Wolf-Thomas (Thommy) Karl, stellvertretender Chefredaktor bei Hotel Inside, Publizist und Kommunikationsexperte im Hospitality-Bereich, spricht mit spannenden Persönlichkeiten aus der Welt der Hotellerie und Gastronomie in der DACH-Region. Diesmal: Christopher Reimann, Energy-Drink-Pionier und Mitgründer von acáo.
Christopher Reimann, wie kamen Sie und Ihre beiden Mitgründer auf die Idee, einen natürlichen Energy-Drink wie acáo zu entwickeln, und welche Herausforderungen gab es damals bei der Umsetzung?
Ach, die gute alte Garagen- oder Kellerstory. Klassische Innovationsschmiede at its best. Ganz ehrlich, wir waren hungrig darauf, etwas zu bewegen und hatten einfach Lust, in dieser Konstellation gemeinsam etwas anzuschieben. Zugegeben, wir waren grün hinter den Ohren – also ich zumindest – und hatten keinen blassen Schimmer, wie die Industrie wirklich tickt. Am Anfang haben wir übrigens immer gesagt: „Wir machen ja nichtso etwas wie einen Drink. Und schon gar nichts mit Energy.“ Aber wie das eben so ist. Während andere feiern waren, trafen wir uns neben dem Studium regelmässig zu Design-Thinking-Sessions. Dabei entstanden unglaublich viele Ideen, jedoch wurde irgendwann klar: Wir pushen uns selbst ständig in dieser schnelllebigen Welt, nehmen Nahrungsergänzungsmittel, wo es nur geht, aber irgendwie fehlte da etwas. Eine „ehrliche“und gesunde Variante. So war die Idee für acáo geboren – zumindest im Schnelldurchlauf erzählt. Natürlich war es nicht immer einfach. Die besten Ideen brauchen eben ihre Zeit oder passieren oft genau dann, wenn man überhaupt nicht damit rechnet.
Aber war und ist hier Red Bull nicht der übermächtige Platzhirsch in Bezug auf Energy-Drinks? Vor allem im Gastgewerbe?
Absolut, die Getränke- und Food-Branche ist überschaubar. Sie wird natürlich von den ganz Grossen dominiert. Dazu gehört auch der besagte Player. Red Bull hat es geschafft, eine Marke zu etablieren, die Menschen emotional packt, begeistert und weltweit mit einer klaren Message anspricht. Sie stehen für höher, schneller, weiter und haben diesen emotionalen Nutzen perfekt für sich und das Gastgewerbe genutzt. Hat uns das davon abgehalten, unseren eigenen Nutzen klar zu kommunizieren und unsere Positionierung zu finden? Nein.
Warum?
Ganz einfach: Es war ein gesunder Mix aus Tatendrang, Naivität, Freundschaft und einer puren Vision, eine eigene kleine Firma aufzubauen. Klar, unsere Branchenerfahrung zu Beginn: gegen null. Jedes Jahr versuchen wahrscheinlich zahlreiche optimistische und motivierte Menschen, in diese Branche einzusteigen und sich ein Stück vom Kuchen zu sichern. Viele scheitern leider. Weil sie, genau wie wir damals, von einer Idee angetrieben werden, aber oft nicht frühzeitig mit Umsicht, Geduld und den richtigen Schritten vorgehen. Wir haben es tatsächlich geschafft, uns zu einer „Produktentwicklungsschmiede“ zu entwickeln. Rückblickend hatten wir – neben einer guten Portion Glück – einfach ein neuartiges, hochwertiges und ausgewogenes Produkt sowie ein richtig starkes Team!
Ihr Produkt verzichtet auf künstliche Aromen, Zuckerzusätze und Konservierungsstoffe. Welche Rückmeldungen haben Sie von den Verbrauchern bzw. Gastronomen zu diesem durchaus „ehrlichen“ Konzept erhalten?
Genau dieses „ehrliche“ Konzept wurde zum Markenzeichen und Erscheinungsbild der acáo GmbH. Das Unternehmen, welches wirklich aus Transparenz und Ehrlichkeit gegründet wurde, hat dadurch seinen ganz eigenen „Fingerprint“ erhalten. Das schätzen unsere Konsumenten und Verkäufer bis heute! Bei unserem ersten Produkt, acáo Grün bzw. Quitte-Zitrone, war die Rückmeldung fast immer: „Oh, endlich mal nicht so süss.“ oder „Eine gesunde Red-Bull-Alternative“. Das hat uns gezeigt, dass wir mit unserer Idee den Nerv der Zeit getroffen haben. Im Grunde haben wir einfach das geschaffen, was uns selbst am besten geschmeckt hat – etwas, das „gesund wach“ macht. Eines darf man bei einem solchen Produkt jedoch niemals vergessen: Es kommt am Ende immer auf den Geschmack an. Mittlerweile haben wir einige weitere Produkte auf den Markt gebracht. Dabei bleiben wir unserer Linie stets treu. Dies wird definitiv wahrgenommen. Sowohl von unseren Kunden als auch von den Gastronomen.
Die Guarana-Beere als natürliche Koffeinquelle ist ein zentrales Element von acáo. Wie wichtig war es Ihnen, auf solche ökologischen sowie nachhaltigen Zutaten zu setzen und wie beeinflusst das Ihre Produktionskette?
Wie schon erwähnt, unser Ziel war von Anfang an, ein ehrliches, hochwertiges und so nachhaltig wie möglich produziertes Produkt auf den Markt zu bringen. Wir haben uns intensiv damit auseinandergesetzt, ob die Dose das passende Gebinde ist oder ob wir vielleicht doch auf Flaschen setzen sollten. Unsere Markttests reichten von Anpassungen bei Packaging und Produktpalette über die Optimierung der Rezeptur bis hin zur Absicherung von Bio-Guarana-Rohstoffquellen. Wenn man ein Produkt mit so einer spitzen Positionierung auf den Markt bringt und mit vergleichsweise kleinen Mengen startet, denkt man am Anfang oft gar nicht so weit über die langfristige Verfügbarkeit der Rohstoffe nach. Geschweige denn über Abhängigkeiten und Mengenplanung. Heute wissen wir es besser. Wir kaufen unsere Rohstoffe, insbesondere das Bio-Guarana, vorausschauend auf dem Weltmarkt und sichern uns die benötigten Mengen weit im Voraus. Das ist in der aktuellen Marktlage essenziell, um Qualität und Verfügbarkeit garantieren zu können. Nachhaltigkeit bedeutet für uns nicht nur, ökologisch verträglich zu agieren, sondern auch wirtschaftlich klug und zukunftsorientiert zu handeln.
acáo wird oft als Alternative zu herkömmlichen Energy-Drinks genannt, besonders im Gastgewerbe. Wie hat die Zusammenarbeit mit Hotels und Restaurants Ihr Geschäft beeinflusst?
Die Platzierung ist das A und O. Die Zusammenarbeit mit der Hotellerie und Gastronomie hat uns einen enormen Image-Gewinn gebracht. Besonders als gesunde Alternative zu herkömmlichen Energy-Drinks. Was wir aber auch schnell verstanden haben, dass wir im Nachtgewerbe nur schwer punkten können…
Warum das?
Wenn Menschen lang und laut feiern wollen, stehen hochqualitative Zutaten oder Gesundheit meist nicht im Vordergrund. Da fehlen uns die Argumente. Für Gastronomen hingegen zählt neben einer sinnvollen Menüerweiterung vor allem eine langfristige und verlässliche Partnerschaft. Genau das konnten wir im Laufe der Jahre mehrfach beweisen. Mittlerweile haben wir zahlreiche Partnerschaften ausgebaut und blicken optimistisch auf die nächsten zehn Jahre. Um es einfach herunterzubrechen: In einer Branche, in der oft mit Schubladendenken und mit den grossen Playern argumentiert wird, konnten wir uns durch Authentizität und Qualität einen festen Platz erarbeiten – sowohl bei Konsumenten als auch bei Gastronomen.
Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von acáo und der gesamten Branche für gesündere oder nachhaltigere Getränke?
Die Entwicklung ist enorn und der Trend zu gesünderen und nachhaltigeren Getränken ist nicht mehr aufzuhalten. Wir erleben das täglich. Der Markt wandelt sich rapide. Überall tauchen neue Konzepte auf, die genau diesen Nerv treffen. Wir sehen uns dabei als kleine, aber stolze Produktschmiede, die versucht, ihren hart erarbeiteten Anteil am Markt zu behaupten. Klar, es wird spannend zu beobachten, wohin die Reise noch geht. Aber unser Ziel bleibt, dass wir weiterhin einen Beitrag leisten wollen, im gesunden und nachhaltigen Segment mitzumischen und die Konsumenten in ihrer neuen Denke zu unterstützen. Letztlich geht es darum, die passenden Produkte zu entwickeln und diese gezielt im Markt anzubieten – ehrlich, hochwertig und nachhaltig. Wir sind gespannt auf das, was kommt und bleiben am Ball!
Wer ist Christopher Reimann?
Christopher Reimann studierte Architektur und gründete bereits während seines Studiums mit zwei Partnern acáo: Eine Produktschmiede für nachhaltige und aktivierende Food & Beverage-Konzepte „Made in Wiesbaden“ sowie Lebensmittel- und Getränkemarken und White-Label-Marken für die europäischen Lebensmittelketten. Neben seiner Tätigkeit für acáo ist der gebürtige Wiesbadener unter anderem Inhaber von TWOSEE, einer Agentur für Strategie, Konzeption und Gestaltung aus einer Hand mit dem Fokus Markenentwicklung, Positionierung und Beratung für den Mittelstand.