Der Experte für Bildung und Arbeit berät bei Fragestellungen des Wandels im Zeitalter der Digitalisierung. Wir sprechen mit ihm über veränderte Anforderungen in der Führung.
Ali Mahlodji kam als Flüchtling nach Europa und startete seine Karriere als stotternder Schulabbrecher mit mehr als 40 Jobs. Heute ist der CEO von FutureOne international als Experte für Bildung und Arbeit tätig und berät Unternehmen, Politik und Organisationen bei Fragestellungen des Wandels im Zeitalter der Digitalisierung – immer mit Fokus auf den Faktor Mensch und dessen Potenziale. Beim Leadership-Event „Emotionalead“ von Tophotel und Vorreiter AG wird er sein Know-how teilen. Wir sprechen schon vorab mit ihm über veränderte Anforderungen in der Führung.
Tophotel: Herr Mahlodji, wie erleben Sie momentan die Führungskultur?
Ali Mahlodji: Im Vergleich zu vor zehn Jahren sind hier Quantensprünge passiert. Themen wie Inklusion, Diversity, Equality oder Führung durch Vertrauen werden hierzulande nicht nur wichtiger, sondern inzwischen auch vielerorts implementiert – vom Konzern bis zum Familienbetrieb.
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Mit der Keynote „Start, fail, innovate & kick ass – warum Fehler unsere besten Wegbegleiter sind“ beleuchten sie bei „Emotionalead“ am 10. April das Thema Fehlerkultur in der Führung. Wie ist um diese denn aktuell bestellt?
Die heutige Arbeitswelt verändert sich rasant, Führungskräfte müssen sich ständig auf Neues einlassen, neue Projekte initiieren et cetera. Das Ergebnis soll am besten sofort perfekt sein und das Resultat des Prozesses bereits bei Beginn absehbar. Davon müssen sich Führungskräfte lösen. Es geht darum, Frustrationstoleranz zu entwickeln, Fehler zuzulassen und ergebnisoffen zu arbeiten. Nur weil ein Hotel einen Diversity-Prozess gut umgesetzt hat, bedeutet das nicht, dass das bei mir im Haus genauso funktioniert. Vielleicht muss ich ein paar mehr Schleifen drehen?
Dabei gilt: Experimentieren, adaptieren und lernen, von Fehler zu Fehler smarter zu werden. Die besten Unternehmen und Führungskräfte sind die, die bei neuen Prozessen bereits früh viele Fehler zulassen. Nur so können sie schneller lernen als der Markt und auf die Pole Position gelangen. Das ist die Fehlerkultur, die wir benötigen. Es ist wie bei einem Kind, das Gehen lernt. Hinfallen gehört dazu.
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Mehr zum Thema erfahren oder sich mit Ali Mahlodji einmal direkt austauschen? Das geht beim Leadership-Event „Emotionalead“ in Stuttgart.
Wann? 10. April 2025
Wo? Design Offices, Stuttgart
Wie lässt sich das mit unserer schnelllebigen Arbeitswelt vereinbaren, in der der Druck steigt, keine Fehler machen zu dürfen. Wie kann ich mich als Führungskraft davon freimachen?
Es stimmt, die Zeit ist knapp, der Druck meist hoch. Doch die Wahrheit ist auch: Wenn ich Prioritäten setze und investieren will, dann wird sich auch die Zeit dafür finden. Es gilt immer noch: Der Fisch stinkt vom Kopf. Das heißt, wenn ich als Führungskraft meinem Team gegenüber nicht zugeben kann, dass etwas schiefgegangen ist, dann wird das auch niemand aus meinem Team tun.
Es ist unmöglich, eine gesunde Fehlerkultur zu leben, wenn beim Thema Vertrauen immer noch der Glaubenssatz herrscht: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das hat auch Auswirkungen bis in die Entscheidungskultur. Denn nichts führt zu besseren, schnelleren Entscheidungen, als tiefes Vertrauen. Letztlich geht es darum: Wie gebe ich anderen mein Vertrauen, wie sehe ich meine Mitarbeiter, was projiziere ich in sie hinein? Mitarbeiter spüren, ob die Führungsebene ihnen vertraut oder nicht.
Was steckt dahinter, wenn jemand schwer Fehler zugeben kann, ein Vertrauensproblem hat?
Tatsache ist, Glaubenssätze werden über sechs bis acht Generationen weitergegeben. Wer in der Jugend gelernt hat, Anschreien ist okay, der wird das auch als Führungskraft denken. Wer einmal eine Kränkung erfahren hat, der unterdrückt möglicherweise sein Potenzial als Mensch, um in einer Rolle zu funktionieren. Wer das Heute ständig mit der Vergangenheit vergleicht, wird junge Mitarbeiter nicht verstehen. Solche Führungskräfte haben nicht verstanden, dass sich die Welt verändert hat. Fakt ist, wenn jemand niemals Vertrauen geschenkt bekommen hat, wird er sich schwertun, anderen Vertrauen zu schenken.
„Wer Emotionen zeigt, lebt nicht nur gesünder, er ist auch nicht mehr angreifbar.“
Wie kann sich so jemand ändern?
Viele stecken so tief drin, dass gut gemeinte Hinweise von außen nichts bringen. Sie müssen selbst merken, dass bei ihnen etwas nicht mehr funktioniert. Sei es, dass sie keine guten Leute mehr bekommen, das Mitarbeiter gehen, unmotiviert sind et cetera. Das ist oft der erste Punkt, an dem jemand zu hinterfragen beginnt, ob es vielleicht an ihm selbst liegt? Eine andere Möglichkeit ist, dass ich inspiriert werde, etwa auf einer Konferenz, die mich in meinem eigenen Selbstgespräch abholt, oder durch jemanden, dem es genauso geht wie mir. In den allermeisten Fällen braucht es aber erst den Schmerz, bevor sich etwas tut.
Wenn der Aha-Effekt durch Schmerz oder Inspiration da ist, hilft dann Coaching weiter?
Coaching oder Mentoring macht für Führungskräfte immer Sinn, denn sie sollten mit ihren Themen nicht allein sein. Sie sollten jemanden haben, mit dem sie sich austauschen können. Wer an der Spitze steht, dem sagt in der Regel keiner die Wahrheit, und er hat auch selten jemanden, dem er sein Herz ausschütten oder mit dem er laut nachdenken kann. Was funktioniert, ist sich selbst in eine dienende, coachende Rolle zu begeben und herauszufinden, was sehen meine Mitarbeiter, was ich nicht sehe? Welche Ideen und Lösungen haben sie. Es gilt den Mitarbeitern zuzuhören und ihre Probleme zu verstehen. Das macht die Hotellerie seit jeher, um die Bedürfnisse ihrer Gäste herauszufinden. Dieselbe Sensibilität gilt es lediglich auch auf die eigene Belegschaft umzumünzen.
Was braucht es, damit eine offene Fehlerkultur gelingt?
Eine Regel ist: Wer die Klarheit in sich trägt, hat immer die Mehrheit. Es muss allen im Team klar sein, nach welchen Prinzipien – nicht Regeln! – gearbeitet wird. Ein Prinzip kann sein: Jeder Fehler, der zum ersten Mal passiert, ist unternehmerisches Denken. Mit Klarheit zu führen heißt, dass ich in unsicheren Zeiten kommuniziere, dass ich mir der Unsicherheit bewusst bin und ganz klar Schritte aufzeige, was als Nächstes gemacht wird. Etwa: Wir treffen Annahmen nicht mehr für ein Jahr, sondern nur noch für sechs Wochen. Oder wir bilden ein Netzwerk mit anderen Hotels, um uns auszutauschen, unsere Entwicklung abzugleichen und im Verbund zu wachsen. Es geht darum, für sich selbst eine Klarheit an den Tag zu legen und kein Vakuum übrig zu lassen.
Was können Führungskräfte darüber hinaus für eine offene Fehlerkultur tun?
Wenn das gesamte Team weiß, dass alle ihr Bestes geben wollen, dann ist das eine Haltung, die andere Menschen spüren. Und wer sein Team darauf eingeschworen hat, der erlebt, dass sich Menschen unbewusst ins kollektive Netz fallen lassen. Darüber sind Persönlichkeitstrainings das Smarteste, was man seinen Mitarbeitern anbieten kann, denn so erzielt man die schnellste Entwicklung. Diese Mitarbeiter übernehmen dann auch wirklich Verantwortung. Da sagt keiner mehr, ich bin nicht zuständig, mein Prozess endet hier. Diese Teams verstehen, das alles zusammenhängt. Immer mehr Unternehmen bringen darüber hinaus Persönlichkeitsentwicklung ins Spiel, weil sie ihren Mitarbeitern helfen wollen, resilienter mit der Welt umzugehen.
„Es geht darum, Frustrationstoleranz zu entwickeln, Fehler zuzulassen und ergebnisoffen zu arbeiten.“
Das bedeutet das konkret?
Angesichts der Weltlage haben viele Angst vor der Zukunft, sind wenig zuversichtlich. Es ist wichtig, dass sie lernen, mit dieser Welt umzugehen und in Balance zu leben. Führungskräfte sind heute auch eine Art Lebensabschnittsbegleiter, die ihre Mitarbeiter dahin entwickeln, das zu lernen, was ihnen das Leben bisher nicht beigebracht hat, etwa mit Krisen, Angst oder Stress umzugehen oder Prioritäten zu setzen, wenn alles zu viel wird. Wer das heute nicht als Tool-Set in sich hat, der tut sich nicht nur privat schwer, sondern auch am Arbeitsplatz. Das merken sowohl Gäste als auch Kollegen. Wer dagegen Mitarbeiter hat, die sich gefordert und gefördert fühlen, und die auch mental mit dem Schrecken der Welt oder mit Stress umgehen können, der hat als Beiprodukt eine stets gut laufende Maschinerie.
Sie gelten als Brückenbauer zwischen den Welten von Führungskräften und Jugendlichen – gibt es Generationenunterschiede beim Umgang mit Fehlern?
Das lässt sich nicht pauschalisieren, denn es hat viel damit zu tun, was eine Person erlebt hat und was ihr auch erlaubt worden ist. Früher dachte man, dass sich die Jungen mit der Fehlerkultur leichter tun, doch gerade sie tun sich oft unfassbar schwer. Aber auch die 35- bis 50-Jährigen haben oft Probleme mit Fehlerkultur. Das sind die, die sich nicht mehr an ihre Jugend erinnern, aber auch noch nicht in dem Alter sind, wo sie niemandem mehr etwas beweisen wollen. Die Älteren wiederum legen oft viel mehr Gelassenheit an den Tag, als man denkt: Okay, der Gast hat uns einmal angeschrien, dann schauen wir, dass wir es das nächste Mal besser machen … Es geht also mehr darum, sich von der Altersfrage zu entkoppeln und mehr die Lebenserfahrung in den Blick zu nehmen. Aus Zickzack-Werdegängen oder Milieus, in denen jemand unterwegs war, lässt sich ableiten, wie eine Person mit Fehlern umgeht.
Dann beginnt die Etablierung einer offenen Fehlerkultur also schon im Bewerbungsgespräch?
Genau. Sieh dir die letzten fünf bis zehn Jahre im Leben einer Person an, bevor du sie einstellst. Wo war sie unterwegs, was hat sie gearbeitet, in welchem Umfeld? Wie spricht sie über Kollegen, wie über ihre Erfolge? Wie hat sie Probleme gelöst? Dann wirst du merken, was für Belohnungsmuster sie erfahren hat, sprich wann sie das Gefühl hatte, sie ist gut oder sie ist schlecht. Dann weißt du auch, was du von der Person erwarten kannst. Das ist ganz wichtig, denn ein Mensch ist immer die Summe aller Belohnungsmuster und Erfahrungen seines Lebens bis zum heutigen Tag. Wenn Du das deuten kannst, verstehst du auch sein Verhalten.
Wie komme ich wieder in meine Kraft, wenn mal etwas schiefgegangen ist?
Der schnellste Weg ist, sich den Schrecken bewusst vor Augen zu führen. Nicht schönreden, sondern klar benennen: Das ist gerade richtig schief gegangen. Nur so kommt man sofort in die Akzeptanz. Wichtig ist es auch, Emotionen zuzulassen: Ich darf mich aufregen, ich darf auch mal traurig sein – das darf alles raus. Ich habe einige Unternehmenszusammenlegungen miterlebt, bei denen viel Angst herrschte. Für die Führungskräfte, die auf den Merger vorbereitet wurden, war es der wichtigste Schulungspunkt, zu lernen, wie sie Emotionen lesen und diesen einen Raum schaffen. Denn wenn die Menschen beispielsweise traurig sind, weil sie etwas verloren haben, dann muss man ihnen auch Trauer erlauben.
Über Ali Mahlodji
Ali Mahlodji ist ein österreichisch-persischer Impact-Entrepreneur, Business Mentor, Autor, Speaker und Experte für Arbeit und Bildung. Er gründete die Internet-Berufsorientierungsplattform Whatchado und ist heute CEO von FutureOne, einem internationalen Technologie-, Medien- und Persönlichkeitsentwicklungsunternehmen, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Menschen daran zu erinnern, wer sie wirklich sind, und Unternehmen dabei begleitet, Menschlichkeit in die Organisation zurückzubringen.
Was ist dabei der größte Fehler, den man machen kann?
Den emotionalen Part der sogenannten negativen Emotionen zu überspringen. Emotionen zu zeigen ist die wahre Stärke – und Emotional Leadership muss man lernen. Wer Emotionen zeigt, lebt nicht nur gesünder, er ist auch nicht mehr angreifbar. Viele Führungskräfte haben Angst, ihr Gesicht zu verlieren. Sie haben das Gefühl, sie müssten etwas verstecken und fühlen sich ständig in einer Art Angriffs- und Verteidigungsmodus. Wenn du einmal zugibst, wie es dir geht und deine Verletzlichkeit zeigst, kann dich niemand mehr angreifen.
Dann bist du komplett in deiner Authentizität – und das ist es, was Mitarbeitende heute am meisten brauchen: Authentische Führungskräfte, die in der Klarheit sind. Das macht den Unterschied zwischen Managern und guten Leadern. In einer sich verändernden Welt müssen Manager zu Gestaltern werden. Und das können sie nur, wenn sie ihr Team einbinden – und das gelingt nur, wenn sie in die Emotional Leadership gehen.
Als Redner sind Sie viel unterwegs und übernachten häufig in Hotels – was beobachten Sie hier in Hinblick auf Fehlerkultur?
Die meisten Hotels haben ihre Prozesse im Griff, aber als Gast fühle ich mich auch wie der Teil eines Prozesses. Keiner fragt, würden sie uns weiterempfehlen? Ist ihnen irgendwas im Zimmer aufgefallen? Viele reden nicht mit mir als Gast. Als Fehlerkultur sehe ich gar nicht so, dass Fehler passieren, sondern dass vielen gar nicht mehr auffällt, wie belanglos das geworden ist, was sie teilweise tun. Ich habe bei vielen globalen Hotelketten das Gefühl, dass sie irgendwann aufgehört haben, sich weiterzuentwickeln und sich nur noch auf ihren Namen verlassen. Das sind schleichende Fehler.
Wie lautet Ihre Mission für die künftige Arbeitswelt?
Mir geht es um eine Arbeitswelt, in der jeder Mensch das Gefühl hat, mit seinen Talenten und Potenzialen willkommen zu sein. Und dass er sich in dieser Arbeitswelt wirklich entwickeln kann, um seine beste Arbeit abzuliefern, auf die er auch selbst stolz ist. Eine Arbeitswelt, in der Menschen, die mit einer Behinderung geboren wurden, die am Rand der Gesellschaft sind, die in Armut leben, genauso die Chance bekommen, ihre Potenziale und Stärken auszuleben. Meine große Mission ist es, dass jeder das Gefühl hat, die Welt freut sich auf mich und meine Talente.
Das Interview ist in der Tophotel-Ausgabe 1-2/2025 erschienen.
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