Politisches Großaufgebot beim Dehoga Branchentag in Berlin: Spitzenpolitiker Merz, Kubicki, Özdemir und Dobrindt sprechen sich für einheitliche Besteuerung von Essen mit sieben Prozent aus. Dehoga-Präsident Zöllick fordert Politikwechsel.
Auf dem Dehoga Branchentag am Dienstag in Berlin hat Guido Zöllick, der gerade wiedergewählte Präsident des Dehoga Bundesverbands, erneut eine konsequente Neuausrichtung der Politik gefordert. Dringend notwendig sei eine Politik, „die die Wirtschaft stärkt und für Aufbruchstimmung im Land sorgt“, so Zöllick. „Wir brauchen eine Politik, die Unternehmertum wertschätzt und fördert sowie Lust auf Selbstständigkeit macht.“ Zöllick verlangte fairen Wettbewerb durch die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants, mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit und weniger Bürokratie. Die Spitzenpolitiker Friedrich Merz, Wolfgang Kubicki, Cem Özdemir und Alexander Dobrindt stellten sich in ihren Reden bei der Dehoga-Veranstaltung demonstrativ an die Seite des Gastgewerbes und unterstützten vor 650 Gastgebern aus ganz Deutschland die zentrale Branchenforderung zur einheitlichen Besteuerung von Essen mit sieben Prozent.
Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft erhöhen
Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU Deutschlands und Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, möchte Nahrungsmittel einheitlich mit dem ermäßigten Steuersatz belegen, egal wie sie zubereitet oder eingenommen werden. Es müssten zudem Entscheidungen gegen die Überregulierung des Arbeitsmarktes getroffen werden. Merz sprach sich hier für die Einführung einer Wochenarbeitszeit im Sinne der EU-Richtlinie aus. Zudem forderte er, dass die hohen Kosten für Energie gesenkt werden müssten. Dafür sollten die Netzentgelte halbiert werden. Merz plädierte dafür, Unternehmensgewinne zukünftig nur noch mit 25 Prozent zu versteuern. Eine neue Regierung müsse alles tun, um so schnell wie möglich „die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft zu erhöhen“, sagte der CDU-Kanzlerkandidat.
Wolfgang Kubicki, der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP und Vizepräsident des Deutschen Bundestages, der als Vertretung für FDP-Chef Christian Lindner kam, betonte, dass die Branche bewiesen habe, was sie könne. Man müsse mit Vernunft an politische Herausforderungen herangehen, nicht mit Ideologie, sagte Kubicki, und versprach, sich für die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie einzusetzen: „Sie können sich sicher sein, dass ich mit aller Kraft für die sieben Prozent kämpfen werde.“ Auch flexiblere Arbeitszeiten und die Wochenarbeitszeit fanden seine Zustimmung. Mit deutlicher Kritik an bürokratischen Hindernissen rief Kubicki unter dem Beifall der Hoteliers und Gastronomen: „Wir sind freie Menschen in einem freien Land“. Einem gesetzlichen Mindestlohn erteilte Kubicki eine Absage.
Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft und Bundesminister für Bildung und Forschung, hielt beim Branchentag auch ein „Plädoyer für den Stammtisch“. Gaststätten seien viel mehr als Orte der Bedürfnisbefriedigung. Sie seien die Seele des Dorfes, des Viertels, des Austausches und des Miteinanders. Man könne Seminare gegen Einsamkeit fördern, oder man könne Gaststätten und Hotels fördern. Özdemir sprach sich ferner gegen einen Überbietungswettbewerb beim Mindestlohn aus und stellte sich an die Seite der Gastronomen, als es um die Frage nach der Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie ging.
Gastgewerbe als eine Schlüsselbranche
Wolfgang Schmidt, Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, erläuterte die Regierungspolitik der letzten Jahre. Er dankte der Branche, die er als „Attraktivitätsanker“ bezeichnete, für ihr vielfältiges Engagement, insbesondere im Bereich der Ausbildung. Schmidt erinnerte an die Corona-Zeit, als er Staatssekretär im Finanzministerium war, und dankte ausdrücklich den Betrieben und dem Dehoga.
Alexander Dobrindt, Erster Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, betitelte das Gastgewerbe als eine Schlüsselbranche. Denn sie sorge dafür, dass sich die Tafeln der gesellschaftlichen Wohnzimmer immer wieder füllen würden. Dobrindt forderte, dass diejenigen, die etwas aufbauen und das Land wieder stärker machen wollen, mehr gestützt würden. Im Programm seiner Partei werde stehen „Arbeiten wird sich wieder lohnen“. Zudem betonte er: „Die sieben Prozent Mehrwertsteuer – wir stellen sie wieder her!“ Dobrindt sprach sich auch ausdrücklich für mehr Flexibilität mit der Wochenarbeitszeit aus.
Ruf aus den Betrieben nach mehr Netto vom Brutto
Was muss sich ändern, damit Familienunternehmer eine erfolgreiche Zukunft haben? Diese Frage diskutierte energisch eine Runde aus den Politikerinnen Gitta Connemann, Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), und Lena Werner, Stellvertretende Tourismuspolitische Sprecherin der SPD, sowie Theresa Albrecht, Gastwirtin und Inhaberin Hotel zur Post Rohrdorf, Fritz Keller, Weingut Franz Keller, Winzer, Gastronom und ehemaliger Präsident des DFB, sowie Andreas Deimann, Geschäftsführender Gesellschafter Hotel Deimann. Einig waren sich die Talkgäste darüber, dass die Anliegen der Wirtschaft gehört werden müssten, da ein starkes wirtschaftliches Umfeld Grundpfeiler unseres Wohlstands sei. Dazu gehöre auch, dass alle Mitarbeiter am Ende mehr Netto vom Brutto behielten.
Gastronomie als Kit der Gesellschaft
Dieter Janecek, Koordinator der Bundesregierung für die Maritime Wirtschaft und Tourismus, sicherte in seiner Rede der Branche seine Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu. Er versprach, in krisengeschüttelter Zeit die Sorgen der Unternehmer ernst zu nehmen und mit Blick auf aktuelle Entwicklungen beispielsweise im Bereich Digitalisierung auf gute Rahmenbedingungen hinzuwirken.
Die große gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung von Gastronomie und Hotellerie stellten die Wissenschaftler Professorin Jutta Allmendinger, Honorarprofessorin im Fach Soziologie an der Freien Universität Berlin, Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), und Professor Justus Haucap, Direktor, Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE), in ihren Vorträgen heraus. Allemendinger: „Die Gastronomie als Ort sozialen Austauschs ist wichtiger denn je angesichts der Tendenzen unserer Gesellschaft.“ Sie gelte es mehr zu fördern, denn die Folgekosten seinen höher, wenn das nicht geschähe. Justus Haucamp verwies darauf, dass sich Deutschland ökonomisch in schwerem Fahrwasser befinde und das es erhebliche Reformen bräuchte, um hier gegenzusteuern. Einen positiven Impuls könnte eine dauerhafte Reduktion der Mehrwertsteuer bewirken, darüber hinaus sei eine „Renaissance“ der Angebotspolitik“ notwendig.
Weitere Impulse zur Branchenpolitik gab es darüber hinaus von den Mitgliedern im Dehoga-Initiativkreis Gastgewerbe Steffen Greubel, Chief Executive Officer Metro AG, Thorsten Fischer, Gründer und CEO Flyeralarm, und Peter Hack, Vorstandsvorsitzender Hack AG. red/brg