Mit einem offenen Video-Appell für mehr Respekt und Wertschätzung im täglichen Miteinander hat die Inhaberin der Steinburg einen Nerv getroffen. Mit Tophotel spricht sie über den Mut, sich öffentlich zu positionieren.
Mehr Respekt und Wertschätzung im täglichen Miteinander – das forderte Kerstin Bezold, Inhaberin der Steinburg in Würzburg, in einem Video-Appell. Innerhalb weniger Tage wurde der Post zehntausendfach geteilt und löste eine Welle der Zustimmung weit über die Region hinaus aus. Mit Tophotel spricht sie über die außergewöhnliche Resonanz und den Mut, sich öffentlich zu positionieren. Sie erzählt, wie sie ihr Team stärkt, wenn der Ton an der Rezeption rauer wird, und was die Branche tun kann, um den Wert gelebter Gastfreundschaft sichtbar zu machen.
Tophotel: Frau Bezold, Ihr Video hat viele Menschen bewegt. Was war der konkrete Auslöser, sich öffentlich zu äußern?

Kerstin Bezold: Der Auslöser war eine Phase im Juli, in der wir rund zwei Wochen lang täglich Respektlosigkeiten erlebt haben – in einer Intensität, wie wir sie so geballt noch nie hatten. Egal, ob jemand eine schlechte Anreise hatte, im Stau stand, zu Hause einen Wasserschaden hatte, oder einen Bandscheibenvorfall – wir waren scheinbar für alles verantwortlich. Und die Rezeption war der erste Prellbock. Dazu kamen verwüstete Hotelzimmer, Gäste, die shttps://www.tophotel.de/abo-shop/ich an Buffets bedienten, die sie gar nicht gebucht hatten, sturzbetrunkene Besucher, die nachts im Backoffice Chaos anrichteten, oder solche, die ausfallend wurden, weil sie keinen Platz mehr auf der Terrasse bekamen.
Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, war dann ein Vorfall mit einem Gast, der zwei unserer Auszubildenden an der Rezeption so heftig angeschrien hat, dass sie uns um Hilfe gerufen haben. Beide sind im dritten Lehrjahr, erfahren und eigentlich sehr souverän im Umgang mit schwierigen Situationen. Doch in diesem Moment waren sie einfach am Ende. Da habe ich mir gesagt: Jetzt ist es genug. Ich möchte, dass Menschen wieder darüber nachdenken, was passiert, wenn sie jemanden anschreien. Vielen ist gar nicht bewusst, wann sie anfangen, im Ton zu entgleisen. Für mich ist Respektlosigkeit ein absolutes No-Go.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie den Post abgesetzt haben?
Ich hatte tatsächlich Bedenken, bevor wir den Post veröffentlicht haben. Aber es musste einfach raus. Das Thema Respekt begleitet mich täglich, ich kämpfe ständig dafür – das ist nichts Neues. Doch in diesem Moment war das Maß einfach voll. Natürlich haben wir uns die Frage gestellt: Was ist, wenn jetzt ein Shitstorm kommt? Aber im Führungsteam, das aus meinem Mann, unserer Hotelmanagerin Sabrina Czernoch und mir besteht, waren wir uns einig: Wir stehen dahinter und gehen damit raus. Und falls Kritik kommen sollte, würden wir ihr souverän begegnen können. Dass es richtig war, hat mir die enorme Resonanz gezeigt. Die vielen positiven Rückmeldungen haben bestätigt, dass das Thema viele Menschen bewegt.
„Für mich ist Respektlosigkeit ein absolutes No-Go.“
Wie sah die Resonanz im Detail aus?
Kaum waren wir online, hatte das Video innerhalb kürzester Zeit über tausend Aufrufe. Inzwischen sind es über 133.000 Aufrufe, rund 6.000 Likes und fast 1.000 Kommentare (Stand: 12. Oktober 2025). Besonders gefreut hat mich, dass die Rückmeldungen nicht nur aus der Branche kamen – Kolleginnen und Kollegen aus Würzburg haben sich zu Wort gemeldet, aber auch viele Menschen weit über die Hotellerie hinaus. Die Main-Post und die TZ haben berichtet, Focus.de, Merkur.de und InFranken.de haben das Thema ebenfalls aufgegriffen.
Die Reaktion war schlicht überwältigend: zahllose E-Mails, persönliche Gespräche und viele Begegnungen, bei denen uns Menschen direkt angesprochen haben. Sogar im Urlaub auf einem Campingplatz in Kroatien wurden wir plötzlich von völlig Fremden erkannt und mit Namen angesprochen. Das war ungewohnt, aber auch sehr bewegend. Besonders freut mich, dass mein Anliegen überall richtig verstanden wurde – nicht als Klage, sondern als Appell für mehr Respekt, Wertschätzung und Menschlichkeit.
Haben Sie mit so einer großen Resonanz gerechnet?
Dass es Reaktionen geben würde, damit haben wir gerechnet – aber nicht in diesem Ausmaß. Was mich besonders berührt hat, war die Dankbarkeit vieler Menschen, die gar nichts mit der Hotellerie zu tun haben. Sie arbeiten in sozialen Berufen, in der Pflege, im Einzelhandel oder in der Gastronomie – also überall dort, wo täglich mit Menschen gearbeitet wird – und erleben dieselben Formen von Gedankenlosigkeit, Ungeduld oder sogar Aggression. Viele haben geschrieben: Endlich spricht es mal jemand aus.
Auch hier in Würzburg kam viel positive Rückmeldung – vom Modegeschäft bis zur Bäckerei. Viele haben gesagt: „Danke, dass du das Thema Respekt öffentlich angesprochen hast – und dass du dich das getraut hast.“ Viele hätten das selbst nicht gewagt, aus Sorge vor einem Shitstorm oder der Angst, Kundschaft zu verlieren. Sogar unsere Mitarbeitenden haben erzählt, dass Gäste sie auf das Video angesprochen haben – durchweg positiv. Es gab tatsächlich Menschen, die extra wegen des Videos zu uns gekommen sind. Sie wollten einfach mal sehen, wer da so mutig war, den Finger in die Wunde zu legen und gleichzeitig so viel Haltung zu zeigen.
Über Kerstin Bezold
Kerstin Bezold (55) führt gemeinsam mit ihrem Mann Lothar Bezold das Schlosshotel Steinburg über den Weinbergen von Würzburg – ein traditionsreiches Familienunternehmen in dritter Generation. Die gebürtige Oberfränkin arbeitete ursprünglich in der Kosmetikbranche, seit ihrer Heirat mit Lothar Bezold im Jahr 2007 ist sie jedoch maßgeblich in die Weiterentwicklung des Hauses eingebunden – von der Gästebetreuung bis hin zu Konzept- und Dekorationsideen, die Veranstaltungen und Feste auf der Steinburg prägen. Als Gastgeberin mit Herz steht sie für Wertschätzung, Haltung und Teamgeist. Mitarbeitende schätzen sie als authentische, nahbare Chefin mit offenem Ohr und klaren Worten. Ihre Philosophie: „Respekt ist keine Einbahnstraße.“
Was hat Sie am meisten überrascht?
Am meisten überrascht hat mich, wie wenig negative Reaktionen es tatsächlich gab. Natürlich rechnet man immer mit ein paar kritischen Stimmen – irgendjemand fühlt sich ja fast immer auf die Füße getreten. Aber das Gegenteil war der Fall: Die Resonanz war fast ausschließlich positiv. Spannend fand ich auch, wie breit das Echo war. In den Kommentaren haben sich Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen gemeldet – aus dem Einzelhandel, aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, aus Schulen, von der Polizei und natürlich auch aus der Hotellerie.
Sie sprechen von der Rezeption als „Prellbock“ – ist das Problem dort am stärksten oder spüren Sie es auch in anderen Bereichen?
Die Rezeption ist der erste und der letzte Kontaktpunkt im Hotel. Wenn ein Gast eine stressige Anreise hinter sich hat, entlädt sich das oft dort. Und auch beim Check-out ist die Rezeption die Stelle, an der Frust oder Ärger abgeladen werden – egal, worum es eigentlich geht. Deshalb sind Rezeption und Service am stärksten betroffen. Sie stehen im direkten Kontakt mit den Gästen, müssen viel auffangen und trotzdem freundlich bleiben. Der Verkauf spürt es manchmal ebenfalls, allerdings meist im Nachgang – dann läuft es über E-Mails oder Telefonate, also mit etwas mehr Abstand.
Wie hat Ihr Team das Posting aufgenommen?
Unsere Mitarbeitenden haben es richtig gefeiert, dass ich mich vor die Kamera gestellt habe. Ich glaube, sie wissen, dass wir jederzeit hinter ihnen stehen – und wenn es nötig ist, auch ganz bewusst vor sie treten. Das Video hat dieses Gefühl noch einmal bestärkt: Wir sind füreinander da, egal was passiert. Unsere Mitarbeitenden wissen, dass sie mit allem zu uns kommen können – egal, ob es um Kritik, Sorgen oder persönliche Themen geht. Gerade jüngere Kolleginnen und Kollegen, die erst seit Kurzem bei uns sind, haben uns durch das Video vielleicht noch einmal auf eine neue, menschlichere Weise wahrgenommen. Die, die schon lange an der Steinburg sind – viele seit über zehn Jahren –, kennen uns ohnehin gut. Sie wissen ganz genau, wo sie mit uns stehen: auf sicherem Boden, Seite an Seite.
Was bedeutet für Sie persönlich Wertschätzung im Hotelkontext?
Wertschätzung beginnt für mich mit Wahrnehmung. Menschen sind keine Roboter – egal, ob Gast, Kollegin oder Auszubildender. Es bedeutet, jemanden nicht vorschnell zu bewerten, weder nach Äußerem noch nach Rolle, sondern ihn als Menschen in seiner Situation zu sehen.
Dazu gehört auch, zu erkennen, welche Möglichkeiten mein Gegenüber überhaupt hat, mir zu helfen. Es bringt nichts, den jüngsten Azubi anzumaulen, weil man selbst unzufrieden ist. Wertschätzung heißt, bewusst hinzuschauen, zuzuhören und in Kontakt zu gehen – vielleicht einfach einmal jemandem wirklich in die Augen zu schauen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels – und das betrifft nicht nur die Hotellerie – ist es wichtiger denn je, sich gegenseitig mit Respekt und Menschlichkeit zu begegnen.
„Wertschätzung beginnt für mich mit Wahrnehmung.“
Wie gehen Sie als Führungskraft damit um, wenn Tränen fließen?
Ich glaube, vieles bekommen wir gar nicht mit, weil viele Themen direkt in den Teams oder mit den Abteilungsleitungen geklärt werden. Erst wenn es größere oder grundsätzliche Probleme gibt, werden wir ins Boot geholt. Unsere Hotelmanagerin Sabrina Czernoch ist ausgebildete Kommunikationstrainerin – das ist ein großer Gewinn für uns alle. Darüber hinaus haben wir mit unserer hauseigenen Steinburg-Akademie ein starkes Instrument geschaffen, um solche Situationen professionell abzufangen und ihnen vorzubeugen.
Wir schulen regelmäßig – von Kommunikationstrainings („Wie spreche ich richtig? Wie streite ich richtig?“) über Stressbewältigung bis hin zu Reklamations-Handling. Es gibt einen klaren Schulungsplan mit aufeinander aufbauenden Modulen für alle Mitarbeitenden. Für unsere Auszubildenden sind einige Einheiten sogar verpflichtend. Die Hauptzeit für Fortbildungen liegt zwischen November und März – wenn im Hotel etwas mehr Ruhe einkehrt und Raum für Weiterbildung bleibt.
Haben Sie einen konkreten Tipp für die Situation, wenn ein Gast einen Mitarbeiter anschreit?
Ja, tatsächlich habe ich einmal einen sehr wirkungsvollen Tipp von einem externen Trainer bekommen: Wenn ein Gast laut wird oder einen Mitarbeiter anschreit, sollte man selbst ruhig bleiben – und langsam näher an die Person herantreten. So nah, dass man ihre Augenfarbe erkennen kann. In dem Moment betritt man den sogenannten Schutzbereich des anderen. Und wer dabei ruhig bleibt – auch wenn einem selbst vielleicht die Tränen in den Augen stehen –, zwingt sein Gegenüber, einen wahrzunehmen und zuzuhören. Diese Nähe verändert die Dynamik völlig.
Für den Umgang mit schwierigen Momenten im Alltag empfiehlt unsere Hotelmanagerin Sabrina Czernoch das Buch „50 Sätze, die dein Leben leichter machen“ von Karin Kuschik. Ein Satz daraus hat mich besonders beeindruckt: „Es tut mir leid, wenn ich den Eindruck vermittelt haben sollte, dass Sie so mit mir sprechen dürfen.“ Er ist ruhig, klar – und gleichzeitig unglaublich kraftvoll. So etwas möchte ich auch unseren Mitarbeitenden mitgeben: Haltung wahren, ohne laut zu werden.
Angesichts dieser Respekt- und Wertschätzungsproblematik – wie gelingt es, die Mitarbeitenden begeistert für die Branche zu halten?
Wir brennen alle für diese Branche – aber das Feuer am Brennen zu halten ist tatsächlich eine Herausforderung. Nicht nur wegen der Personalsituation. Wir sind ein großes Haus mit rund hundert Mitarbeitenden, darunter aktuell 23 Auszubildende. Auf unseren Nachwuchs sind wir besonders stolz, denn unsere Azubis bringen viel Energie und Freude mit. Natürlich kennen sie ihre Rechte und Grenzen – und das ist auch gut so. Entscheidend ist, sie ernst zu nehmen und ihnen Verantwortung zu übertragen. Darum haben wir in den vergangenen Jahren einiges umstrukturiert: Es gibt eigene Ausbilder in der Küche und im Restaurant, und unsere Steinburg-Akademie bietet ein breites Schulungsprogramm. Ein Highlight sind unsere „Young (K)Night“-Abende – einmal im Monat übernehmen die Auszubildenden das Restaurant komplett selbst. Das steigert ihr Selbstvertrauen und ihr Verständnis dafür, was es heißt, Verantwortung zu tragen.
Wichtig ist, unsere Mitarbeitenden zu stärken und zu schützen, damit sie die Freude am Beruf nicht verlieren. Das gelingt nur durch echtes Vorleben, positive Führung und einen klaren Wertekompass. Wir haben sechs Unternehmenswerte, die wir 2019 gemeinsam mit den Abteilungsleitern im Führungskreis definiert haben: Respekt, Verantwortung, Qualität, Familie, Ehrlichkeit und Leidenschaft. Darauf können sich alle hier berufen.
Verändert das auch die Ausbildung?
Definitiv. Über unsere Steinburg-Akademie fördern wir die Azubis gezielt in Themen, die über das Handwerk hinausgehen. So haben wir zum Beispiel einen Selbstverteidigungskurs ins Programm aufgenommen, damit sie lernen, Grenzen zu setzen. Künftig möchten wir auch Workshops zu Achtsamkeit in digitalen Zeiten anbieten – etwa, wie man bewusst mit dem eigenen Medienkonsum umgeht. Gerade junge Menschen brauchen da oft noch etwas Orientierung und Unterstützung.
Ein zentraler Wert bei uns ist wie gesagt Familie – und den leben wir auch. Wir schauen nicht nur auf die Leistung, sondern auch auf den Menschen dahinter. Viele bringen private Themen mit, besonders junge Auszubildende. Da sehe ich mich durchaus in einer „Mama-Rolle“ – mit offenem Ohr und offener Tür. Wir helfen, wo wir können: bei Arztterminen, psychologischer Unterstützung oder familiären Sorgen. Ich glaube, genau das macht unser Haus aus – dieses wirkliche Füreinander-Dasein.
„Wir müssen wieder mehr Selbstvertrauen entwickeln – als Branche und als Menschen.“
Wie kann Respekt ganz praktisch im Umgang zwischen Gast und Mitarbeitenden aussehen?
Indem man uns direkt anspricht, wenn etwas nicht passt. Das ist für mich das Wichtigste – der Ton und der direkte Austausch. Ich wünsche mir, dass Gäste offen sagen, wenn etwas nicht stimmt, anstatt nach der Abreise böse E-Mails oder negative Kommentare zu schreiben. In dem Moment nehmen sie uns die Möglichkeit, etwas zu verändern.
Sie sagen, es betrifft nicht nur die Hotellerie – viele Branchen kämpfen derzeit mit einem ähnlichen Problem.
Genau. Ob Kindergärten, Schulen, Pflege – überall herrscht Notstand. Und es sind immer die gleichen Mechanismen: Wir flicken Löcher, statt die Ursachen anzugehen. Während der Coronazeit wurde für Beschäftigte im Gesundheitswesen applaudiert, aber nachhaltig verändert hat sich kaum etwas. Das Klatschen war gut gemeint – echte Wertschätzung sieht aber anders aus. Diese Entwicklung spüren auch wir in der Hotellerie. Wenn wir nicht aufpassen, gehen uns die Menschen aus, die noch Lust haben, in einem dienstleistungsorientierten Beruf zu arbeiten. Viele reden sich die Situation schön, doch vor allem im ländlichen Raum erleben wir einen spürbaren Versorgungsengpass an Fachkräften. Ich glaube, wir kommen nur weiter, wenn wir das Thema ganz offen ansprechen – und das Bewusstsein verändern. Es braucht echte Gespräche, keine kurzfristigen Prämien oder Notlösungen. Wertschätzung beginnt mit Haltung, nicht mit Geld.
Unsere Zimmermädchen sagen oft: „Ich bin ja nur ein Zimmermädchen.“ Dabei sage ich immer: „Nein – du bist tragend für das Ganze, ohne dich läuft hier gar nichts.“ Dieses Selbstverständnis fehlt leider in vielen Berufen – vom Einzelhandel bis zur Pflege. Und genau da wünsche ich mir ein gesellschaftliches Umdenken: dass wir alle Menschen sehen, die jeden Tag für andere da sind.
Wie vermitteln Sie Ihren 100 Mitarbeitenden, dass Gastfreundschaft und Leidenschaft trotz schwieriger Gäste im Mittelpunkt bleiben?
Das ist tatsächlich ein wichtiges Schulungsthema – und eine tägliche Führungsaufgabe. Gastfreundschaft bedeutet nicht, sich alles gefallen zu lassen. Wir bringen unseren Mitarbeitenden bei, freundlich, aber klar zu bleiben – und im richtigen Moment Grenzen zu setzen. Manchmal reicht schon ein Satz wie: ‚Vielleicht ist unser Haus gerade nicht das Richtige für Sie.‘ In dem Moment werden viele Gäste plötzlich ruhiger, weil sie merken, dass ihr Verhalten eine Grenze überschritten hat. Und wenn das Gespräch danach wieder auf Augenhöhe stattfindet – wunderbar.
Wenn nicht, ist es auch in Ordnung, respektvoll auf Distanz zu gehen. Genau das werden wir in unsere Trainings mit aufnehmen und immer wieder üben. Viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Dienstleistungsbereich haben gelernt, dass der Gast immer recht hat und man jeden Wunsch erfüllen muss. Bei uns gilt: Wertschätzung ja – Unterwürfigkeit nein. Unsere Mitarbeitenden dürfen und sollen Grenzen setzen, wenn der Ton kippt. Dazu gehört Mut, aber auch Rückhalt. Und den geben wir ihnen – jeden Tag.
Welche Rolle spielt Ihr eigenes Führungsverständnis dabei?
Eine ganz zentrale. Ich sehe es heute als eine der wichtigsten Führungsaufgaben, das Team zu schützen – sich wirklich vor die Mitarbeitenden zu stellen. In der Hotellerie gibt es viele, die sagen: ‚Ich habe keinen Bock mehr, mich anschreien oder respektlos behandeln zu lassen.‘ Und das kann ich absolut nachvollziehen. Genau deshalb ermutigen wir unsere Leute, Haltung zu zeigen und klar zu sagen: ‚So nicht – ich muss mir das nicht gefallen lassen.‘ Sie wissen, dass sie dafür unsere volle Unterstützung haben.
Was gar nicht geht, ist, sich als Führungskraft sofort auf die Seite des Gastes zu stellen, ohne den eigenen Mitarbeitenden überhaupt angehört zu haben. Wenn jemand erlebt, dass sein Chef ihn wegen eines aufgebrachten Gastes sofort rüffelt, verliert er jedes Vertrauen. Dann wird er beim nächsten Mal lieber schweigen – und das darf nicht passieren.
Das hat auch die Resonanz auf unseren Post gezeigt: Viele haben geschrieben, ‚so eine Chefin hätte ich auch gern‘. Das hat mich berührt, aber auch nachdenklich gemacht. Denn es zeigt, dass in manchen Betrieben noch ein veraltetes Denken herrscht – eines, in dem Dienstleistung mit Unterordnung verwechselt wird. Diese Zeiten sind vorbei. Wir brauchen heute eine Führung, die Rückhalt gibt – nicht Druck.
Was würden Sie Hoteliers raten, die Ähnliches erleben und ihr Team schützen wollen?
Zunächst: Das Team stärken – fachlich wie menschlich. Reklamationssituationen gehören zum Alltag in der Hotellerie, und genau deshalb sollten sie regelmäßig trainiert werden. Ob mit eigenen Führungskräften oder externen Trainern: Es ist wichtig, dass Mitarbeitende wissen, was das Hotel von ihnen erwartet – und welche Handlungsspielräume sie haben.
Ebenso entscheidend finde ich, dass Mitarbeitende lernen, Hilfe einzufordern, wenn sie selbst in eine schwierige Lage geraten. Niemand sollte das Gefühl haben, so etwas allein durchstehen zu müssen. Wir investieren deshalb viel in Training und Kompetenzaufbau. Auch Schulungen mit der Polizei – etwa zu Themen wie Falschgeld oder Verhalten in akuten Stresssituationen – gehören dazu.
Und ganz wesentlich: Vertrauen. Mitarbeitende brauchen die Sicherheit, zu wissen, wie weit sie gehen dürfen und dass sie Rückendeckung haben, wenn sie Verantwortung übernehmen. Dieses Vertrauen stärkt – und sorgt dafür, dass sie im entscheidenden Moment souverän bleiben.
Welche Verantwortung haben Gäste selbst, um das Miteinander fair zu gestalten?
Ganz ehrlich: Es beginnt mit Selbstreflexion. Erwartungshaltungen sind völlig normal – schließlich bezahlt man für eine Leistung. Aber entscheidend ist der Ton, mit dem man ihnen Ausdruck verleiht. Der Satz ‚Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus‘ trifft es perfekt: Wer freundlich und respektvoll bleibt, bekommt auch eine gute Lösung angeboten. Wer dagegen mit Aggression oder Schärfe auftritt, blockiert das Miteinander.
Der Gast trägt also durchaus Verantwortung für einen angenehmen Aufenthalt – durch Kommunikation auf Augenhöhe, durch Ehrlichkeit, durch einen offenen Blick. Es hilft enorm, dem Gegenüber die Chance zu geben, etwas zu ändern, bevor man Kritik öffentlich macht oder sich im Netz beschwert. Oft ist den Menschen gar nicht bewusst, wie ihr Verhalten schon im Vorfeld wirkt – etwa wenn bei der Buchung bereits genörgelt oder Druck aufgebaut wird. Viele verstehen sich als „direkt“ oder „ehrlich“, merken aber nicht, wie schneidend der Ton klingen kann. Am Ende ist es ganz einfach: Mit Freundlichkeit und Respekt kommt man weiter – immer.
Was kann die Branche tun, um den Wert der Arbeit von Hoteliers und ihren Teams deutlicher zu machen?
Ich glaube, das geht nur über Offenheit und Aufklärung. Wir müssen unsere Arbeit sichtbarer machen – durch solche Video-Statements, durch Social Media, durch Pressearbeit. Nur wenn wir regelmäßig erklären, was hinter einem perfekten Aufenthalt steckt, können wir Verständnis schaffen. Auch Bewertungen bieten eine Chance, Dinge transparent zu machen und Hintergründe zu erläutern – freundlich, aber klar.
Ich fände es schön, wenn wir noch einen Schritt weitergingen: Warum nicht mal Gäste einladen, hinter die Kulissen zu schauen? In ruhigeren Zeiten könnte man „Gästepraktika“ anbieten – zwei Tage im Hotel, mitarbeiten, mitessen, mitwohnen. Zeigen, wie viele Menschen beteiligt sind, bis ein Abend perfekt läuft, ein Menü fertig ist oder eine Hochzeit gelingt. Diese Einblicke schaffen Respekt – und genau darum geht es: Wertschätzung durch Verständnis.
Gibt es eine Botschaft, die Sie der Branche noch auf den Weg geben wollen?
Meine Botschaft ist: Den Bückling abschaffen und stattdessen das eigene Team stärken. Wir müssen wieder mehr Selbstvertrauen entwickeln – als Branche und als Menschen. Es geht darum, zu wissen, wofür man steht, und das klar und respektvoll zu kommunizieren – nach außen genauso wie nach innen. Denn Respekt ist keine Einbahnstraße. Wenn innerhalb des Teams jemand respektlos auftritt, reagieren wir genauso sensibel wie bei einem schwierigen Gast. Am Ende gilt: Wer Respekt erwartet, sollte ihn selbst auch leben. Wahrnehmen, zuhören, reflektieren – das ist der Schlüssel zu jedem guten Miteinander. Und wenn es uns gelingt, genau das täglich vorzuleben, dann bleibt das Feuer für unsere Branche auch in Zukunft lebendig.
>> Das Interview ist in der neuen Tophotel Ausgabe 10-11/2025 erschienen.

