Die Hotellerie liebt große Gesten und legendäre Geschichten. Doch wahre Loyalität entsteht nicht durch den Champagner auf dem Zimmer oder das übergroße Blumenbouquet. Entscheidend sind die vielen kleinen Momente im Hotelalltag, die Gäste immer wieder aufs Neue überraschen. Ein Hotel Inside-Plädoyer für den «ordentlich außergewöhnlichen“ Service».
In der Hotellerie kursieren zahllose Bücher, Artikel und Vorträge, die den «Wow-Effekt» beschwören. Außergewöhnlich, legendär, spektakulär – so soll der Service sein. Diese Haltung hat ihren Reiz, doch sie greift zu kurz. Denn Gästezufriedenheit speist sich nicht allein aus den spektakulären Ausnahmen, sondern vor allem aus der Summe vieler kleiner, alltäglicher Erlebnisse.

Ein kostenfreies Getränk, ein Obstkorb oder ein Blumenstrauß – all das macht sich gut auf Instagram. Aber Loyalität entsteht, wenn das Personal den Blick hebt, bevor der Gast an der Rezeption angekommen ist. Wenn ein ehrliches Lächeln, aufmerksamer Blickkontakt und eine persönliche Begrüßung den Ton angeben. «Ordentlich außergewöhnlich» lautet die Formel, die aus Routine magische Momente macht.

Dabei gilt: Die physischen Standards – Einrichtung, Design, Sauberkeit, Ausstattung – müssen stimmen. Hotels haben hier in den letzten Jahren deutlich aufgeholt, getrieben von Markenrichtlinien und der gnadenlosen Transparenz von Online-Bewertungen. Doch der wahre Wettbewerbsvorteil liegt woanders: in der menschlichen Interaktion.

Früher gehörte es zur Selbstverständlichkeit, dass neue Mitarbeitende ein Training in Gastfreundschaft und Service erhielten. Heute lernen sie oft zuerst das PMS, die Kassen- und Nachrichtensysteme. Technik ist wichtig, ersetzt aber keine Empathie. Wer Gäste nur nach Systemanleitung abfertigt, verpasst die Chance auf Bindung.
Natürlich soll das Personal auch Probleme selbstständig lösen können. Doch nicht jedes Haus hat das Budget für Luxusgesten wie Wein, Blumen oder Gourmetmenüs. In der breiten Masse der Mittelklassehotels und Budgetbetriebe geht es vielmehr darum, konstant einfühlsam, aufmerksam und präsent zu sein.

Das bedeutet: Gäste zuerst ansprechen, statt nur Transaktionen einzuleiten. Ehrliches Interesse zeigen, wenn jemand von seiner Reise erzählt. Auf Beschwerden nicht nur mit einem knappen «Es tut uns leid» reagieren, sondern zuerst Empathie zeigen. Schriftlich immer persönlich bleiben – mit Namen unterzeichnen, nicht mit Abteilung oder Titel. Und wenn es kompliziert wird, lieber zum Telefon greifen als endlos zu mailen.
Wer diese kleinen Dinge konsequent lebt, schafft mehr als kurzlebige Begeisterung. Er schafft Vertrauen. Und Vertrauen ist die Währung, die Gäste wiederkommen lässt. PS: Eine aktuelle US-amerikanische Studie bestätigt die hier publizierten Thesen einmal mehr.
