Eine neue europäische Studie von Prof, Dr. Roland Schegg und Hagen Britz zeigt: Künstliche Intelligenz (KI) ist in den Hotels angekommen – aber noch lange nicht strategisch verankert. Zwischen Experimentierfreude und Strukturlücken steht die Branche an einem Wendepunkt. Wie gelingt der Sprung von punktuellen Tests zu echter Wertschöpfung?

Die jüngste Untersuchung «From Awareness to Action: AI Readiness in Hotels», durchgeführt im Herbst 2025 von der HES-SO Valais-Wallis und dem Zürcher Hospitality-Strategen Hagen Britz, liefert ein aufrüttelndes Bild. Zwar halten 72 Prozent der befragten Hoteliers Künstliche Intelligenz (KI) für wichtig oder sehr wichtig für den Erfolg ihres Betriebs in den kommenden zwei Jahren. Doch nur 9 Prozent verfügen über eine formalisierte KI-Strategie. Statt gezielter Implementierung dominiert das Prinzip Versuch und Irrtum.
Die Experimentierfalle
Rund 35 Prozent der Hotels testen KI-Werkzeuge fallweise – ohne übergreifendes Konzept. Weitere 31 Prozent folgen Trends, ohne klare Ziele oder Erfolgskennzahlen. Diese Zersplitterung hat Folgen: Laut globalen Studien verpuffen bis zu 95 Prozent aller Investitionen in generative KI-Pilotprojekte ohne messbaren Ertrag. Das Problem liegt nicht im fehlenden Willen, sondern in strukturellen Defiziten: mangelnde Datenqualität, zu wenig technisches Know-how und fehlende Bewertungsrahmen für Anbieter oder ROI.

Was Hotels wirklich wollen – und brauchen
Die grössten Schmerzpunkte der Hotellerie sind eindeutig: administrative Belastung, Kommunikationsüberlastung und eine oft unzureichende Ertragsprognose. KI wird hier nicht als Selbstzweck gesehen, sondern als Werkzeug, um spürbare Entlastung zu schaffen. Hotels erhoffen sich vor allem Automatisierung im Backoffice – von der Buchhaltung über Reservierungs-Management bis hin zu Forecasting und Yield-Optimierung. Doch die Realität ist ernüchternd: In den meisten Betrieben fehlen Ressourcen, Zeit und Kompetenz, um diese Potenziale gezielt zu erschliessen.

Strukturelle Barrieren bremsen Fortschritt
Die Studie zeigt klar: Der Engpass liegt weniger in der Haltung, sondern in den Strukturen. Zeitmangel, Budgetknappheit und fehlende technische Expertise blockieren die Skalierung. Auch das Vertrauen in Datenqualität bleibt schwach – und damit die Fähigkeit, den ökonomischen Nutzen von KI objektiv zu messen. Besonders kleinere, unabhängige Hotels kämpfen mit Integrationsproblemen zwischen bestehenden Systemen. Für sie wird KI oft zum zusätzlichen Tool – nicht zum intelligenten Verbinder.
Der Ruf nach Orientierung
Hoteliers wünschen sich Unterstützung. Fast die Hälfte der Befragten fordert anbieterneutrale Leitfäden, Best-Practice-Beispiele und praxisnahe Schulungsangebote. Kaum jemand möchte die Entwicklung völlig intern steuern. Das zeigt: Zwischen Innovationswillen und Umsetzungslücke braucht es Vermittler – etwa Verbände, DMOs oder Hochschulen –, die als neutrale Wissensplattformen und Lernnetzwerke agieren.
Von der Spielerei zur Strategie
Die Autoren Britz und Schegg plädieren dafür, KI nicht als kosmetisches Marketinginstrument zu verstehen, sondern als Hebel für tiefgreifende Prozessverbesserung. Entscheidende Hebel liegen im Backoffice, nicht an der Rezeption. Wer KI in den Kern der Betriebsprozesse integriert, kann Kosten senken, Prognosegenauigkeit erhöhen und Mitarbeitende entlasten. Der Schlüssel liegt in der strategischen Ausrichtung: KI-Projekte müssen an klar definierte Geschäftsziele gekoppelt werden – mit überprüfbaren Ergebnissen und Lernfähigkeit über die Zeit.
Leadership und das «Alien Mindset»
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Erkenntnis, dass technologische Reife allein nicht genügt. Gefragt sind Führungskräfte, die Mut zur Unsicherheit haben – ein sogenanntes «Alien Mindset». Statt starrer KPIs zählt die Fähigkeit, Nutzen im Kontext zu bewerten, Experimente zuzulassen und lernfähige Systeme einzuführen. Wer sich auf langfristige Partnerschaften mit vertrauenswürdigen Anbietern einlässt, profitiert doppelt: durch geringere Komplexität und Systeme, die mit den Hotels mitlernen.
Fazit: Vom Reagieren zum Gestalten
Die europäische Hotellerie steht an einem entscheidenden Punkt. KI ist kein Zukunftsthema mehr, sondern eine Managementaufgabe der Gegenwart. Doch die Kluft zwischen Bewusstsein und Umsetzung bleibt gross. Wer die Experimentierfalle verlässt, braucht Mut, Struktur und Kooperation. Die gute Nachricht: Die Bereitschaft ist da – und die Zeit reif für eine Transformation, die weit über Pilotprojekte hinausgeht.

Allgemeine Einschätzungen
- 72% der befragten Hotels halten KI für wichtig oder sehr wichtig für den Erfolg ihres Betriebs in den nächsten zwei Jahren.
- Nur 9% verfügen über eine formale, schriftlich verankerte KI-Strategie.
- 40% diskutieren KI im Rahmen breiterer Digitalisierungsinitiativen.
- 16% sehen KI als „essenziell“ für den zukünftigen Erfolg an.
- 27% bewerten KI als wenig wichtig.
Umgang mit KI in der Praxis
- 35% der Hotels testen KI-Tools fallweise – ohne strategische Einbettung.
- 31% folgen Trends ohne klare Zielsetzungen.
- Nur 10% haben KI fest in ihre langfristige Planung integriert.
- 37% planen konkrete Investitionen in KI (vor allem in prädiktive oder generative Anwendungen).
- 41% sind noch unentschlossen, 23% sehen derzeit keinen Investitionsbedarf.
Hemmnisse & Barrieren
- Fehlende Zeit und Ressourcen zählen zu den grössten Hürden für die Einführung von KI.
- Geringes Vertrauen in die Datenqualität bleibt ein zentrales Problem.
- Schwierigkeiten bei der Bewertung von Anbietern und ROI verhindern Skalierung.
- Hauptbarrieren: 1) Zeitmangel, 2) Budget, 3) technisches Know-how, 4) Integrationsprobleme.
Interne Kompetenzen & Datenmanagement
- Über 50% fühlen sich grundsätzlich fähig, KI-Systeme technisch zu integrieren.
- Deutlich geringeres Vertrauen herrscht bei der Datenqualität und ROI-Bewertung.
- 20% der Hotels sehen sich selbst als technologisch „gut vorbereitet“.
Kooperation & externe Unterstützung
- Rund 50% wünschen sich anbieterneutrale Leitfäden, Best Practices und Schulungen.
- Fast die Hälfte ist offen für Kooperationen mit Verbänden, DMOs oder Technologiepartnern.
- 20% sehen (noch) keine Relevanz in solchen Partnerschaften.
- 95% der globalen KI-Pilotprojekte liefern laut Studie keinen messbaren ROI – ein Warnsignal für unstrukturierte Tests.
Zentrale Anwendungsfelder von KI
1) Administrative Aufgaben (Buchhaltung, Buchungsmanagement)
2) Kommunikationssteuerung über mehrere Kanäle (E-Mail, Chat, Buchungsplattformen)
3) Revenue Management & Forecasting (von Tabellen zu prädiktiver KI)
Kernaussage
Die europäische Hotellerie steht am Beginn einer strukturellen KI-Transformation: Hohe Aufmerksamkeit, aber geringe Umsetzung. Erfolg hängt künftig von Datenqualität, klaren Strategien und lernfähigen Systemen ab.
Quelle: Studie „From Awareness to Action: AI Readiness in Hotels“ (HES-SO Valais-Wallis, Oktober 2025)
