Marco Meier ist seit Mai 2024 Managing Director der SV Hotels. In einem Interview mit Hotel Inside-Chefredaktor Hans R. Amrein spricht Meier über die aktuelle Wachstumsstrategie der Schweizer Hotelgruppe. Das Interview ist im jüngsten Expert Paper «Booking the Future» erschienen. Das Magazin, das jeweils im Herbst erscheint, wird vom Beratungsunternehmen mrp hotels (Wien) herausgegeben. Hotel Inside ist Medienpartner.

Marco Meier, seit Ihrem Amtsantritt im Mai 2024 hat SV Hotel zehn neue Häuser eröffnet oder übernommen. Wie kam es zu diesem unerwartet schnellen Wachstum?
Selbst wir waren überrascht, allerdings im besten Sinn. Natürlich beeindruckt die Zahl an neuen Kapazitäten. Wichtiger ist jedoch, dass jeder Schritt strategisch sinnvoll war. Im Sommer 2024 eröffneten wir in Genf ein Stay KooooK und ein Residence Inn. Beide Konzepte gehören zum Extended-Stay-Segment, das in einer internationalen Stadt wie Genf besonders gefragt ist. Mit Stay KooooK sprechen wir Gäste an, die individuelle Aufenthalte und flexible Lösungen schätzen. Residence Inn dagegen richtet sich an die internationale, markenorientierte Business-Klientel. Mit dem Stay KooooK in Leipzig gelang uns zudem der erste Markteintritt unserer Eigenmarke in Deutschland.

Ein Wendepunkt war das Portfolio-Geschäft mit Vastint im Frühjahr 2025.
Ganz klar. Ein Paket wie dieses liegt nicht alle Tage auf dem Tisch. Vier Moxy und zwei Residence Inn in Dortmund, Essen, Dresden und am Flughafen Berlin ergänzen unser Portfolio geografisch ideal und passen perfekt in unseren Markenmix. Die Übernahme von sechs Hotels auf einen Schlag schafft zudem erhebliche Synergien im Deal Sourcing und in der Integration. Natürlich war die Eingliederung eines so großen Pakets in wenigen Wochen eine Herausforderung. Gleichzeitig war es ein Test, den unser eingespieltes Team mit Pragmatismus und Energie gemeistert hat.

Nach dem großen Deal kam die kleine, aber komplexe Nummer: ein Stay KooooK in München.
Klein bedeutet nicht unbedingt einfach, denn der Umbau eines Bürogebäudes in ein marktfähiges Extended-Stay-Konzept geht konzeptionell und wirtschaftlich nicht leicht von der Hand. Doch mit 32 Einheiten ist unser Münchener Stay KooooK wirklich klein und im Portfolio die Ausnahme. Generell zielen wir bei Stay KooooK eher auf 75 bis 125 Einheiten ab, gerne übrigens auch im Dual-Brand.

Parallel eröffnen Sie in Berlin gerade das „me and all Hotel East Side“, Ihr erstes Projekt mit Hyatt.
Das war tatsächlich eine Überraschung. Eigentlich arbeiten wir mit Hyatt an einem Hyatt Centric in Hamburg, das 2027 eröffnet wird. Damit haben wir gerechnet, wenn es um unser erstes gemeinsames Projekt geht. Dass wir nun schon deutlich früher ein Hotel aus dem Hyatt-Portfolio eröffnen können, war eine erfreuliche Gelegenheit. Das me and all ist ein junges Lifestyle-Konzept im Upper-Midscale-Segment. Es passt perfekt zu unserer Ausrichtung, weil wir uns seit Jahren in diesem Bereich stark positionieren. Zudem war das Hotel nahezu fertiggestellt, sodass wir unmittelbar starten konnten.

Warum setzen Sie so stark auf diese Lifestyle- und Extended-Stay-Konzepte?
Diese Hotels sprechen mit ihrem Erscheinungsbild und der Aufenthaltsqualität der öffentlichen Bereiche viele Gäste an. Daraus ergibt sich Umsatzpotenzial. Dazu kommt, dass sie operativ den Nerv der Zeit treffen. Der Fokus ist auf Logis, weniger auf aufwändiger Gastronomie und Veranstaltungen. Das fördert die Marge. Losgelöst davon überzeugt die Flächeneffizienz mitsamt der daraus resultierenden Miete bereits in der Entwicklungsphase.
Ist Projektentwicklung heute eine reine Frage des Geldes?
Nein. Natürlich müssen die Zahlen stimmen. Investoren achten jedoch heute viel stärker auf die Betreiberqualität. SV steht für 111 Jahre Hospitality, finanziert Wachstum ausschließlich mit Eigenkapital und bietet Stabilität und faire Mieten.

Das klingt nicht nach Topmiete.
Wir können nur den eigenen Ansatz beurteilen, und der ist solide gerechnet – sowohl in Bezug auf den Businessplan als auch auf die Mietabdeckung. Im Wettbewerb um neue Häuser ist das bisweilen schwierig. In diesem Zusammenhang vergleiche ich unseren Weg gerne mit dem Bergsteigen: Ich weiß genau, wann der Punkt erreicht ist, an dem man umkehren muss – so schade das in dem Moment auch sein mag. Wir wachsen belastbar und rentabel. Nur so können wir langfristig die Stärke der SV Group sichern und gleichzeitig die primär gemeinnützigen Ziele der übergeordneten SV Stiftung unterstützen.

Sie sprechen von Stabilität. Dennoch betreiben Sie nun nicht mehr ausschließlich Hotels mit Marriott.
Mit Marriott verbinden uns eine über 20-jährige Partnerschaft und 23 Hotels, darunter bald auch das Moxy Zürich. Dennoch gibt es Märkte und Lagen, in denen ein anderer Ansatz sinnvoller ist. Deshalb ergänzen wir unser Portfolio künftig auch mit Hyatt und mit unserer Eigenmarke Stay KooooK. Wir wollen durchschnittlich vier Hotels pro Jahr eröffnen. Das ist etwas schneller als bisher.
Ihre Expansionspipeline ist auffallend diversifiziert.
Genau. Wir realisieren Einzelhotels ebenso wie Portfoliotransaktionen. Wir wandeln Bürogebäude in Hotels um, übernehmen Projekte kurz vor Eröffnung oder entwickeln Neubauten. Das reicht vom Single-Use über Mixed-Use bis hin zu Dual-Brand-Konzepten. Diese Vielfalt fordert unser Design & Construction Team, bietet aber enorme Chancen.

Welche Rolle spielt Ihre Eigenmarke Stay KooooK?
Unsere Expansion setzt auf Markenhotels und unsere Eigenmarke. Mit fünf laufenden Häusern und vier weiteren im Bau bzw. in Planung ist Stay KooooK zusehends sichtbar, wenngleich realistischerweise als Marke noch nicht etabliert. Daran arbeiten wir. Natürlich beschäftigt uns außerdem weiterhin das Finetuning, doch das Konzept gefällt nicht nur Gästen, sondern auch der Immobilienbranche. Das Konzept ist flexibel bei Flächenanforderungen, hochwertig in der Ausstattung und digital bestens aufgestellt.

Bisher sind Sie in der Schweiz und in Deutschland aktiv. Wie sieht es mit Österreich oder weiteren europäischen Märkten aus?
Österreich steht ganz oben auf unserer Liste. Auch in Deutschland und der Schweiz gibt es noch viele attraktive Städte. Mittelfristig ist ein Schritt über die DACH-Region hinaus denkbar. Aktuell finden wir hier jedoch genügend Potenzial.
Und die Ferienhotellerie?
Das ist nicht unser Spielfeld. Unsere Konzepte sind für urbane Lagen gedacht, die Geschäfts- und Freizeitreisende zugleich ansprechen. Dieser Mix reduziert Risiken und sichert ganzjährig stabile Auslastungen.

Stabile Auslastung setzt auch stabiles Personal voraus. Wie gehen Sie mit dem Fachkräftemangel um?
Wir investieren stark in unsere Arbeitgeberqualität. Zudem sind unsere Konzepte vergleichsweise personalarm. Wichtiger als der Arbeitsmarkt ist für uns derzeit das Kostenmanagement. Zwar konnten wir die jüngsten Kostensteigerungen durch Umsatzwachstum abfedern. Darauf dürfen wir uns jedoch nicht verlassen. Hier wollen wir noch proaktiver und smarter werden.

Was sind die wichtigsten Faktoren bei neuen Vertragsabschlüssen? Haben sich die Erwartungshaltungen von Eigentümern verändert?
Die wirtschaftlichen Eckdaten stehen nach wie vor im Vordergrund. Eigentümer wünschen sich jedoch ein stabiles Mietverhältnis und wägen unserer Beobachtung nach genauer als früher ab, welches Gesamtpaket aus quantitativen und qualitativen Faktoren denn ein solches am besten abbildet. Zu den wichtigen qualitativen Faktoren gehören nebst der Langfristigkeit, mit der ein Betreiber denken soll und der damit verbundenen Stabilität auch das Konzept selbst. Unsere Häuser sollen nicht nur wirtschaftlich sinnvoll funktionieren, sondern auch konzeptionell und optisch den Nerv der Zeit treffen.
Nach welchen Kriterien sucht die SV Group ihre Objekte aus, die sie betreibt? Wovon wäre man schnell überzeugt?
Auf Lage und Marktpotenzial fällt der erste Blick; die Passgenauigkeit der Immobilie oder des Projektes für unsere Marken und Konzepte ist natürlich auch relevant. Zudem haben wir klare Vorgaben hinsichtlich der Rentabilität. Die Realisierungswahrscheinlichkeit spielt im jetzigen Marktumfeld eine ebenso große Rolle. Schnell überzeugt wären wir von einem Hotel an einem sehr guten Standort, das das vorhandene Angebot schlüssig ergänzt und das sich für uns und den Eigentümer solide rechnet. In Deutschland fehlt uns zum Beispiel die Präsenz in Köln, in Österreich wäre Wien ein interessanter Einstieg und im Heimatmarkt Schweiz stehen Zürich, Luzern und Genf weit oben auf der Wunschliste.

ESG, Digitalisierung, HR – welches dieser Themen ist derzeit am relevantesten?
Eine Reihung fällt schwer, denn alle drei Themen stehen auf der Agenda und werden auch in unterschiedlichen Projekten bearbeitet.
Wäre ein Owner-Operator-Modell für die SV Group grundsätzlich denkbar?
Wir setzen auf klassische Mietverträge, wenngleich wir ein Hotel auch im Eigentum halten. Dies einerseits, weil wir unsere Kernkompetenz im Betrieb der Hotels sehen, andererseits ist es auch eine Frage der erhöhten Wachstumsgeschwindigkeit, die uns Mietverträge mit den gegebenen Ressourcen ermöglicht.
Wie hat sich der Finanzierungsmarkt für Betreibergesellschaften zuletzt verändert?
Als ausschließlich eigenfinanziertes Unternehmen tangiert uns dieses Thema nicht.
Marco Meier, herzlichen Dank für das Gespräch!

Die Hotelbranche erlebt laut dem neuen Expert Paper „Booking the Future“ von mrp hotels einen strukturellen Wandel, der weit über die Erholung nach der Pandemie hinausgeht. Während sich die Märkte in der DACH-Region stabilisieren, stehen Investoren und Betreiber vor neuen Anforderungen: Professionalisierung, Effizienz und Partnerschaft werden zu entscheidenden Erfolgsfaktoren. Das von 16 Branchenexperten erstellte Paper beleuchtet zentrale Themen wie Finanzierung, Digitalisierung, ESG und Personal – und liefert konkrete Kennzahlen zur Entwicklung des Sektors.
Die Transaktionsaktivität nimmt wieder zu, erreicht aber noch nicht das Niveau von 2019. Dennoch bleibt die Hotelimmobilie eine gefragte Anlageklasse, getrieben von einem jährlichen globalen Tourismuswachstum von rund 3,5%, also stärker als das weltweite BIP. Investoren fokussieren sich zunehmend auf Serviced Apartments, Lifestyle-Hotels und Mixed-Use-Assets, während institutionelle Kapitalgeber sich zurückziehen. Neue Akteure wie Family Offices und Asset-Manager übernehmen eine aktivere Rolle.
Im Finanzierungsumfeld haben sich die Zinsen bei etwa 2,15% eingependelt (Deutschland, Österreich), was eine Rückkehr zu den Nullzinsjahren unwahrscheinlich macht. Gleichzeitig wird die Expertise der Kreditnehmer wichtiger. Marken bieten Stabilität, da sie Vertrauen schaffen und so den Zugang zu Kapital erleichtern. Betreiber stehen zwischen Rekordergebnissen und Margendruck: steigende Kosten, sinkende Business-Nachfrage und schwächerer Konsum erhöhen den Druck auf Rentabilität.
Neubauten treten in den Hintergrund – stattdessen gewinnen Conversion- und Refurbishment-Projekte an Bedeutung. Sie gelten als nachhaltiger und wirtschaftlich sinnvoller, besonders in Zeiten hoher Baukosten und ESG-Anforderungen. Der Mietabdeckungsfaktor (LCR) bleibt die entscheidende Kennzahl, die selten unter 1,5 liegt. Zudem prägen drei zentrale Transformationsfelder die Zukunft der Branche: Digitalisierung, HR und Nachhaltigkeit. KI-gestützte Systeme, datengetriebene Preisgestaltung und agile Organisationsformen gelten als Schlüsselfaktoren für Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit.
Laut Martin Schaffer, Managing Partner von mrp hotels, liegt die Zukunft der Hospitality in „agilen Strategien und zukunftsweisenden Partnerschaften“. Wer Daten-Intelligenz, Nachhaltigkeit und Menschlichkeit vereint, könne Wachstumspotenziale optimal nutzen und langfristig erfolgreich bleiben.
Hotel Inside ist Medienpartner der mrp-Publikation «Booking the Future».
Das mrp hotels Expert Paper Hotels 2025 „Booking the Future“ hier bestellen.
Booking the Future – Expert Paper Hotels 2025 (PDF)


