“Das Leben eines Revenue Managers mit und ohne Revenue Management System“
(1994)
Ich arbeite am Empfang und darf mich erst einmal mit jeder Menge manueller Arbeit rumschlagen: tägliches Aufbuchen von Frühstücken, Minibar, Telefon, PayTV, Garage und F&B Belege. Die Hotelgruppe zu der wir gehören hat ein satellitengestütztes Reservierungssystem – 2 x täglich werden Daten zwischen dem Reservierungssystem und dem Hotelsystem ausgetauscht. Heisst «Push & pull», keine Ahnung wie das funktioniert aber ist schon klasse. Die meisten Kollegen in anderen Hotels hier haben das nicht. Kann man das für Minibar, Telefon und so, nicht auch haben? Über das Reservierungssystem erhalten wir Buchungen, die aus GDS (bitte nicht fragen was das ist) und Callcentern stammen, deshalb ist es wichtig, was über unser Haus in der Brochure der Hotelkette steht. Dazu haben wir noch HRS und FAO, die einen festen Preis haben und denen wir ab und zu Sperrlisten faxen müssen – wenn ich das verpasse kommen uns im letzten Moment noch Überbuchungen rein…ärgerlich. Zu den Wochenenden sind wir auch bei Veranstaltern mit festen Preisen und Zimmerkontingenten gelistet. Es ist oft ein Theater, wenn ich die Kontingente schließen will. Das meiste Geschäft machen wir telefonisch, zu jeder Reservierung wird dabei erst mal eine handschriftliche Notiz geschrieben, und dann später ins PMS eingegeben. Bei telefonischen Anfragen eine Kreditkarte zur Garantie abzufragen, oder eine Bestätigung der Kostenübernahme der Firma per Fax, wird oft als persönlicher Angriff gewertet. Der ganze Schriftverkehr zu jeder Anreise wird gesammelt und abgelegt (wenn ich damit zu lange warte dauert das schon mal Stunden) – gibt bei unseren 118 Zimmern einen Ordner voll pro Tag. Zum Glück haben wir kein Telex mehr….
Unsere Preise sind Rack, Corporate, Preferred Corporate, WE, Firmenraten und Packages. In Feriendestinationen soll es saisonabhängige Raten geben. Die Quellen bei der Preisgestaltung sind Veranstaltungs-/Messekalender, Schulferien und Feiertage, die eigenen Hoteldaten (Buchungslage) und Bauchgefühl. Ab und zu rufe ich Kollegen an in anderen Hotels was bei ihnen los ist, oder schau mal bei denen auf der Veranstaltungstafel in der Lobby.
Wir verkaufen «first come first serve», ich habe aber das Gefühl das ist nicht gut, irgendwie lassen wir oft Umsatz liegen. Ich habe von einer Stellenbeschreibung «Revenue Manager» bei Airlines gelesen – keine Ahnung, was das genau sein soll aber vielleicht hat das damit zu tun welches Geschäft man wann reinnimmt. Letztens gab es einen Wettbewerb bei den Verkäufern – pro verkaufter Roomnight 1 DM Bonus – klar haben die uns mit Bussen vollgestopft. Mit so einem Revenue Manager wäre das vielleicht nicht passiert.
Mein Job ist derzeit, dass nichts verloren geht beim manuellen Übertragen, und der Gast alles bezahlt was er in Anspruch genommen hat (besonders PayTV und Minibar). Die Verantwortung teile ich mit den Kollegen in der Resa und am FO, ab und zu reicht Sales mal einen neuen Vertrag rein.
(2004)
Ich bin Revenue Manager für unser Haus. Meistens beginne ich morgens mit dem Überprüfen und Übertragen von Daten, schau mir unseren Pickup an und unsere Preise für die nächsten 2 Wochen. Einmal wöchentlich prüfen wir den nächsten Monat, einmal pro Monat das nächste Jahr. Wenn mir etwas komisch vorkommt, geht die Detailarbeit los – oft stellt sich dann raus, dass Daten/Reservierungen falsch eingegeben wurden. Wie kann ich Kollegen überzeugen, dass Sourcecode, Channel, und Segment wichtig sind – und nicht irgendwas eingegeben wird und die Daten dann wenig zu gebrauchen sind? Auch immer wieder schön: Diskussionen mit Kollegen wann genau eine Gruppe «optional», «tentativ», und «definitiv» ist, wann Verfügbarkeit geblockt wird und ob das mit der Konfiguration im PMS übereinstimmt. Besonders wenn sie von anderen Hotels kommen – es wird überall ein wenig anders gehandhabt….
Revenue Management ist angekommen bei den Hotels, wobei das grundsätzliche Konzept zwar klar ist, aber unterschiedlich umgesetzt wird. Es ist viel Halbwissen da, und viel wird mit Excel gearbeitet. Die Preise sind dynamisch, und manchmal gibt es einen Wettbewerb wer häufiger die Preise anpasst. 09/11 hat das Geschäft verändert, insbesondere weil danach die Buchungsportale mit ihrem Nettopreismodell aufkamen. Die Verkaufspreise sind kaum zu kontrollieren, und der RM wird ja dafür verantwortlich gemacht. Das Prinzip «Ratenparität» von den grossen Ketten klingt gut, gleiche Verkaufspreise auf allen Kanälen – wie bekomme ich das intern durch- und umgesetzt, und dann überwacht? Rateshopper helfen, aber eigentlich wollte ich damit ja die Mitbewerber überwachen.
Viele Buchungskanäle pflegen wir über Extranets, das klappt gut aber ist viel Arbeit. GDS soll es bald nicht mehr geben. Neue Kanäle an Reservierungssysteme anbinden ist aufwändig und teuer. Wir hatten eine Anfrage aus Amsterdam für einen neuen Kanal – bookings.nl oder so – der holländische Markt ist für uns nicht so wichtig, ich hab’ sie weggeschickt.
Viele RM kommen aus der Reservierung, und haben daher einen eher operativen Fokus. Ich denke die meisten bekommen den Job weil sie die ganzen Systeme kennen. Forecasten pro Segment ist viel Learning by Doing. Es entsteht das Bild, dass Revenue Manager die ganze Zeit hinter dem Bildschirm sitzen und Zahlen schieben. Auch die Hierarchie ist noch nicht klar – muss ich als RM an den FOM berichten oder an den DOS? Ich sehe mich selbst bei allen Abteilungen, und finde ich sollte an den GM direkt rapportieren, mal sehen ob das besser klappt….
Revenue Management Software gibt es bereits, die ersten Versionen sind teuer, und müssen im Haus auf einem Server installiert werden. Das Misstrauen ist gross gegenüber den Analysen aus einer Blackbox, sie sind auch kaum nachzuvollziehen. Und variable Kosten plus 1 als Minimumpreis festzulegen ist recht radikal – ist es gut, wenn unser Produkt sich nur noch über den Preis definiert? Ich glaube es ist besser zuerst RM Strukturen und Denkweisen zu etablieren, was Zeit braucht, und erst danach ein RMS einzusetzen. Wir haben da noch einen Weg zu gehen…
(2014)
Heute mal wieder ein klassischer Tag als Revenue Manager. Die Zwei-Wege-Integrationen laufen inzwischen recht gut, obwohl sie teuer sind. Aber ohne sie geht’s halt nicht mehr, und viele der Diskussionen mit Kollegen über Datenqualität sind dadurch gelöst. Viele der Systeme laufen mittlerweile online “in der Cloud”. Dank dem SAAS-Modell brauchen wir wenigstens keine Server mehr im Haus, die ausgerechnet dann abschmieren, wenn alles ruhig laufen sollte. Die Cloud nimmt uns viel Arbeit ab – solange sie nicht auch mal einen Wolkenbruch hat, läuft das gut.
Ein kleines Highlight: Unsere Website bringt endlich ordentlich Buchungen. Mit Suchmaschinenmarketing sind wir gut aufgestellt, auch wenn Google dafür kräftig abkassiert. Das neue Spiel heißt “gefunden werden und konvertieren” Hauptsache, die Gäste kommen, auf der anderen Seite muss man schon recht viel Zeit und Geld in die eigene Webseite aufwenden. Wir können hier auch Raten nur für Mitglieder aufsetzen, das eröffnet uns ganz neue Pricing Möglichkeiten.
Der RMS-Autopilot macht auch Fortschritte. Meistens trifft er die richtigen Entscheidungen, aber manchmal frage ich mich, ob er eigene Ideen hat. Und dann gibt’s natürlich die spannenden Diskussionen mit Sales und Marketing, wenn die Preise plötzlich einen eigenen Kopf entwickeln. Aber es wird – zumindest weiß ich jetzt, warum der Autopilot manchmal abhebt. Muss es ab und zu den Anderen erklären, so dass das System nicht einfach überschrieben oder sogar abgestellt wird. Immerhin habe ich mit den guten Preis Empfehlungen mehr Zeit an meiner Strategie zu arbeiten – das ist Klasse.
Kosten? Ja, die schauen wir uns mittlerweile ganz genau an – Cost per Booking und pro Kanal.Ein Kollege meint “Alles was ein Preisschild hat, gehört zu meiner Verantwortung” – ich finde das triffts. Ab und zu will uns jemand zu “Profitmanagern” umbenennen, was von der Aufgabe her auch stimmt. Wert lege ich nicht darauf. Die Korrelation zwischen Preis und Kundenzufriedenheit ist auch ein heißes Thema, daher haben die Gästebewertungen Seiten immer mehr Bedeutung. Das Gleichgewicht zu finden, ist eine Kunst, aber wir kommen der Sache näher.
Forecast Accuracy wird jetzt ständig gemessen und bewertet.Ich muss sagen, wir werden immer besser. Im Commercial Management haben wir jetzt einen richtig guten Flow – Sales, Marketing und Revenue Management arbeiten wie ein eingespieltes Team zusammen.
Und die Segmentierung? Da geht’s richtig ab. Mit Personas zu arbeiten macht richtig Spaß, weil wir endlich genauer wissen, wer da vor uns steht. Alles wird personalisierter, und das merkt man an den Ergebnissen.
Insgesamt hat sich mein Job echt weiterentwickelt. Früher war es nur Zahlen schieben, jetzt spielen wir auf einer ganz anderen Ebene. Revenue Management ist heute strategischer als je zuvor – und das macht es so spannend! “Der Nerd, der im Keller vor dem Bildschirm sitzt und Zahlen schaufelt” – so sieht uns heute kaum noch jemand. Empathische Leader sind gefragt: Viele Meetings, Absprachen und Überzeugungsarbeit, das meiste findet heute zwischenmenschlich statt.
(2024)
Revenue Management fühlt sich im Vergleich zu früher an, als würde man ein Hightech-Flugzeug Cockpit steuern. Alles ist automatisiert, KI entscheidet mit, und doch braucht es immer noch das menschliche Feingefühl. Allerdings ist noch nicht immer ersichtlich, welche Form von KI genutzt wird, von “Deep Learning” bis zur Künstlichen Intelligenz. Auf jeden Fall hat die Technologie einen großen Sprung gemacht in den letzten Jahren. Außerdem können wir jetzt auf Knopfdruck Real-Time Pricing einsetzen und haben Cloud-basierte Tools, die uns sofort mit den nötigen Daten versorgen – alles online und gut über Tokens gesichert.
“Open API” macht die Integration von verschiedenen Quellen zum Kinderspiel. Wir haben jetzt alle Systeme unter einem Dach, von Buchungen über Marktanalysen bis hin zu Gästefeedback. Der volle Autopilot nimmt uns jede Menge Arbeit ab, und ich glaube, wir sind nicht weit davon entfernt, dass ein Revenue Manager locker 10 Hotels parallel betreuen kann. Aber, ehrlich gesagt, ist es schon jetzt eine Herausforderung, alles im Blick zu behalten.
Dafür ist es mittlerweile nicht mehr ungewöhnlich, Revenue Management als Dienstleistung von einer spezialisierten Agentur zu nutzen. Das ermöglicht es jedem Betrieb, sich das mittlerweile anspruchsvolle Know-How ins Haus zu holen
Im Commercial Management hat sich auch viel getan – früher ging es nur um Umsatz pro Zimmer, jetzt reden wir über Revenue per Square Meter. Ich meine, das macht ja auch Sinn, wenn man jedes Detail des Hotelbetriebs maximieren will. Auch sind die PMS Systeme mittlerweile in der Lage, diese Plätze abzubilden und dynamisch zu bepreisen. Dazu kommt die Automatisierung von Schnittstellen, die uns viel manuelle Arbeit erspart. Es läuft einfach.
Was ich besonders spannend finde, sind die Bots, die jetzt Reservierungen annehmen. Wir haben sie so programmiert, dass sie wie echte Mitarbeiter wirken – fast schon gruselig, wie gut das funktioniert. Und dann noch das Thema Nachhaltigkeit: Es ist längst nicht mehr nur ein Schlagwort, sondern fest in unsere Revenue-Strategien integriert. Es geht darum, profitabel zu sein, ohne die Umwelt zu vergessen.
Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten als Revenue Manager sind definitiv größer geworden. Es ist nicht mehr nur ein Job, bei dem man Zahlen jongliert – es ist eine strategische Rolle, die den gesamten Geschäftserfolg beeinflusst. Mit all den neuen Tools und Technologien fühlt sich 2024 ein bisschen wie die Zukunft an, die wir uns vor Jahren immer vorgestellt haben.