Wolf-Thomas (Thommy) Karl, stellvertretender Chefredaktor bei Hotel Inside, Publizist und Kommunikationsexperte im Hospitality-Bereich, sprach im Rahmen seiner neuartigen Hotel Inside-Serie mit Mareike Reis, Housekeeping-Expertin, Gründerin der Housekeeping Akademie und Dozentin für Housekeeping-Management an der Hotelfachschule Zürich.
Mareike Reis, Sie sind Gründerin der Housekeeping Akademie. Was hat Sie dazu inspiriert, diese „Akademie für Zimmermädchen“ ins Leben zu rufen? Welche Vision verfolgen Sie heute damit
Während meiner aktiven Hotelzeit als angestellte Mitarbeiterin habe ich bereits bemerkt, dass im Housekeeping meist ungelernte Mitarbeitende anzutreffen sind. Die Housekeeping-Teams kämpfen für sich – oft unverstanden von den anderen Abteilungen. Immer in Hektik – gegen die Zeit. Oftmals mit geringsten Fachkenntnissen, unzureichendem Equipment und fehlender Wertschätzung für diese harte Arbeit. Zudem werden sie sich häufig selbst überlassen mit all den kulturellen Herausforderungen, die das zwischenmenschliche Miteinander im harten Berufsalltag mit sich bringen.
Unverständnis, fehlende Wertschätzung… das sind kritische Worte…
Ja, die Housekeeping-Abteilung ist stets im Fokus eines Mangels: „Gast XY hat sich beschwert. Du warst zu langsam. Das muss schneller gehen. Du hast dies oder jenes nicht ausreichend gereinigt.“ Dies sind nur ein paar Beispielsätze, die Housekeeping-Mitarbeitende täglich zu hören bekommen. Wer das verneint: Ich gratuliere zu einer anderen Haltung in Bezug auf das Housekeeping-Team. Wir sprechen hier jedoch aus unserer Erfahrung in der täglichen Kommunikation mit Mitarbeitern aus der Reinigung.
Also, wie lautet Ihre Vision?
Mit unserer Vision der Housekeeping Akademie aus heutiger Sicht verfolgen wir das Ziel, Menschen sowohl fachlich als auch auf emotionaler Ebene weiterzubringen – und sie damit auch näher zu sich selbst und in ihre Energie zu bringen. Wir sind der Überzeugung, dass Mitarbeitende, die zuversichtlich sind, sich zufriedener, erfüllter und wertgeschätzt fühlen, bereit sind über sich hinauszuwachsen und eine höhere Leistung zu erzielen. Die fachliche Weiterentwicklung führt dazu, dass die Mitarbeitenden ihren Job sicherer und zuverlässiger ausführen und die Chance haben, zu wahren Gastgebern heranzuwachsen. Davon profitiert der Arbeitgeber und dies führt zu besseren wirtschaftlichen Ergebnissen.
Ich bin glücklich, mit der Arbeit unserer Akademie genau dazu beizutragen. Gemeinsam mit meinem Team etwas zu erschaffen, was viel grösser ist als eben „nur ein Job“. Das erfüllt mich.
Hygiene und Sauberkeit sind in der Hotellerie von wachsender Bedeutung. Gäste stellen hier – wahrscheinlich bedingt durch die Corona-Pandemie – immer höhere Anforderungen. Welche Innovationen oder Trends beobachten Sie derzeit im Housekeeping?
Der Trend geht gerade wieder zurück. „Corona“ ist in den Hintergrund gerückt. Es ist richtig, dass insbesondere in der Hotellerie die Hygiene durch die Pandemie einen höheren Stellenwert bei den Gästen und Hotelbetreibern erlangt hat. Während der Pandemie war erkennbar, dass die Hygieneindustrie leichtes Spiel bei den Endverbrauchern hatte. Etliche Luftreiniger und unzählige Kanister mit Desinfektionsmitteln lassen sich nun in den Kellern der Betriebe finden. Wir sind damals nicht auf den übertriebenen Hygiene-Hype eingegangen, sondern haben an die klare, fachmännische Vernunft appelliert, die wir als Reinigungsexperten haben und gerne mit den Teams teilen. Das Wissen darum, dass eine Desinfektion im Beherbergungsbereich nur in Ausnahmefällen nötig ist und die logische Reinigungsabfolge für eine Keiminaktivierung viel ausschlaggebender ist, kann den Hoteliers heute noch viel Geld sparen.
Was haben Sie denn während der Pandemie gelernt?
In der Pandemie-Zeit habe ich einfach bestätigt bekommen, wie viel Unwissenheit in Sachen Reinigung in der Branche vorhanden ist. Deshalb ist es unverzichtbar, Reinigungsmitarbeitende zu schulen. Es ist wichtig, dass jeder Reinigungsmitarbeiter ausgebildet wird zu einer Fachkraft. Die Verantwortung, die die Mitarbeitenden in der Reinigung tragen, ist enorm. Schnell ist eine Kreuzkontamination durch eine unsachgemäße Anwendung der Microfasertücher verursacht und das Haus hat mit einer Norovirus-Welle zu kämpfen. Deshalb ist ausreichendes und professionelles Reinigungsequipment unerlässlich sowie das kontinuierliche Trainieren der verantwortlichen und ausführenden Mitarbeiter. Dies ist zwar kein besonders neuer oder innovativer Trend. Doch da wir hier nach wie vor deutliche Defizite in der Branche sehen, ist dies eine Entwicklung für mich, die es unbedingt stärker voranzutreiben gilt.
Ökologische Nachhaltigkeit gewinnt auch im Housekeeping immer mehr an Bedeutung. Welche Maßnahmen und Strategien empfehlen Sie Hotels, um eine umweltfreundliche und dennoch effiziente Reinigung zu gewährleisten?
Wenn wir uns auf die ökologische Nachhaltigkeit fokussieren, spielt die Auswahl und der Einsatz der Reinigungschemie eine entscheidende Rolle. Ganz nach dem Prinzip „Vermeiden – Substituieren – Reduzieren“ raten wir den Hoteliers, den Einsatz der Reinigungschemie zu hinterfragen. Mit Sicherheit gibt es Anwendungsbereiche im Hotel, in denen auf Reinigungsmittel verzichtet werden kann. Allein ein Microfasertuch von sehr guter Qualität in Kombination mit Wasser erreicht einen bemerkenswerten, nachgewiesenen Reinigungseffekt. Der erste Schritt sollte daher sein, die Bereiche zu identifizieren, in denen auf Reinigungschemie verzichtet werden kann. Im nächsten Schritt sollte geprüft werden, ob eventuell ein umweltverträglicheres Produkt eingesetzt werden kann. Hilfreiche Stichworte hierbei sind beispielsweise Tenside aus nachwachsenden Rohstoffen oder der Einsatz naturnaher und ungiftiger Säuren.
Was heißt das konkret?
Generell sollte immer geprüft werden, ob ein mit Gefahrenstoffsymbol versehenes Produkt durch eines ohne Gefahrenstoffe ersetzt werden kann. Davon profitieren sowohl Mensch als auch Umwelt. Die „Chemiekeule“ wird von einigen Herstellern immer noch gerne verkauft. Mittlerweile gibt es jedoch einige Alternativen, die ebenfalls einen guten Reinigungseffekt erzielen. Im letzten Schritt gehört die Dosierung der eingesetzten Reinigungsmittel überprüft. So wird verhindert, dass aus Unwissenheit oder Unsicherheit zu viel Chemie in den Kreislauf gelangt. Diese drei Schritte sollte meiner Meinung nach jeder Hotelier gehen, um seiner Verantwortung im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit nachzukommen. Viele Hoteliers und Housekeeping-Leitungen sind mit diesem Thema in der Reinigung überfordert, da die Zeit fehlt für intensive Recherche. Das ist unter anderem ein Grund, weshalb wir beschlossen haben, das Know-how über nachhaltige Reinigung in unserem Team auszubauen und den Hoteliers hier unsere Unterstützung anzubieten.
Die Schulung und Weiterbildung von Housekeeping-Mitarbeitenden sind ein zentraler Aspekt Ihrer Akademie. Welche speziellen Trainings bieten Sie an, um sicherzustellen, dass Ihre Absolventinnen und Absolventen den höchsten Hygiene- und Sauberkeitsstandards entsprechen?
Unsere Kernspezialität ist es, in die Betriebe zu fahren und vor Ort Lösungswege und Optimierungspotential wertschätzend aufzuzeigen – beispielsweise in Form unserer 360°-Analyse. Diese umfasst sämtliche Bereiche, die mit dem Housekeeping in Berührung kommen. Angefangen bei dem Lager-Management, über die Reinigungsprozesse bis hin zum zwischenmenschlichen Umgang miteinander. Jeder Betrieb, jedes Gebäude, jedes Team bringt andere Herausforderungen mit sich. Wir analysieren jedes Puzzleteil und setzten es zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen, sodass die Betriebsabläufe rund und geschmeidig laufen und das Team harmonisch und zielorientiert agieren kann. Je nach Umfang des verfügbaren Budgets haben wir für alle Housekeeping-Themen eine Lösung oder weitere Netzwerkpartner im Gepäck. Ob Online-Webinar „Basiswissen der Hotelreinigung“, mehrwöchige Online-Lehrgänge wie „Housekeeping Excellence“ oder die mehrtägige „Fachbildung zum Housekeeping Manager“. Ob Workshops für teambildende Maßnahmen oder das Erarbeiten von Verantwortlichkeitsbereichen bis hin zur Jahresbegleitung im Training on the Job ist alles geboten. Auch bei der Definition und Dokumentation von Standards sind wir behilflich.
Alles gut und recht, aber viele Hoteliers sind überfordert.
Richtig. Viele Hoteliers kennen das bestimmt: Die Abteilungsabläufe müssten eigentlich erst verschriftlicht werden, um sie danach mit dem Team trainieren zu können. Doch das operative Tagesgeschäft kommt immer wieder dazwischen. Diesem Teufelskreis möchten wir entgegenwirken, indem wir konkret dort unter die Arme greifen, wo es gerade brennt. Wir stimmen uns in einem intensiven Vorabgespräch mit den potenziellen Auftraggebern ab und finden heraus, wo der Schuh drückt. Ein wichtiger Bestandteil in unserer Arbeit ist es, kontinuierlich dranzubleiben. Entweder durch eine wiederkehrende Begleitung durch unsere Expertinnen oder durch befähigte Mitarbeiter im eigenen Team. Landesgrenzen halten uns nicht mehr auf: Wir arbeiten mittlerweile weit über die Grenzen Deutschlands hinaus – vor allem auch in der Schweiz und in Österreich.
Würden Sie uns einige Beispiele für nachhaltige Reinigungspraktiken nennen, die in der Hotelbranche umgesetzt werden können? Welche Vorteile diese sowohl für das Hotel als auch für die Umwelt haben?
Es gibt viele kleine Stellschrauben, die eine große nachhaltige Wirkung haben. Ein schönes Beispiel ist der Einsatz von waschbaren und wiederverwendbaren Abfallsäcken, um Plastikmüll deutlich zu reduzieren. Jedem, der mal im Housekeeping gearbeitet hat, ist vermutlich bewusst, wie viele Abfallsäcke aus Kunststoff regelmäßig im Müll landen. Meist am Tagesende, wenn die Housekeeping-Mitarbeitenden ihren Müll entsorgen. Hier kann durch den Einsatz von wiederverwendbaren Säcken ein positiver Effekt erzielt werden. Eine nachhaltige Praktik ist es auch, den Waschzyklus der Hotelwäsche zu prüfen und zu reduzieren. In sehr vielen Häusern fällt uns auf, dass Handtücher bei der Zwischenreinigung unnötigerweise getauscht werden, obwohl der Gast sie aufgehängt hat, um sie weiter zu benutzen.
Und warum halten sich die Housekeeping-Mitarbeitenden nicht daran?
Viele Reinigungskräfte haben Angst vor schlechtem Feedback der Gäste – oder sie kennen den Standard nicht. Das führt dazu, dass Handtücher zu häufig gewaschen werden. Durch eine bessere Kommunikation und die regelmäßige Überprüfung der Einhaltung des Standards, lassen sich Energie, Wasser und Arbeitszeit sparen. Ein Beispiel für eine sozial nachhaltige Praktik ist außerdem der Einsatz von ergonomischem Reinigungsequipment. Ergonomische Hilfsmittel erhalten die Gesundheit der Mitarbeiter, damit sie ihrer Arbeit dauerhaft unversehrt nachkommen können. Beispiele hierfür sind auf die Körpergröße anpassbare Breitwischgeräte mit Teleskopstiel und der Einsatz von Reinigungsmaschinen auf großen Bodenflächen. Nachhaltig ist ebenfalls, in gutes und robustes Equipment zu investieren, welches Jahre hält und auch die Lieferung der Ersatzteile für mehrere Jahre seitens der Hersteller garantiert wird. Wir alle kennen den Satz, wer billig kauft, kauft zweimal.
Die Schweiz im Vergleich zu Deutschland und Österreich: Sie sind mit Ihrem Unternehmen in allen drei Ländern erfolgreich aktiv. Gibt es hier regionale Unterschiede, wie die Housekeeping-Abteilungen in den Hotels geführt werden?
Ja, es sind Unterschiede in den Ländern erkennbar. Allein schon im Wording. In der Schweiz sprechen wir von der Gouvernante. In Deutschland hingegen wird oftmals von der Hausdame gesprochen. Wenn man bedenkt, dass nicht nur Frauen in dieser besonderen Abteilung tätig sind, sollte die Bezeichnung der leitenden Position dringend überdacht werden – ich bin für eine umfassende Bezeichnung wie „Housekeeping Manager“. Hierfür ist es wichtig, alle Aufgaben zu kennen, die diese komplexe Stelle umfasst. Wir machen überwiegend die Erfahrung, dass in der Hotelwelt diese Erkenntnis noch nicht ausreichend angekommen ist. In der Schweiz und auch in Österreich erleben wir öfter, dass die Berufsgruppe der Hauswirtschaft mehr in die Tätigkeiten im Housekeeping eingebunden ist als in Deutschland. Die Frage ist auch, wie wertschätzend sind Bezeichnungen wie Zimmermädchen oder Stubenfrauen für eine Berufsgruppe, die einer der wichtigsten Aufgaben nachkommt: den Werterhalt der Immobilie zu pflegen und die Gäste zu begeistern. Meines Erachtens erkennen wir hier bereits den Stellenwert der Reinigung im Beherbergungsbereich. Denn putzen kann jeder, reinigen hingegen nicht! Jetzt bleibt nur noch die Frage: Was möchte der Hotelier für seinen Betrieb bzw. sollen Reinigungsmitarbeiter beschäftigt werden, die bewusst eine fachlich korrekte und hygienisch einwandfreie Raumpflege ausführen? Deshalb und dafür habe ich die Housekeeping Akademie gegründet, um Hoteliers hier aktiv zu unterstützen.
Mareike Reis, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!
Mareike Reis, Housekeeping-Expertin.
Über die Housekeeping-Akademie
Unternehmensgründerin Mareike Reis hat sich zum Ziel gesetzt, für Hoteliers ganzheitliche Konzepte für ein professionelles sowie nachhaltiges Housekeeping zu erarbeiten. Dabei greift sie auf eine langjährige Erfahrung im Housekeeping in der internationalen, gehobenen Hotellerie zurück. Neben der Einführung einer Qualitätssicherung in unterschiedlichen Betriebsformen und der Begleitung von Hygienezertifizierungen bietet die staatlich geprüfte Hotelbetriebswirtin und Fachwirtin für Reinigungs- und Hygienemanagement mit ihrer Housekeeping Akademie professionelle Aus- und Weiterbildungen an. Dabei legt Mareike Reis mit ihrem Team den Schwerpunkt auf verschiedene Fortbildungsmodelle an unterschiedlichen Lernorten, um fachgerechtes Reinigen und Hygiene-Maßnahmen für Mitarbeitende im Housekeeping erfolgreich erlernbar zu machen. Zu den Inhalten gehören unter anderem zeitgemäße Reinigungsverfahren und Reinigungstechniken, Hygieneschulungen, Sicherheit, Gesundheit & Fitness, Entwicklung von Mitarbeitenden und Führungskräften, Qualitätssicherung, Team-Building und Mentoring. Darüber hinaus ist Mareike Reis mit ihrem Team von mehreren Expertinnen regelmässig vor Ort in den Hotels europaweit unterwegs, um Trainings on the Job, Interimseinsätze oder Beratungen durchzuführen.