Als Business-Messe für unabhängige Hotels fand die erste Independent Hotel Show Munich (IHSM) statt. Mit einem Mix aus Inspiration und Know-how will sich das Format nun in Deutschland etablieren.
Unabhängigen Hoteliers aus dem Luxus- und Boutique-Segment ein Forum bieten: Dieses Ziel stand im Mittelpunkt der ersten Independent Hotel Show Munich vergangene Woche (20. und 21. November) im MOC München. „Es geht um Boutique-Feeling, visionäre Macher und Deep Dives sowie die Würdigung unabhängiger Hoteliers mit unserem Award“, so Mieke Berkers, Director European Business Development beim Veranstalter Montgomery Group. Der Eintritt für Hoteliers war kostenfrei, es bedurfte vorab lediglich einer Anmeldung.
Rund 200 Aussteller boten an zwei Messetagen einen bunten Mix aus digitalen Lösungen und Design-Inspiration. Dazu gab es auf drei Bühnen Programm: Die Hotel Vision Stage als Hauptbühne präsentierte Branchenexperten und visionäre Macher. Der Social Business Space verhandelte Eigentümer-spezifische Themen, ganz gleich ob ESG- oder Markenstrategie, und die Hotel Solutions Stage gab sich Technologie getrieben – von Online-Marketing bis KI-Panel.
STR-Update zur Hotel-Performance
Ein Hotel-Performance-Update des Hotelmarkts lieferte Can Erdem, Account Manager DACH bei STR, der auf der Hotel Vision Stage die Nachfrage- und Ratenentwicklung beleuchtete. Demnach habe sich die globale Nachfrage seit dem Ende der Corona-Pandemie wieder erholt. Im internationalen Vergleich wies Europa in diesem Jahr gar die höchste Auslastung (70 %) auf, Tendenz weiter steigend (Stand September). Auch die Tages-Durchschnittsrate (ADR) steigt weiter: Europa rangiert hier mit 164 USD an zweiter Stelle nach Zentralamerika (173 USD).
Was eine Rückkehr zu den Auslastungszahlen von 2019 angeht, liegen Irland, United Kingdom und Südeuropa – hier insbesondere Italien, Spanien und Griechenland – vorn. Zentraleuropa mitsamt Deutschland tue sich dagegen noch etwas schwer, so Erdem. Deutschland verzeichnet dennoch ein Wachstum von 3 Prozent. Darüber hinaus zeigt die ADR-Entwicklung in Europa regionale Unterschiede: Südeuropa ist besser aufgestellt als der Norden. Gleichwohl befände sich die ADR schon länger über dem Niveau von 2019. „Eine gute Nachricht fürs Geschäft: Die Preise liegen über 100 Euro und sind deutschlandweit gestiegen – dank eines starken Sommers mit Fußball-Europameisterschaft und vielen Mega-Konzerten“, so Erdem.
Deutsche Hotels setzen Aufholjagd fort
In Deutschland führt Hamburg die Aufholjagd auf das Niveau von 2019 an. Mit 77 Prozent weist die Hansestadt die höchste Auslastung auf, gefolgt von Berlin (73 %) und Köln (70 %). Obwohl fast alle Märkte weiter an Schwung gewinnen, halten sich alle über der 100-Euro-Schwelle. München ist mit 154 Euro am teuersten, Mannheim mit 100 Euro am günstigsten. Spitzenreiter beim ADR-Wachstum sind Leipzig (+10%) und Stuttgart (+12%). Das spiegelt sich deutschlandweit auch in beachtlichen RevPar-Zuwächsen wider. Allein der Juni wies ein Plus von 16 Prozent auf.
Nicht zuletzt habe München mit einem RevPar-Plus von 70 Prozent einen Rekordsommer erlebt, so Erdem. Dafür sind nicht zuletzt diverse Events (EM) und Konzerte (Adele) verantwortlich. Von der EM profitierten darüber hinaus auch kleinere Märkte wie Düsseldorf (+30 %), Leipzig (+27 %) und Stuttgart (+14%) bei der Auslastung. Die Durchschnittsrate trieb hier die Performance.
Welche weitere Entwicklung zeichnet sich ab? „Mit rund 30.000 Zimmern im Bau weist Deutschland die zweitgrößte aktive Hotel-Pipeline Europas auf“, so Erdem. Das stärkste Angebotswachstum werde dabei für Hamburg und Leipzig erwartet. Darüber bestimmen einige im nächsten Jahr stattfindende Messen und Konzerte die Buchungslage bereits jetzt positiv, darunter Bau und Bauma in München, die Ambiente in Frankfurt und die Anime- und Manga-Convention DoKomi in Düsseldorf sowie Ed Sheeran-Konzerte und der Schlagermove in Hamburg.
STR-Update: Wichtigste Erkenntnisse
- 2024: Auslastungswerte unter 2019, ADR-Rekord hoch
- Starkes RevPar-Wachstum durch Mega-Events und Konzerte in Europa
- 2025: Deutliche Preissensibilität auf Marktebene, verstärkt durch Event-Offsets, Veränderung des Business-Mix und moderates Auslastungs-Wachstumspotenzial
„Quick wins“ und mehr Fokus
Nachhaltigkeit als Chance und nicht als Bürde sehen – das war Tenor des ESG-Panels „Klimafitte Hotels für Morgen“ im Social Business Space am ersten Messetag, kompetent besetzt mit Gesa Rohwedder von Drees & Sommer, Michaela Reitterer, Inhaberin vom Biohotel Stadthalle in Wien, CSR-Chef Simon Tamm von B&B Hotels und Moderatorin Xenia zu Hohenlohe von der The Sustainable Markets Initiative & Considerate Group.
„Unsere Branche lebt von Natur, also müssen wir uns auch um sie kümmern“, forderte Gesa Rohwedder, die seit 2014 als Head of Hospitality Europe bei Drees & Sommer tätig ist. „Wir sollten endlich aufhören, die Städte zu versiegeln und lernen, zu renaturieren!“ Die jüngsten Ereignisse in Spanien hätten gezeigt, wie dramatisch die Lage sei. Beim Immobilienkauf müssten Hoteliers künftig genauer hinschauen, wie die Gegebenheiten rund um das Gebäude seien – Stichwort: Hochwasser- oder Starkregen-Gefahr. Dass Eile geboten ist, da waren sich die Referenten einig: „Wir müssen uns jetzt auf den Weg machen. Nicht nur wegen der Berichterstattungspflicht ab 2026, sondern auch, weil wir sonst out of business sind“, so Rohwedder. „Fakt ist: Das Thema ESG wird nie mehr verschwinden. Aber es bringt uns viel Gutes.“
Auch Michaela Reitterer appellierte an die Zuhörer, einfach loszulegen: „Setzt euch im Team zusammen und denkt darüber nach, mit welchen ‚quick wins‘ ihr anfangen könnt. Wo ist der Impact am Größten? Was machen wir bereits alles in puncto Nachhaltigkeit? Holt vor den Vorhang, was ihr bereits umsetzt. Eure Gäste und Mitarbeiter wollen das wissen!“ Die Hotelchefin, die 2013 bis 2022 Präsidentin des Österreichischen Hoteliervereinigung war, gilt als Bio-Vorreiterin und begann schon vor 23 Jahren, ihr Unternehmen nachhaltig auszurichten. Das käme nicht nur bei Gästen gut an, sondern auch bei Mitarbeitern. Probleme, Stellen zu besetzen, habe sie nicht – „wir bekommen fast ausschließlich Initiativbewerbungen.“
Kleine Schritte statt Sieben-Meilen-Stiefel
Bei B&B habe die Zertifizierungsrunde sehr gut geholfen, beim Thema ESG voranzukommen. Allerdings gebe es momentan zu viele Labels, die der Gast nicht kennt und die „auch nichts taugen“, so Simon Tamm. Wichtig sei es, alle Mitarbeiter von Anfang an ins Boot zu holen – dann entstehe auch „eine intrinsische Motivation, an dem wichtigen Thema Umweltschutz zu arbeiten“. Bei B&B gibt es bereits einen sogenannten CSR-Day, an welchem Bäume gepflanzt, Bienenhotels aufgestellt oder Boxen für Obdachlose zusammengestellt werden. Tamm weiter: „Bei uns kommen viele Ideen aus dem Team, wir lassen die Mitarbeiter einfach mal machen – das motiviert mehr als alles andere.“
Auch Michaela Reitterer lässt ihrem Team freie Hand. Wenn Mitarbeiter auf eigene Faust vegane Kuchenrezepte oder Aufstriche kreierten und diese später stolz auf Instagram posten, sei das effizienter als jedes Mitarbeiter-Bindungsprogramm. „Seid mutig, traut euch was! Das ist schließlich das Gute, dass wir als Privathotels alles selbst entscheiden dürfen!“ Dennoch rät die Hotelchefin, nur Dinge umzusetzen, die einen auch selbst begeisterten – und sie rät: „Beginnt in kleinen Schritten – zieht Euch nicht gleich die Sieben-Meilen-Stiefel an.“
Boutique trifft Kette
Unter dem Titel „Die Macht von Boutique: Warum große Ketten Nischenmärkte erobern“ stand ein Panel auf der Hotel Vision Stage mit Ronald Hoogerbrugge, General Manager im künftigen Kimpton Frankfurt, Julia Rübsamen, Hoteleigentümerin aus Nürnberg, und Pauline Verhoef, Managing Director bei Quality Lodgings, moderiert von Friedrich Niemann, Managing Director MCH und Gewinner des „Independent Hotel Leader of the Year“-Awards.
„Boutique ist mehr als nur ein Buzzword oder ein Trend, sondern der Schlüssel zu Gastfreundschaft. Boutique steht für einen sehr persönlichen Hotelstil, für Charakter statt Einheitsbrei“, hob Ronald Hoogerbrugge hervor, der momentan das Deutschland-Debüt der IHG-Boutiquemarke Kimpton Hotels & Restaurants vorbereitet. Aus Sicht der Ketten ist für ihn klar: „Ketten können genauso gut Boutique wie Individualhotels.“ Das künftige Kimpton Frankfurt mit seinen 155 Zimmern werde die Stärke eines urbanen Players mit der Individualität von Boutique verbinden. Dies leicht aussehen zu lassen, sei die Herausforderung, so Hoogerbrugge.
„Ohne Marke würde ich mich heute nicht trauen, ein großes Hotel zu eröffnen“, brachte Julia Rübsamen, Managing Director von Sheraton, Holiday Inn, Novotel und Best Western in Nürnberg, ihre Owner-Operator-Perspektive ein. Ihrer Erfahrung nach sei es den Banken in diesen unwägbaren Zeiten wichtig, dass sich Hotels Ketten anschlössen. „Doch kommen kleine Betreiber in großen Ketten unter? Und sind die Ketten wiederum bereit, dafür auch mal von Ihren Standards und Anforderungen, etwa beim Design, abzuweichen?“, gab Rübsamen als Fragen in die Runde, ebenso wie die Feststellung: „Die klassischen Renovierungszyklen einer Kette würden uns beispielsweise momentan wirtschaftlich klar überfordern.“
Die Zeit zum Verhandeln ist jetzt
Damit kleinere Hoteliers in Ketten unabhängig bleiben können, dürfe es nicht so viele Vorgaben geben, unterstrich auch Pauline Verhoef von Quality Lodgings als Vereinigung individueller Hotels. Als Vorteile von Ketten sieht sie zugleich Punkte wie „Connection, Marketingpower und Community“. Und weiter: „Für uns ist es interessant den Boutique-Markt zu erreichen“, so Verhof. „Ein Win-win für beide Seiten.“
“Alle wollen wachsen und sind auf der Suche nach einzigartigen Hotels, um ihr Portfolio zu erweitern.”
Julia Rübsamen, Hoteleigentümerin aus Nürnberg
Für Eigentümer von individuellen Hotels sei es momentan der perfekte Zeitpunkt mit den Großen zu verhandeln, lautete denn auch das Fazit von Julia Rübsamen. „Alle wollen wachsen und sind auf der Suche nach einzigartigen Hotels, um ihr Portfolio zu erweitern“, so die Hotelchefin. „Wem alles über den Kopf wächst und wer mit seinem Hotel nicht so performt, wie er es sich wünscht, für den ist es Zeit, sich einer Kette anzuschließen. Wir sind damit gewachsen und profitieren zugleich von vielen Benefits, die uns das Leben leichter machen.“
Nicht ohne intelligente Vernetzung
Eine technische Sichtweise auf das Thema Nachhaltigkeit bot wiederum der Vortrag „Energiemanagement für einen nachhaltigen Hotelbetrieb“ von Christian Peter, Gründer des Hotelkompetenzzentrums in München Oberschleißheim. Mit Fixkosten von bis zu 60 Prozent sind Hotels seiner Meinung nach prädestiniert für intelligente Gebäudetechnik und Energiemanagementsysteme. Gleichzeitig gelte es, eine belastbare CO2-Bilanz zu erstellen, Reporting-Pflichten nachzukommen und die Regelungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zu erfüllen. Peter ist überzeugt, dass ein nachhaltiger Hotelbetrieb nur durch eine intelligente Vernetzung der einzelnen Bereiche zu erreichen sei. „Und da es bis zu 30 verschiedene Bereiche im Hotel gibt, die energetisch betrachtet werden müssen, ist das eine äußerst komplexe Angelegenheit“, sagte er.
Hilfreich sei es zudem, bereits früh in der Bauphase mit Planern und Architekten zu sprechen und sich über die Gleichzeitigkeit der Bereiche und einer möglichen Standardisierung Gedanken zu machen. Zudem könnten Hoteliers im Hotelkompetenzzentrum, das Peter selbst als eine „Gebäudespielwiese“ bezeichnet, die Möglichkeiten von vernetzter Gebäudeautomation „live“ erleben und sich für den eigenen Betrieb inspirieren lassen.
Drei Awards und Terminvorschau 2025
Mit dem ersten Aufschlag der Independent Hotel Show in Deutschland ging auch eine neue Award-Verleihung einher. Zum Abschluss des ersten Messetages wurden am 20. November die Sieger in drei Kategorien gewürdigt. Nicht zuletzt steht der Termin für die nächste Independent Hotel Show Munich bereits fest: Sie wird am 29. und 30. Oktober 2025 stattfinden. brg/nz