Das Gastgewerbe steckt weiterhin in der Krise. Der Gaststättenverband in Baden-Württemberg macht dafür auch die Politik verantwortlich. Und setzt auf die nächste Bundesregierung.
Angesichts der Krise im Gastgewerbe fordert der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) im Südwesten eine erneute Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen. “In der Gastronomie unseres Landes herrscht Alarmstufe Rot”, sagte Dehoga-Landeschef Fritz Engelhardt. Zahlreiche Betriebe hätten schon aufgegeben, andere stünden mit dem Rücken zur Wand. Für die Lage verantwortlich macht Engelhardt insbesondere die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer zu Jahresbeginn. “Wenn die nächste Bundesregierung diesen steuerpolitischen Irrweg nicht korrigiert, wird es für uns weiter abwärtsgehen.”
Dass Friedrich Merz, Spitzenkandidat der Unionsparteien, sich beim Dehoga-Branchentag in Berlin am 12. November für einen einheitlichen, reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Speisen ausgesprochen habe, stimme zuversichtlich. „Wir haben eine realistische Chance“, so Engelhardt.
Für Speisen in Restaurants oder Cafés war der Mehrwertsteuersatz während der Corona-Pandemie zur Entlastung der Branche vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Diese Ausnahmeregelung wurde wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende 2023. Seit dem Jahreswechsel gilt wieder der höhere Satz von 19 Prozent. Bei Getränken war dieser Steuersatz über die Jahre gleich geblieben.
Engelhardt zufolge schaffen es nur knapp 15 Prozent der Betriebe, die Preiserhöhungen, die aufgrund der höheren Steuer notwendig wären, am Markt durchzusetzen. Der Rest zahle darauf, streiche Investitionen, kürze Öffnungszeiten oder schließt gleich ganz. “Es war eine Entscheidung gegen alle guten Argumente, gegen unsere eindringlichen Warnungen und gegen jede ökonomische Vernunft. Und jetzt treten die Schäden, die wir vorausgesagt hatten, in voller Härte ein”, sagte er.
Dehoga-Landeschef sieht Abwärtsspirale
Angesichts von Krisen und Inflation sparen viele Menschen im Südwesten, statt ausgiebig zu konsumieren oder Essen zu gehen. Darunter leidet das Gastgewerbe: In den ersten neun Monaten des Jahres ist der Umsatz in der gesamten Branche nach Daten des Statistischen Landesamtes real – also um höhere Preise bereinigt – um 4,5 Prozent gesunken. Für die Hotellerie wies die Statistik ein Minus von 2,5 Prozent aus, für die Gastro minus 5,7 Prozent.
“Besonders beunruhigend ist, dass sich die Entwicklung im Jahresverlauf nicht verbessert, sondern immer weiter verschlechtert hat”, sagte Engelhardt beim Landesdelegiertentag in Stuttgart. Er sehe eine Abwärtsspirale: In der klassischen Speisegastronomie – dazu gehören Restaurants, Gaststätten, Cafés, Imbisse und Eisdielen – lag das Umsatzminus im Mai im Vergleich zum Vorjahresmonat bei 8,2 Prozent. Im September bei 13,3 Prozent. Seit 2019 hätten im Südwesten fast 4.000 Betriebe aufgegeben, viele davon im ländlichen Raum.
Mehrwertsteuer nicht das einzige Problem
Handlungsbedarf sieht der Dehoga-Landeschef aber auch bei der Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes und beim Bürokratieabbau. „Wir brauchen Aufbruchsstimmung in diesem Land, keine neuen Lasten und keine Regulierungen, die über den EU-Standard hinausgehen.“
Eine klare Absage erteilte der Verbandsvorsitzende der Forderung nach einer Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro. Statt „Mindestlohn-Populismus“ zu betreiben, solle sich die Politik um die Senkung der Lohn-Nebenkosten bemühen.
„Weniger Arbeitskosten für Arbeitgeber und mehr Nettoeinkommen für Arbeitnehmer“, müsse das Ziel sein. Denn, so Engelhardt: „Leistung muss sich lohnen, wenn Deutschland wirtschaftlich wieder erfolgreich sein will.“ In dieser Hinsicht sei auch das Bürgergeld in seiner aktuellen Form ein Irrweg, denn es nehme Anreize zu arbeiten. „Das sollte die künftige Bundesregierung korrigieren“, unterstrich Engelhardt.
Gastredner Manuel Hagel, CDU-Vorsitzender in Baden-Württemberg, betonte in seiner Antwort auf Engelhardt nicht nur seine Unterstützung für die Forderung nach einer reduzierten Mehrwertsteuer für die Gastronomie “aus voller Überzeugung”, sondern signalisierte auch bei weiteren Themen Solidarität mit den Anliegen des Gastgewerbes. Konkret forderte er die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes und die Einführung einer Wochenarbeitszeit sowie eine Reform des Bürgergeldes. dpa/sar