
Die richtige Playlist kann nicht nur den Umsatz ankurbeln, sondern auch langfristig die Markenbindung stärken. Wie das funktioniert, erläutert Daniel Stoiber von Radiopark.
Herr Stoiber, immer wieder hören wir von Studien, die behaupten, dass Gäste bei guter Hintergrundmusik mehr konsumieren. Ist da wirklich etwas dran?
Daniel Stoiber: Ja, mit der richtigen Musik lässt sich das Konsumverhalten tatsächlich beeinflussen. Wichtig ist jedoch, dass die Musik zum Ambiente, zur Marke und zum Produkt passt. Um fundierte Erkenntnisse zu gewinnen, haben wir uns kürzlich selbst an einer Studie beteiligt. Dabei kam heraus: Bei langsamer Hintergrundmusik blieben Kunden länger in einer Weinabteilung im Supermarkt. Und bei Musik aus Italien oder Frankreich griffen Kunden eher zu den jeweils landestypischen Produkten. Die Gema hat kürzlich selbst die Wirkung von Musik untersucht. Und herausgefunden, dass Hintergrundmusik den Umsatz im Einzelhandel um bis zu acht Prozent steigern kann.

Welche Trends gibt es derzeit in der Hotellerie im Bereich professionelle Beschallung?
Musik rückt in der Hotellerie zunehmend aus dem Hintergrund in den Vordergrund. Sie bietet nach wie vor viel ungenutztes Potenzial entlang der Customer Journey. Hotels können ihren Gästen zum Beispiel vorgefertigte Playlists über QR-Codes anbieten – sowohl für das Zimmer als auch für die Anreise. So lässt sich die Marke mit Musik thematisch aufladen.
Das Six Senses Laamu hat beispielsweise eine eigene Compilation konzipiert, die überall im Resort gespielt wird, beim Betreten des Zimmers automatisch startet und die die Gäste auch kaufen können. Solche Konzepte sieht man eher selten in Hotels.
Das stimmt. Viele Hotels nutzen die Vorteile von Musikdesign, aber oft bleibt die Musik im Hintergrund. Die Idee, den Soundtrack als Compilation zum Kauf anzubieten, rückt die Musik in den Vordergrund und schafft zusätzliche Einnahmequellen. Solche Soundtracks verleihen dem Aufenthalt eine persönliche Note und bleiben im Gedächtnis. Viele Hotelmanager sind sich dieses Potenzials jedoch noch nicht bewusst. Musik gehört für uns bei Radiopark aber genauso zur Erlebniswelt eines Hotels wie das Interior oder der Service.
Wäre es sinnvoll, unterschiedliche Musik in den öffentlichen Bereichen, in Aufzügen, Sanitärräumen und Zimmern abzuspielen?
Das kommt auf das Hotel, den Bereich und die baulichen Gegebenheiten an. Ein Business-Gast, der morgens früh am Kaffeeautomaten steht und Emails checkt, möchte keine Musik, die ihn stört. In einem Familienhotel hingegen kann Musik zum Frühstück für eine entspannte Atmosphäre sorgen. In vielen Fällen ergibt es keinen Sinn, Flure oder Aufzüge anders zu beschallen als Lobby oder Bar, besonders wenn diese akustisch nicht voneinander getrennt sind. Musik aus dem Flur sollte nicht in den Zimmern hörbar sein. Wir konzentrieren uns deshalb auf die sogenannten „Meeting Points“ wie die Lobby. Besonders spannend sind die F&B-Bereiche: Dort gibt die Ausrichtung des Restaurants oft den Takt vor. An der Bar darf die Musik in den späteren Stunden durchaus lauter und ausgelassener werden.
Dürfen Hoteliers ihren eigenen Geschmack
einbringen?
Unbedingt. Wir müssen aber zwischen einer Kette und einem inhabergeführten Haus unterscheiden. Steht der Hotelier tagein tagaus in seinem Hotel, ist es nur fair, wenn er selbst auch Spaß an der Musik hat. Bei einer Kette gibt es viel mehr Stakeholder, die einen Geschmack und eine Meinung haben. Natürlich beziehen wir immer die Geschäftsführung in die Kuration der Musik mit ein. Schließlich kennt sie ihre Hotelmarke am besten.
Bei Radiopark ist eine Redaktion für die Auswahl der Songs zuständig. Wie gehen die Musikredakteure bei ihrer Arbeit vor?
Unsere Redaktion setzt sich intensiv mit der Marke und dem Hotel auseinander. Eine reine Online-Recherche reicht da nicht aus. Wir besuchen die Häuser vor Ort, testen die Angebote und erleben die typische Reiseerfahrung. So können wir den passenden Soundtrack zusammenstellen. Unsere Musikredakteure kennen Tausende von Songs und wählen daraus die passenden Stücke aus.
Spielt künstliche Intelligenz eine Rolle bei der Musikauswahl?
Nicht bei der Musikauswahl selbst. Das Gespür für Emotionen und den richtigen Sound haben nur Menschen. In unserem Kernprodukt setzen wir daher nicht auf KI, eher bei unserem Kunden-Service. Über Musik und KI wurde bereits viel diskutiert. Mit dem Aufkommen von KI-Tools konnte plötzlich jeder innerhalb weniger Sekunden seine eigenen Songs „komponieren“. Doch der Unterschied zur echten Musik von Menschen ist deutlich spürbar – es fehlt die Seele.
Welche Tipps geben Sie Hoteliers in puncto Lautsprechern mit auf den Weg?
Die Akustik eines Raumes beeinflusst den Sound erheblich. Die Auswahl und Platzierung der Lautsprecher können hier maßgeblich zur Klangqualität beitragen. Dies ist jedoch eine sehr individuelle Angelegenheit, die vom Material des Interiors abhängt. Deshalb ist es wichtig, bereits bei der Planung an die Akustik zu denken und Fachleute zu Rate zu ziehen. Nicht jeder Architekt ist audiophil und kennt sich mit den neuesten Entwicklungen bei Lautsprechern aus.
Blick in die Zauberkugel: Wie sieht die Beschallung der Zukunft aus?
Ich hoffe auf ein Szenario, in dem Akustik und Beschallung von Anfang an in die Bauplanung einbezogen werden. Individualisierte Musikkonzepte werden immer wichtiger. Stellen Sie sich vor: Die Lautstärke passt sich automatisch der Gästezahl an, und Zonen werden je nach Auslastung zu- oder abgeschaltet. Oder das Wetter beeinflusst die Musikauswahl, und zwar direkt im Moment. Künstliche Intelligenz wird hier sicherlich eine Rolle spielen. Doch auch in Zukunft wird immer ein Mensch entscheiden, ob ein Song gut genug ist, um in die Rotation aufgenommen zu werden.
Zur Person
Daniel Stoiber ist seit den 1990er-Jahren im Musikgeschäft tätig. Zunächst als DJ, später absolvierte er eine Ausbildung zum Tonmeister und Musikproduzenten. Im Jahr 2000 gründete der Gitarrist gemeinsam mit Florian Lüttich das Label Karmaloft Music, unter dem sie auch eigene Musik veröffentlichten. Im selben Jahr begann Stoiber, mit dem Start-up Ketchup Music Playlists und Sender zu kuratieren. Heute ist er Chief Creative Officer bei Radiopark in Hamburg und arbeitet dort für das Label Tonique, das Musik für Marken aus den Bereichen Tourismus, Gastronomie und Einzelhandel bereitstellt. Zu seinen Kunden zählen unter anderem das Victoria-Jungfrau in Interlaken, das Grand Hotel National in Luzern und das Tortue Hamburg.