Zum dritten Mal hatte Quality Reservations zum Branchentalk “Redebedarf” geladen. Im Mittelpunkt standen Megatrends und ihre Auswirkungen auf die Hotellerie.
Die aktuelle Marktentwicklung in Europa, so der erste Faktencheck der Tagung, weist auf eine Entspannung der Lage hin. Der Reisemarkt wird weiter wachsen, auch die Zahl der preisresistenteren ausländischen Gäste erholt sich wieder. Lag sie in Deutschland im Jahr 2013 noch bei 21,2 Prozent, erreicht sie im laufenden Jahr 23,1 Prozent – Tendenz weiter steigend.
Zudem verlangsamt sich das Wachstum der OTA-Buchungen. Sie machen nach einer Erhebung von Sabre in Deutschland 2024 rund 29,4 Prozent aus und werden sich bis 2027 voraussichtlich auf 30,1 Prozent steigern. Offline-Buchungen, 2024 bei 49,6 Prozent würden bis 2027 auf 44,4 Prozent zurückgehen, Direktbuchungen dagegen von derzeit 21 Prozent auf 25,5 Prozent wachsen. Für besonders gute Übernachtungszahlen in einigen deutschen Städten sorgten in diesem Jahr Events wie Konzerte von Adele oder Taylor Swift oder auch die Fußball-EM: „Dies ist ein Trend, der auch in Zukunft eine Rolle spielen wird“, so QR Geschäftsführerin Carolin Brauer.
8 Megatrends für die Hotellerie
Anhand der vom Zukunftsinstitut in Frankfurt definierten 12 Megatrends hatte Quality Reservations für die Tagung acht herauskristallisiert, die einen besonderen – und überwiegend positiven – Einfluss auf die Hotellerie haben werden: Einer davon lautet Konnektivität, ihre Basis sind Technologie und Digitalisierung und damit Felder, auf denen viele Branchenteilnehmer inzwischen beachtliche Fortschritte erzielt haben.
Ein weiterer Megatrend ist die Individualisierung. Als Beispiele hierfür führte Brauer Single Reisen, aber auch Adults Only, Familienferien oder Reisen mit Freunden auf. Stark profitieren dürfte die Branche in Zukunft auch von den fitten Senioren, die unter dem Begriff Silver Society zusammengefasst werden. Sie dürften unter anderem Betriebe aufsuchen, die sich dem vierten Megatrend, der Gesundheit, widmen. “Life long travelling” zähle zweifellos zu den wichtigen Trends, zudem müssten sich Hoteliers die Frage stellen, ob ihr “one seize fits all Hotel” tatsächlich so bleiben müsse wie bisher, so Brauer. Als weitere branchenrelevante Trends stellt sie das New Work, Mobilität, Globalisierung und Sicherheit vor. Sicherheit sei nicht nur für die einzelnen Standorte wichtig, sondern auch bei der Datensicherung. Im Anschluss an die Megatrend-Definition widmete sich ein große, von Brauer moderierte Expertenrunde der Umsetzung dieser Megatrends im Tourismus.
Megatrends in der Praxis
Kai Gehrmann, Vizepräsident Franchise bei der Steigenberger Hotel AG und auch für die Betriebe in Nordafrika (Tunesien, Ägypten) zuständig, erläuterte den Megatrend Konnektivität anhand der Zusammenarbeit mit der Steigenberger Muttergesellschaft H World. „Inklusive der Betriebe in China zählen wir 10.300 Hotels und Unternehmensgründer Ji Qi bezeichnet H World als ‚digital and tech company”, so Gehrmann. 67 Prozent der Distribution in China liefe über das eigene Vertriebs- und Loyalty-Programm. „H World hat ein eigenes PMS und ein eigenes CMS.“ 2024 sei das System bei Steigenberger implementiert worden. Doch die unterschiedlichsten Gesetzgebungen in Europa, aber auch die verschiedenen City Taxes in deutschen Städten machten es den IT-Entwicklern in Shanghai nicht leicht.
Zu den Megatrends Digitalisierung und Individualisierung befragte Brauer Anett Strobel, seit 2012 geschäftsführende Hoteldirektorin und Prokuristin des First Inn Zwickau, mit dem sie sich 2017 von der IHG-Marke Holiday Inn trennte. Stets auf der Suche nach neuen digitalen und technologischen Lösungen, hat Strobel für ihr Hotel die Maxime ausgegeben, Gäste glücklich zu machen und Investitionen zu tätigen, die einen Mehrwert schaffen. Angesichts der wirtschaftlichen Schieflage von VW, von der auch ihr Haus stark betroffen ist, überlegt sie bereits, wie dieses künftig mehr von der älteren, reisefreudigen, aber auch von gesundheitsbewussten Gästen profitieren könne: „Wir werden bei der nächsten Renovierungsphase die Badewannen entfernen und Duschen einbauen. Außerdem ist unsere Küche bereits auf viele Lebensmittelunverträglichkeiten eingestellt.“ Mit drei Restaurants und einer 24 Stunden besetzten Rezeption hebe sich ihr Hotel aber auch deutlich als sehr serviceorientierter Betrieb von anderen ab.
Jochen Rathei, Direktor Business Solutions bei DER, zeigte auf dem Panel Zukunftsperspektiven im Bereich MICE-Buchungen auf. Ein Fazit: Kunden erwarten heute einen “End-to-end-to-archiv” Prozess, der neben Recherche, Buchung, Umsetzung und Bezahlung einer Veranstaltung so erweitert wird, dass nach Bezahlung die Bereitstellung der relevanten Veranstaltungsdaten eine Kontierung und Archivierung durch die Buchhaltung automatisiert vorgenommen werden kann. Somit wird die Prozesskette tief in die Buchhaltungs- und Archivierungssysteme der Firmenkunden hinein verlängert. Nicht mehr wegzudenken sei zudem die virtuelle Kreditkarte.
“Wir googeln unsere Gäste”
Im Mittelpunkt der Erläuterungen von Stephan Hein, General Manager des Berliner Hotels Telegraphenamt, stand Megatrend Individualisierung. Sie werde in seinem Hotel durch sehr gute Mitarbeiter, auch im Bereich Sales und Marketing erreicht. Mit einer ADR von über 300 Euro und sechs F&B Outlets spreche das Hotel in erster Linie Leisure-Gäste und individuelle Businessreisende an. „Bevor sie anreisen, googeln wir unsere Gäste und wenn wir lesen, dass einer zum Beispiel rote Gummibärchen mag, dann besorgen wir diese“, sagte er. Entsprechende Vorlieben würden selbstverständlich ins PMS-System eingetragen.
Mit ihren Fakten zum Thema Future Work sorgte Corinna Döpkens, Expertin für Business Travel & Mobility Management, für Überraschungen. Für nur sehr wenige Berufstätige bestehe überhaupt die Möglichkeit, Workation zu unternehmen, erklärte sie. Vielmehr müsse man für Mitarbeiter in produzierenden Unternehmen neue Arbeitswelten an der Arbeitsstätte schaffen, um die Belegschaft nicht in solche Mitarbeiter zu spalten, die Homeoffice machen dürften und diejenigen, für die das nicht möglich sei. Das Thema Workation werde aktuell sehr durch die Medien getrieben, so die Expertin. Ein größerer Trend sei Bleisure Travel.
Doch auch hier ergäben sich für Arbeitnehmer viele Hürden, unter anderem weil die Hotellerie (noch) nicht in der Lage sei, Rechnungen so aufzusplitten, dass sie der Buchhaltung der entsprechenden Unternehmen entsprächen, die ihren Mitarbeitenden Bleisure-Travel ermöglichten. „Bleisure als Begriff existiert nicht in der Corporate Welt“, sagte sie. „Der Kunde verlängert einfach seine Geschäftsreise. Aber wie bekommt er dann die zweite Person oder das Frühstück mit der Familie von der Rechnung?“ Döpkens appellierte zudem an die Arbeitgeber, Geschäftsreisen wieder mehr als Benefit für ihre Mitarbeiter zu betrachten und ihnen darüber etwas Gutes zu tun, zum Beispiel mit erhöhten Spesen. „Es ist durchaus zu beobachten, dass der Bereich Geschäftsreisen sich von der Abteilung Finanzen in den HR-Bereich verlagert“, sagte sie.
Twin Transformation
Bei der TUI, so Frieder Olfe, Head of Sustainability Technology bei der TUI, könnten Mitarbeitende, für die dies möglich sei, zwischen Null und 100 Prozent Homeoffice wählen. Parallel dazu sei das Headquarter in Hannover als Campus renoviert worden, an dem man sich gerne aufhalte. „Ich begeistere mich für die sogenannte Twin Transformation – die Verbindung von Nachhaltigkeit und digitaler Agenda, um Organisationen zukunftsfähig zu machen,“ so Olfe. Dazu zählten beispielsweise eine Flugroutenoptimierung für geringeren Spritverbrauch oder KI gesteuerte Prozesse zur Lebensmitteleinsparung.
Mit dem Thema Datenschutz und Migration befasste sich auf dem Panel Tobias Warnecke, Geschäftsführer des Hotelverbandes Deutschland IHA. „Geopolitische Unsicherheit, steigende Kosten, fehlende Fachkräfte, sich schnell verändernde Gäste- und Mitarbeiteransprüche sowie der immer stärker werdende Wunsch nach Nachhaltigkeit, Sinnhaftigkeit, Vernetzung und Individualisierung haben in den letzten Jahren zu enormen Anpassungen der Infrastrukturen und der Geschäftsprozesse in der Hotellerie geführt. Die Digitalisierung und Automatisierung, insbesondere durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, bieten hier enorme Potenziale, um nachhaltig und langfristig erfolgreich zu bleiben,“ sagte er. Sie würden aber in Deutschland durch den Datenschutz erschwert, der zudem noch der föderalen Struktur des Landes unterliege. Was die Einwanderung von Fachkräften anbelange, so leide auch das neue Einwanderungsgesetz II noch unter der Bürokratie vieler daran beteiligter Ämter.
Einig waren sich alle Panel-Teilnehmer, Gäste und auch der im weiteren Verlauf des Tages aktive Gastredner Collin Croome: Megatrends bieten ungeahnte Möglichkeiten für die Hotellerie.