Die Bedeutung und Resilienz des Gastgewerbes hebt der F&B-Experte und Autor Pierre Nierhaus in seinem neuen Trendreport 2025/26 hervor. So sei 2024 zwar ein durchwachsenes Jahr gewesen, doch als Lebensader und Taktgeber der Gesellschaft sei das Gastgewerbe auf dem Weg zu alter Stärke – trotz deutlich höherer Kosten und schwieriger Rahmenbedingungen.
Tourismus und Reisen boomten – und auch wenn es ums Essen geht, sei die Lage insgesamt positiv. Der Bon sinke zwar, aber die Gästefrequenz steige. „Der Individualgastronomie, die mit Echtheit, Herzlichkeit und Authentizität die emotionalen Bedürfnisse der Gäste erfüllt, prognostiziere ich große Chancen“, so der Trendexperte mit Blick auf die Zukunft. Auch die System-Gastronomie bleibt Nierhaus zufolge auf der Erfolgsspur.
Indessen zeichne sich eine tiefgreifende Transformation ab: Regionalität, Nachhaltigkeit und das F&B-Erlebnis rückten weiter in den Fokus, Gäste legten zunehmend Wert auf authentische, ökologische und kulturell verankerte Offerten. Social Media verhelfe Trends und Konzepten zum Durchbruch. Dem Thema Longevity attestiert Pierre Nierhaus großes Potenzial. Zugleich erforderten Preisdruck und Personalmangel neue Lösungen. Professionalisierung, Effizienz und neue Geschäftsstrategien seien entscheidende Faktoren, so der Experte, der die wichtigsten Trends in den folgenden zehn Kapiteln formuliert hat (vgl. auch PDF).
Gäste legen zunehmend Wert auf authentische, ökologische und kulturell verankerte Konzepte.
Pierre Nierhaus
Individual-Gastronomie
Die Individualgastronomie hat die Chance, sich durch ihre Einzigartigkeit als unverwechselbare Alternative im Gastgewerbe zu positionieren. Ihr USP liegt in personalisierten und interaktiven Erlebnissen, unterstützt durch Technologien, ohne die persönliche Gastfreundschaft zu ersetzen. Emotionale, analoge Gastfreundschaft bleibt der Schlüssel zum Erfolg: Gäste schätzen authentische Erlebnisse, hochwertiges Essen aus regionalen Produkten und innovative Konzepte wie Multi-Use-Spaces oder Erlebnisgastronomie.
Kreative Ansätze wie Theatergastronomie oder Social Kitchens kombinieren Kulinarik mit Interaktion und schaffen bleibende Eindrücke. Die Pandemie hat eine Professionalisierung vorangetrieben: Weniger, aber besser geschulte Mitarbeiter, durchdachte Speisekarten und digital optimierte Abläufe. Individualität, Genuss und echte Emotionen stehen im Mittelpunkt. Es geht ums Ausgehen als Erlebnis.
Food
Zeitgemäße Food-Offerten stehen im Zeichen von Nachhaltigkeit, Natürlichkeit und Innovation. Gäste wünschen sich transparente, frische und unverfälschte Speisen, während Gastronomen auf Vereinfachung durch Automation und KI setzen. Der Trend zur Natürlichkeit prägt die Branche: Pflanzenbasierte Küche bleibt beliebt, regenerative Landwirtschaft und die Zusammenarbeit mit lokalen Produzenten stehen im Fokus. Konzepte wie „Honesty Food“ setzen auf totale Transparenz bei Herkunft und Preis.
Zero-Waste-Restaurants wie Nolla oder Blue Hill zeigen, wie kreative Verwertung gelingt. Urban Farming und Farm-to-Table-Konzepte wachsen weiter. Innovationen wie kultiviertes Fleisch, Insektenproteine und Algen bereichern die Menügestaltung, ergänzt durch Fermentation und Umami-Optimierung. Das sogenannte Veganising klassischer Gerichte entspricht der steigenden Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen.
Beverage
Der Markt für gesunde, innovative und funktionale Getränke boomt. Alkoholfreie Cocktails, Bier und Kräutergetränke prägen den Trend zu Mindful Drinking. Bars wie The Virgin Mary in Dublin zeigen, dass alkoholfreie Drinks kreative Geschmackserlebnisse bieten können – mit Zutaten wie Kombucha und Marken wie Seedlip und Lyre’s. Craft-Bier bleibt mit regionalem Fokus beliebt, während Aperitif-Kultur und Longdrinks ein Comeback erleben.
Hochwertige Tees und Säfte aus eigener Produktion bringen Umsatz, trotz gestiegener Rohstoffpreise. Funktionale Getränke mit adaptogenen Inhaltsstoffen wie Ashwagandha oder probiotischen Shots gewinnen bei gesundheitsbewussten Gästen an Bedeutung. Luxuriöse Drinks, wie handveredelte Cocktails im Connaught, setzen auf Exklusivität – von Trüffel bis Gold.
New Snack
Snacks haben sich als eigenständige, vielseitige Hauptmahlzeit im Alltag etabliert. Dänemark führt mit flexiblen Mahlzeiten wie Frokost den Wandel an. Snackification steht für einen Lebensstil, bei dem kleine, praktische Portionen traditionelle Hauptmahlzeiten ersetzen – profitabel, gesund und nachhaltig verpackt. Große Akteure wie McDonald’s investieren massiv in das Segment, etwa in innovative zweispurige Drive-Ins. Die Branche wächst mit vielfältigen, hochwertigen Angeboten.
Der Burger bleibt Spitzenreiter, neue Varianten wie Smashburger und Bio-Döner gewinnen an Beliebtheit. Levantinische und indische Snacks wie Falafel und Samosas sowie mexikanische Klassiker wie Tacos und Burritos sprechen neue Zielgruppen an. Clean-Label-Snacks mit natürlichen Zutaten und innovativen Konzepten prägen den Markt. Anbieter wie Greenkarma und Egg-Sandwich-Pioniere wie Bregg setzen auf gesunde, zukunftsweisende Produkte. Snacks sind die Mahlzeit der modernen Gesellschaft.
Neue Gäste
Der Gastronomiemarkt wandelt sich durch gesellschaftliche Veränderungen und neue Zielgruppen. Die DACH-Region ist ein starker Markt für Single-Diners, die individuelle Erlebnisse suchen, sowie ältere Gäste, die Wert auf Gesundheit, Komfort und Barrierefreiheit legen. Aspekte wie kleinere Portionen, angenehme Akustik, gut lesbare Speisekarten oder altersgerechter Service gewinnen an Bedeutung. Die Silver Society und Babyboomer verfügen über Zeit, Geld und sind offen für Neues. Sie prägen den Markt mit ihrem Lifestyle, der sich an Jüngeren orientiert. Diese Generation ist qualitätsbewusst, reisefreudig und experimentierfreudig, was neue Chancen für trendige und innovative Konzepte schafft.
Individualisierung bleibt der Schlüssel, um neue Zielgruppen zu gewinnen.
Pierre Nierhaus
Gentrifizierung und Veränderungen in Arbeitswelten zwingen viele Betriebe zur Neuausrichtung. Während die Systemgastronomie stabil bleibt, liegt Potenzial in individuellen Konzepten wie vegetarischer, veganer oder gesundheitsorientierter Küche. Jüngere Generationen wie Gen Z und Alpha erwarten hybride Erlebnisse mit nahtloser Verknüpfung von digitalen und analogen Services. Zudem steigt die Nachfrage nach barrierefreien Restaurants und Angeboten für Allergiker. Individualisierung bleibt der Schlüssel, um neue Zielgruppen zu gewinnen.
Internationaler Markt
Innovative Konzepte und globale Expansion prägen den internationalen Gastronomiemarkt. Ketten wie Dishroom, Sexy Fish Miami, Pret a Manger, L’Osteria oder Sticks’n’Sushi etablieren sich in neuen Märkten. Selbst Ikea wagt mit einem eigenständigen Restaurant in London den Schritt in die Gastronomie. Diese Entwicklungen verdeutlichen die zunehmende Bedeutung von Kettenbündelung und den Erfolg globaler Konzepte. Kulinarische Erlebnisse werden zunehmend zu Reisezielen, wie etwa der populäre Genuss von Erdbeeren mit Schokoladensauce auf Londons Borough Market zeigt. Erlebnisgastronomie unterstreicht die Bedeutung von emotionalen Bindungen im Gastgewerbe.
Robotik verändert die Branche: Creator in San Francisco produziert vollautomatisch Burger, während ein Start-up in Dubai Drohnen für Luxuskunden einsetzt. Digitalisierung treibt Quick-Service-Restaurants zu Kioskformaten und flexibler Preisgestaltung, wie es das Restaurant Next in Chicago mit dynamischen Preismodellen vorlebt. Flexible Arbeitszeiten und Upskilling durch KI gewinnen an Bedeutung. Diese Trends fördern sowohl die Mitarbeiterzufriedenheit als auch die Effizienz und positionieren Technologie als treibende Kraft im Personalmanagement.
Service & Mitarbeiter
Die Gastronomie steht vor tiefgreifenden Veränderungen, besonders im Personal- und Servicebereich. Die traditionelle Fachkraftausbildung wird zunehmend durch interne Qualifizierungen ersetzt, bei denen erfahrene Mitarbeiter als Trainer agieren. Unterstützung kommt durch CoBots, die einfache Aufgaben übernehmen, ohne menschliche Arbeitskraft zu ersetzen. Um im Wettbewerb um Talente zu bestehen, setzt die Branche auf innovative Ansätze wie flexiblere Arbeitsmodelle (etwa 4-Tage-Woche) und stärkere Arbeitgebermarken. Besonders die Generation Z verlangt sinnstiftende Arbeit und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten. Vielfalt bleibt gelebte Praxis, doch Weiterbildung und Teamorientierung bleiben essenziell.
Küchenprozesse werden zunehmend durch Systemlösungen optimiert, die vorbereitete Zutaten nutzen und Effizienz steigern. Trotz dieser Entkopplung bleibt der Anspruch, Gastfreundschaft und Servicequalität aufrechtzuerhalten. Im Fast-Casual- und Quick-Service-Bereich wächst zudem die Erwartung an Kundenzufriedenheit und Trinkgeld – inspiriert von US-Praktiken, wo Tipps teils durch digitale Vorgaben gefördert werden.
Digitalisierung & KI
Die Gastronomie und Hotellerie erleben einen digitalen Wandel, in dem KI eine zentrale Rolle spielt. Digitale Tools und Plattformen ermöglichen eine effizientere Planung und neue Formen der Kundeninteraktion. Smartphones übernehmen Aufgaben wie Bestellungen und Zahlungen, während KI-gesteuerte Assistenten personalisierte Erfahrungen bieten. Smarte Küchengeräte und Plattformen wie Tastewise optimieren Arbeitsabläufe und Menüplanung. Dynamic Pricing passt Preise in Echtzeit an Nachfrage und Verfügbarkeit an.
Automatisierung wird durch Voice-Assistants, QR-Codes und kontaktlose Systeme vorangetrieben, während virtuelle Konzepte wie Augmented Reality und immersive Dining Experiences das Gästeerlebnis bereichern. Besonders in den USA prägen Delivery Robots und autonome Lieferdienste die neue Distribution. Trotz der Digitalisierung bleibt Kooperation entscheidend: Agiles Marketing und Influencer-Kooperationen schaffen Vertrauen und fördern Innovationen.
GV & Verkehrsgastro
Die Gemeinschaftsverpflegung steht durch den Anstieg von Homeoffice vor Herausforderungen. Weniger Mitarbeiter nutzen Kantinen, doch an Bürotagen steigen die Erwartungen an Qualität und Ambiente. Dies bietet Chancen für eine Neupositionierung, insbesondere durch Verpflegung als Teil der Arbeitgebermarke. Unternehmen wie Google und SAP übernehmen die Kosten oder kooperieren mit benachbarten Restaurants. Nachhaltigkeit und Regionalität sind gefragt, doch viele Mitarbeiter bevorzugen klassische, weniger gesunde Gerichte.
Digitale Lösungen wie QR-Code-Vorbestellungen und automatische Abrechnung setzen sich in Kantinen durch. In der Verkehrsgastronomie erleben Raststätten und Tankstellen eine Transformation, wobei Nachhaltigkeit und praktische Verpackungen zunehmend wichtig werden. Auch Mehrweggeschirr könnte künftig eine größere Rolle spielen, um den veränderten Bedürfnissen gerecht zu werden.
Reisen & Hotels
Die Reise- und Hotelbranche verändert sich durch neue Gästewünsche und einen dynamischen Markt. Eine hochwertige Gastronomie wird zunehmend als Schlüsselfaktor für Erlebnisse und Storytelling gesehen. Hoteliers entscheiden sich zwischen exzellenter Gastronomie oder minimaler Versorgung, etwa durch Automaten. Digitale Technologien wie kontaktloses Einchecken und Roboterunterstützung nehmen zu.
Erlebnisse und Lage sind die Hauptfaktoren bei der Hotelwahl. Besonders bei der Generation Z sind eine Top-Lage und eine starke Hotel-Story entscheidend. Nachhaltigkeit, grüne Hotels und lokale Küche gewinnen an Bedeutung. Luxus wird neu definiert: Lean Luxury spricht die jüngere, nachhaltigkeitsorientierte Zielgruppe an. Der Wellness-Trend boomt, vor allem im Premiumsegment mit Fokus auf Langlebigkeit. Kurztrips und nachhaltiges Reisen sind gefragt, während Städte wie Amsterdam und Venedig den Tourismus regulieren. Hotelpreise steigen, und neue Nutzungskonzepte wie Multiuse-Immobilien erweitern den Markt.
Hier der ausführliche Trendreport 2025/26 von Pierre Nierhaus