiten in Hotellerie und Gastronomie reagieren zu können. Beide warben für praxisnahe Modelle, die gleichzeitig den Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht werden. Karliczek zeigte Verständnis für die Anliegen der Branche und wies darauf hin, dass die Koalition an entsprechenden Anpassungen arbeite. Sie argumentierte, dass flexiblere Arbeitszeitregelungen auch im Interesse der Beschäftigten seien, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Die Herausforderung bestehe darin, innerhalb der politischen Partner – insbesondere mit der SPD – einen tragfähigen Kompromiss zu finden.
Auch die neue Ausbildungsverordnung im Gastgewerbe wurde kritisch beleuchtet. Während Gangl auf die wachsende Kluft zwischen betrieblichen Möglichkeiten und den gestiegenen Ausbildungsanforderungen hinwies, verteidigte Engelhardt die Modernisierung als grundsätzlich überfälligen Schritt hin zu digitaleren und praxisbezogeneren Ausbildungsinhalten. Karliczek zeigte den bildungspolitischen Kontext auf: Ziel sei es, jungen Menschen eine flexible und zukunftsfähige Ausbildung zu ermöglichen, die ihnen auch spätere berufliche Wechsel offenhalte. Sie räumte allerdings ein, dass die Umsetzung in den Betrieben und Berufsschulen noch Anlaufschwierigkeiten bereite. Einigkeit bestand am Ende darin, dass Ausbildung und Fachkräftesicherung zentrale Zukunftsthemen bleiben – und ständige Weiterentwicklung nötig sein wird, um die Hotellerie wettbewerbsfähig zu halten.
Selbstführung als Schlüssel: Keynote von Boris Grundl
Eng damit verknüpft ist auch die Frage, wie Führung künftig gedacht und gelebt wird. Dazu rückte Boris Grundl, Gründer des Grundl Leadership Instituts, in seiner inspirierenden Keynote „Führung im Wandel der Zeit“ die Rolle von Führungskräften in einer zunehmend komplexen und dynamischen Arbeitswelt in den Mittelpunkt. Er forderte die anwesenden Hoteliers und Führungskräfte dazu auf, Verantwortung neu zu denken – beginnend bei sich selbst.
Echte Führung, so Grundl, sei keine Frage von Kontrolle oder Anweisung, sondern von Selbstführung und Bewusstheit. Wer andere inspirieren wolle, müsse zunächst die eigene Haltung reflektieren und den Fokus auf das legen, was er wirklich beeinflussen kann. Grundl betonte, dass moderne Führung in einer Branche, die ständig unter Veränderungsdruck stehe, vor allem eines braucht: innere Klarheit. Führungskräfte, die lernen, weniger über äußere Umstände zu klagen und mehr auf ihre persönliche Wirkung zu achten, schaffen den Nährboden für nachhaltige Veränderung.
Mit praxisnahen Beispielen zeigte Grundl, wie durch konsequente persönliche Weiterentwicklung und eine klare Kommunikation eine Kultur entstehen kann, die Leistung und Menschlichkeit verbindet. Führung dürfe nicht als Kontrolle, sondern müsse als Befähigung zur Eigenständigkeit verstanden werden. Besonders in Zeiten des Fachkräftemangels sei dies ein entscheidender Erfolgsfaktor: Nur wer Mitarbeitenden Entwicklungschancen und Vertrauen schenkt, werde sie langfristig binden und ihr Potenzial entfalten können. Sein Appell an die Hoteldirektorinnen und -direktoren lautete, vom Manager zum Mentor zu werden – ein Perspektivwechsel, der nicht nur die Teamkultur stärkt, sondern auch die Zukunftsfähigkeit der gesamten Branche sichert.
Diese Haltung zog sich wie ein roter Faden durch die weiteren Programmpunkte der Tagung. Denn auch in einigen Fachvorträgen stand der Mensch im Mittelpunkt – als wichtigster Faktor für Erfolg, Zufriedenheit und Zukunftsfähigkeit in der Hotellerie.
Mitarbeiterbindung, Sinn und Kultur: Impulse aus den Fachvorträgen
Was passiert, wenn nicht mehr der Arbeitgeber, sondern die Mitarbeitenden selbst die Ansprüche formulieren? Diese Frage stand im Zentrum des Vortrags „Faktor Community für Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit im Hotel“ von Professorin Vanessa Borkmann vom Fraunhofer IAO in Stuttgart und General Manager Michael Artner vom Öschberghof in Donaueschingen. Die Tourismusforscherin gab Einblicke in aktuelle Studien zur Arbeitssituation in der Hotellerie – mit einer klaren Erkenntnis: Berufliche Lebensläufe verlaufen heute selten gradlinig. Sie sind geprägt von Brüchen, Neuorientierungen und individuellen Lebensphasen – etwa durch Elternzeit, Trennung oder Pflege von Angehörigen. Viele Beschäftigte wollen sich zudem nicht mehr auf eine einzige berufliche Rolle festlegen, Stichwort „Polyworking“. Das bedeutet, sie suchen Vielfalt, Impulse und die Flexibilität, mehreren Tätigkeiten nachzugehen.
Damit steige auch der Anspruch an Arbeitgeber: Hyperpersonalisierung werde zur zentralen Herausforderung. „Menschen wollen heute individuell abgeholt werden“, betonte Borkmann. Lineare Modelle der Personalführung verlieren an Relevanz, non-lineare Lebensentwürfe erfordern dagegen flexible Lernsysteme und individuell zugeschnittene Entwicklungsmodelle. Aus Sicht der Wissenschaftlerin liegt der Schlüssel in Communities – Hotels, die sich als Ökosysteme verstehen, aktiv Austausch fördern und authentische Kontaktpunkte schaffen. Klassische Stellenanzeigen reichen längst nicht mehr. Erfolgreiche Beispiele reichen von Peer-to-Peer-Recruiting bei Tagen der offenen Tür über Team-Events und Social-Media-Präsenz bis hin zu kreativen Ansätzen – laut Borkmann hat ein Hotel sogar über eBay-Kleinanzeigen oder Tinder neue Mitarbeitende gefunden.
Michael Artner zeigte, wie diese Ideen in der Praxis Gestalt annehmen können: Im Öschberghof setzt er auf konsequente Nachwuchsförderung und eine frühzeitige Bindung der Talente – am liebsten mit Arbeitsvertrag noch während der Ausbildung. „Ich glaube fest an unsere eigene Kaderschmiede“, so der Hotelchef. Junge Menschen dürften Verantwortung übernehmen und sollten auch einmal „ins kalte Wasser springen“. Fast 95 Prozent der Auszubildenden bleiben dem Haus treu – ein Erfolg, der auf persönlicher Nähe und Dialog basiert. Artner nimmt sich bewusst Zeit für Gespräche: „Wenn’s nur auf dem Papier steht, bringt es nichts. Wir müssen leben, was wir sagen.“ HDV-Chef Jürgen Gangl fasste es anschließend treffend zusammen: „Der Hoteldirektor der Zukunft ist ein Kümmerer – er kommuniziert, schafft Verbindung und Vertrauen.“
Vom Kümmerer zur Vertrauenskultur
„Herz gewinnt – wer nur nach Händen jagt, verliert Menschen“ – unter diesem Leitsatz beleuchteten Stephanie Christ von Gastro Concierge und Marie Therese Heep von Future-Coching in ihrem Impulsvortrag, wie sich Führung und Recruiting im Wertewandel der jungen Generation verändern. Die Generation Z, so die Referentinnen, lebe heute in der sogenannten BANI-Welt – geprägt von Brittleness (Brüchigkeit), Anxiety (Ängstlichkeit), Nonlinearity (Nicht-Linearität) und Incomprehensibility (Unbegreiflichkeit). Das bedeutet: In Zeiten mentaler Belastung und Informationsüberflutung zweifeln sie vieles an – denn was heute gilt, kann morgen schon überholt sein. Damit entstehe zugleich ein neues Bedürfnis nach Orientierung und Echtheit. „Menschen vertrauen Menschen – nicht Hochglanzbildern“, betonte Christ. Hotels müssten dies stärker berücksichtigen, wenn sie auf Plattformen wie TikTok, Instagram oder LinkedIn neue Talente ansprechen. Mit authentischem Storytelling und klaren Ansprechpartner – ob auf Karrieremessen oder der eigenen Website – ließe sich dabei Vertrauen schaffen.
Marie Therese Hepp ergänzte, dass zeitgemäße Führung nicht mehr auf Druck und Kontrolle, sondern auf Verbindung beruhe. „Wenn Mitarbeitende gehen, dann weil sie zu wenig gesehen werden“, so Heep. Nachhaltige Bindung entstehe nicht durch Benefits oder Boni, sondern durch Wertschätzung und Beziehung. Dafür nannte sie konkrete Beispiele: eine regelmäßige „Herz-Zeit“, bei der sich Führungskräfte und Mitarbeitende in ungezwungenem Rahmen austauschen können. Oder eine wöchentliche Dankeskarte, in der der Chef glaubhaft festhält, warum er die Arbeit seines Mitarbeiters schätzt – kleine Gesten mit großer Wirkung im Arbeitsalltag.
Wie gelebte Wertschätzung aussieht, diskutierten Heep und Christ anschließend in einer Podiumsrunde mit Christoph Hoenig, Geschäftsführer des Neumühle Resort & Spa in Unterfranken, Lisa Thumm, Cluster HR Manager der Mövenpick Hotels Stuttgart, und Xuan Duong Ho von der vietnamesischen Sprachschule CMMB. Hoenig betonte, wie viel „Pflege“ Mitarbeiterbindung heute brauche – eine Aufgabe, die oft unterschätzt werde. „Auch Führungskräfte dürfen Schwäche zeigen und Mensch sein. Nur so funktioniert ein Team als Gemeinschaft“, sagte er.
Lisa Thumm schilderte aus der Praxis, wie offen geführte Gespräche Missverständnisse auflösen können: In ihrem Team zeigte sich beispielsweise, dass die Feiertagsdienste zu Weihnachten und Silvester viel weniger emotional besetzt waren, als gedacht – und sich vermeintliche Engpässe dadurch unkompliziert und schnell klären ließen. Ein Beispiel, das zeigt: Wer zuhört und auf Augenhöhe führt, gewinnt Vertrauen – und bindet Menschen langfristig ans Unternehmen.
Praxis pur: Breakout-Sessions mit Zukunftsthemen
Praxisorientiert ging es auch in vier parallelen Breakout-Sessions am Tagungsnachmittag weiter. Unter dem Titel „Verliebt, verlobt und… doch verloren?“ zeigten Bernhard Patter und Steffen Schock vom Coaching-Anbieter Diavendo, wie gezieltes Onboarding die Mitarbeiterbindung stärkt – mit Fokus auf Potenzial statt Perfektion. HDV-Vorstand Andreas Neininger wiederum moderierte den Workshop „HDV der Zukunft“, in dem Mitglieder Ideen zur Ausrichtung und Modernisierung der Vereinigung sammelten.
Im Breakout „KI/Robotik“ gaben Vanessa Borkmann und Ronja Geißendörfer vom Fraunhofer IAO Einblick in neueste Entwicklungen rund um Avatare und Automatisierung im Hotelbetrieb. Die Teilnehmenden entwickelten praxisnahe Anwendungsszenarien, die nun wissenschaftlich weiterverfolgt werden. Abgerundet wurde der Nachmittag durch den Workshop „Effizienz in der Küche“ mit Klaus Czernitzki von Gastro Total und Küchenexperte André Klode-Purat, die appellierten, dass Küchen nicht nur Kostenstellen, sondern Profit-Center sein sollten – mit messbarem Beitrag zum wirtschaftlichen Gesamterfolg.
Ausklang mit Preisverleihung und Ausblick
Emotionaler Höhepunkt der HDV-Herbsttagung war nicht zuletzt die Verleihung des Awards „Exzellenter Ausbildungsbetrieb 2025“. In diesem Jahr überzeugten gleich zwei Häuser mit einem herausragenden Audit-Ergebnis von 100 Prozent: das Lind Hotel in Rietberg an der Ems, vertreten durch Direktor Denis Jacob, sowie das Le Méridien Stuttgart unter der Leitung von General Manager Wolfgang Selinger. Beide Teams durften sich nicht nur über die Preis-Trophäe freuen, sondern auch über einen Trainingstag mit den Coaches von Diavendo als zusätzliche Anerkennung. Die Zertifizierung ist eine gemeinsame Initiative der HDV und der Dekra Assurance – und wurde bereits zum neunten Mal vergeben.
Ihren Ausklang fand die Herbsttagung bei einem stimmungsvollen Netzwerkabend im Mövenpick Stuttgart Airport. Neben anregenden Gesprächen und neuen Kontakten stand für viele Teilnehmende auch der Blick nach vorn im Mittelpunkt: Im Frühjahr 2026 steht die nächste HDV-Tagung in München an – verbunden mit der turnusmäßigen Vorstandswahl. HDV-Chef Jürgen Gangl kündigte bereits an, sich nicht erneut zur Wahl zu stellen. Mit seinem Rückzug bahnt sich eine weitere Verjüngung des HDV-Vorstands an, der derzeit aus Andreas Neininger, Wolfgang Selinger, Anna Mielitz, Silke Spieske und Michael Artner als kooptiertes Vorstandsmitglied besteht.
HDV
Die 1981 gegründete Hoteldirektorenvereinigung Deutschland (HDV) gilt als Führungsnetzwerk. Rund 150 Hoteldirektorinnen und Hoteldirektoren sowie 50 Partnerunternehmen aus allen Bereichen der Branche engagieren sich in der Vereinigung. Im Fokus stehen Networking, Erfahrungsaustausch und Weiterbildungsangebote für Führungskräfte. Ein besonderer Schwerpunkt gilt der Nachwuchsförderung in der Hotellerie.
