Das Luxus-Verständnis – weg von materiellen, hin zu immateriellen Werten – hat sich in der westlichen Welt verschoben. Einer, der sich seit vielen Jahren mit Luxus in Hotellerie beschäftigt und mehrere Luxusresorts über einen Zeitraum von 20 Jahren entwickelt und aufgebaut hat, ist Marc Aeberhard. Hotel Inside wollte wissen: Worin unterscheiden sich Top-End- und High-End-Luxus? Was ist „New Luxury“? Wo stehen Schweizer 5-Sterne-Hotels?
Hotel Inside-Journalist Hans R. Amrein traf Marc Aeberhard in seinem (umgebauten) Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert in der Nähe von Bern. Aeberhard und Amrein kennen sich schon seit vielen Jahren. Der Lead-Auditor, Luxushotelexperte und EHL-Absolvent ist Mitglied des «Hotel Inside Club» und verfasst für die Fachplattform Hotel Inside Fachbeiträge und Kolumnen. Das Inside-Video-Gespräch fand am 10. Januar 2025 statt:
Luxusthesen von Marc Aeberhard
- Jahrzehntelang manifestierte sich Luxus (somit auch Luxustourismus und die Luxushotellerie) in einer auffälligen Darstellung materiellen Überflusses: seien dies pompöse Autos, hallenartige Suiten oder goldbefrachtete Accessoires. Der materielle Luxus – in den 90er-Jahren zunehmend auch als „Bling Bling Luxus“ belächelt – ist heute nur noch die Grundlage des «neuen Luxus».
- Auf die Bling-Bling-Zeit folgte oder folgt jetzt eine Phase des immateriellen Luxus. Die Rede ist von „New Luxury“. Eine Luxus-Definition, die weit schwieriger fassbar ist als der alte, materielle Luxus, da „New Luxury“ auf subjektiven, emotionalen und somit immateriellen Werten aufbaut, die oft nicht materiell fassbar und schwer quantifizierbar sind.
- Zeit, Raum (hierzu gehört auch der umsystemische Raum dazu, also die Natur), Gesundheit, Sicherheit, individualisierter Service (Guest-Profiling) und Exklusivität waren und sind noch immer die raren Dimensionen, nach denen der Top-End-Reisende trachtet – und für dessen Erhalt er auch bereit ist, erhebliche Mittel einzusetzen.
- Die Top-End-Klientel ist in höchstem Masse sensibel auf public exposure und taucht daher in ein Parallel-Universum ab, in dem es unter sich ist. Ein geschlossener Kreis von auserwählten Reiseveranstaltern, Hoteliers und Gästen. Wer in den Kreis aufgenommen werden möchte, muss Zutrittshürden (Einladungen) überwinden. Die Erfassung und Beschreibung von Sicherheit und Exklusivität – in diesem Zusammenhang kann auch von „Hidden Luxury“ gesprochen werden – ist weit subtiler als alle bisher gekannten Luxusformen. Seine besondere Faszination liegt in der starken Betonung von Diskretion und Privatsphäre. So erstaunt es denn auch nicht, dass die Protagonisten im Kreise des Top-End mitunter derart medienscheu geworden sind, dass sie oft völlig unerkannt bleiben und es als besonderes Privileg erachten, selbst einfachsten Besorgungen völlig unerkannt in der Öffentlichkeit nachgehen können.
- Es ist von besonderer Bedeutung für das „New Luxury“-Verständnis, dass erst das komplette Zusammenspiel der erwähnten Dimensionen (Raum, Zeit, Service, Sicherheit, Exklusivität und Gesundheit) das Luxus-Erlebnis komplett machen – sozusagen eine holistische Luxuserfahrung.
- Wir definieren im Luxus- und Top-End-Bereich weitere Zyklen, die am immateriellen Luxusverständnis anschliessen: Hierzu gehören einerseits die Dimensionen des sensorischen Luxus und in einer weiteren, höchsten Stufe, sind Bedürfnisse nach spirituellem Luxus.
- In hedonistischen Gesellschaften des Westens rückt die egozentrierte Wahrnehmung der Umwelt immer stärker in den Mittepunkt des eigenen Seins. Kein Wunder also, dass die individualisierte Wahrnehmung und kognitive Einschätzung von Hoteldienstleistungen auch die Dimensionen des Sensorischen berühren. Neben der oft stark strapazierten oder überstrapazierten optischen und akustischen Impulse, denen der moderne Mensch in seinem Alltag in einem wahren Reize-Tsunami ausgesetzt ist, sehnt er sich nach Entspannung und Erholung.
- Während Entschleunigung bezüglich Lärms und optischen Eindrücken angesagt ist, wird die besondere Betonung der übrigen Sinne wie Haptik, Sensorik und Olfaktorik stimuliert. In diesem Kontext ist ein holistisches Gesamterlebnis eine komplett neue Luxus-Erfahrung und fordert schon hier vom Hotelier / der Hotelière Erhebliches ab, denn Hotelkonzepte mit einer Ausrichtung auf immaterielle und sensorische Luxusdimensionen sind komplett neu zu definieren.
- Die besondere Rolle des Hotels liegt nicht im Bereich des Begleiters, sondern des Facilitators; es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die ein Entrücken in die ultimativ sensiblen, aber auch enorm zarten und innigen Sphären menschlichen Seins ermöglichen. Die Philosophie spricht hier von Apotheose. Dies ist in einem hotelleristischen Kontext wohl etwas hochgegriffen, fasst aber zusammen, worin sich der fundamentale Paradigmenwechsel des herkömmlichen Luxusverständnisses manifestiert: Es geht von der Verschiebung der Vorstellung von «to have» zur individualisierten Realisierung des «to be»
- Die Tourismusbranche hat also einen Paradigmenwechsel erlebt: Das Luxusverständnis hat sich von materiellen zu immateriellen Dimensionen verschoben. Heute sind Raum und Zeit, Abgeschiedenheit und Individualität, „Sein“ statt „Haben“ relevant. Morgen geht es um „Erfahrungen“ statt um „Erlebnisse“, es geht um Spiritualität und die Reise zum eigenen Ich. Der neue Luxuskunde sucht Sinnhaftigkeit und Sinnvolles, Sinn und auch: Sinnliches. Tiefe Erfahrungen berühren alle fünf Sinne. Luxus hat die Ebene der Sensorik erreicht.
Aman Resorts: In weiten Teilen Top End-Luxus
Wer ist Marc Aeberhard?
Der am 29. Juni 1968 in Bern geborene Marc Aeberhard hat einen Abschluss als lic.rer.pol. (MBA) der Universität Bern. Er ist zudem Absolvent der Hotelfachhochschule Lausanne (EHL). Er hat über 25 Jahre Erfahrung im Bereich Hoteleröffnungen, Hotel-Management und Hotel-Sanierungen. Er wirkte u.a. in Abu Dhabi, Deutschland, Frankreich, Malediven, Marokko, Seychellen, Sri Lanka, Schweiz, Thailand, Ukraine, Zypern. Viele der Hotels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet. Marc Aeberhard ist u.a. auch Dozent an der SHL Hotelfachschule Luzern, er war Mitglied der strategischen Task Force „Luxus“ der ITB, Berlin, und ist aktuell Leadauditor bei HotellerieSuisse. Zudem ist er Autor und Co-Autor diverser Fachpublikationen.
Neue Perspektiven des Luxustourismus
Reisen bildet den Zeitgeist einer Epoche ab. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich durch weltweite Wohlstandsgewinne und den Wandel von Wertvorstellungen ein neues Konsummuster herausgebildet: der Luxustourismus in seinen neuen Ausprägungen – ein bislang wenig erforschtes Phänomen, das die Herausgeber und Autoren dieses Buchs ausführlich beschreiben und analysieren. Die Autoren sind anerkannte Wissenschaftler und renommierte Führungskräfte von Luxusanbietern. Es wird gezeigt, wie sich das Luxus-Verständnis von materiellen zu immateriellen Dimensionen verschoben hat und welche neuen Trends den Luxusmarkt in Zukunft prägen werden. CHF 57.50.
Herausgeber: Roland Conrady, David Ruetz, Marc Aeberhard
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