MRP-Hotels ist eines der führenden Beratungsunternehmen im Hospitality-Bereich im deutschsprachigen Raum. Was sagen die MRP-Experten zum ersten Halbjahr 2024? Wie lauten ihre aktuellen Prognosen für Sommer/Herbst?
Bei der Live-Diskussion auf LinkedIn sprachen Martin Schaffer, Geschäftsführender Partner bei mrp hotels, Sebastian Koch, Head of Hotels & Hospitality Management Germany bei Covivio, Alexander Robinson, Director Industry Partners bei STR, und Beatrice Sommer, Senior Consultant und Head of ESG von mrp Hotels, mit Moderator Nikolaus von Raggamby (Rueckerconsult) über die Entwicklungen der Hotellerie im DACH-Raum.
Zu den Auswirkungen von Großveranstaltungen wie die Fußball-EM in Deutschland auf den Hotelmarkt präsentierte Alexander Robinson vom Datenanbieter STR aktuelle Zahlen. Demnach zeigt sich für Deutschland zur EM-Zeit im Sommer ein deutlicher Anstieg bei den Kennzahlen: So stieg der RevPar (Erlös pro verfügbares Zimmer) im Juni um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders profitierten demnach die Austragungsorte Dortmund und Leipzig, wie der Vergleich bei Belegung und Durchschnittsrate an Spieltagen mit den Werten spielfreier Tage ergab.
Die ADR fiel in Dortmund an Spieltagen fast dreimal so hoch aus wie an spielfreien Tagen (+175%), in Leipzig betrug das Plus im Vergleich 110 Prozent. Den geringsten Unterschied meldeten die Hotels in Hamburg mit 28 Prozent Spieltagsaufschlag.
Auch für die Monate Juli bis September ist die Vorbuchungssituation in Deutschland wie in ganz Europa derzeit positiv und lässt weitere Zuwächse zum Vorjahr erwarten. Für alle Wochentage liegen die Vorbuchungen derzeit 1 bis 2 Prozentpunkte über Vorjahresniveau.
Im europaweiten Vergleich bei der Hotel-Performance liegt Südeuropa laut den STR-Zahlen aber immer noch deutlich vor dem deutschsprachigen Raum. Da die Hotelkapazitäten in den deutschen Städten trotz weniger Neubauplanungen immer noch zum Teil zweistellig steigen – 14 Prozent sind es in Hamburg und 11 Prozent in Berlin – wird das vorerst auch so bleiben.
Der Hotelmarkt in der DACH-Region befindet sich im fortlaufenden Jahr weiter auf Wachstumskurs. Das zeigt eine Analyse von mrp hotels, die auf den Daten des Asset Management Portfolios des Hotelberatungsunternehmens bis Mai basiert und die Entwicklung bis Ende des Jahres prognostiziert. Demnach werde die Auslastung mit +3 Prozent und der Zimmerpreis mit +4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eher zurückhaltend steigen.
Im Vergleich zu 2019 werde die Belegungsrate um 6 Prozent zurückbleiben, was vor allem auf neu hinzugekommenes Angebot in vielen der großen Märkte zurückzuführen sei – obwohl die Nachfrage vielerorts um ein Vielfaches über dem Niveau von 2019 ist.
Die positive Nachfrageentwicklung in diesem Sommer wird in Deutschland insbesondere von der Fußballeuropameisterschaft und weiteren Großevents wie verschiedenen Konzertreihen getrieben. Dieser Aufwärtstrend spiegelt sich im Portfolio von mrp hotels in aktuellen Buchungen sowohl bei der Belegung (+25 Prozent), der durchschnittlichen Zimmerrate pro Tag (+7 Prozent) als auch beim Umsatz pro verfügbares Zimmer (+34 Prozent) wider.
Pauschalaussagen können nicht getroffen werden, tendenziell ist es für etablierte Produkte und innerstädtische Produkte einfacher, an das Niveau vor 2020 anzuknüpfen. Dafür sei aktuell davon auszugehen, dass der Zimmerpreis um rund 24 Prozent über dem 2019er-Niveau liegen wird. Der Total Revenue per Available Room werde sich sowohl im Vergleich zu letztem Jahr (+8 Prozent) als auch im Vergleich zu 2019 (+11 Prozent) positiv entwickeln.
Durch starke Kostenkontrolle schaffen die Hotels zum Jahresende wohl eine Steigerung ihres Gewinns um +12 Prozent. Ob das tatsächlich realisiert werden kann, bleibt offen. Denn von Januar bis Mai dieses Jahres zeigte der GOP im Vergleich zu 2019 mit -18 Prozent eine stark negative Tendenz.
Martin Schaffer, Managing Partner bei mrp hotels: „Die Anforderungen an die Hotels werden nicht niedriger. Um die Erwartungen der Gäste sowie Betreiber zu erfüllen, bedarf es einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Hotelprodukte. Das geht mit einem intensiven Verständnis der Immobilie und des Betriebs durch den Eigentümer einher, das ergebnis- und umsatzabhängige Komponenten stärker berücksichtigt und die Beziehung zwischen Betreiber und Eigentümer verstärkt. Daher etabliert eine Vielzahl von Investoren ein aktives Asset- und Performance-Management. Häufig leere und ungenutzte Lobby-, Konferenz- oder F&B-Flächen erfordern neue Nutzungskonzepte, um den Umsatz je Quadratmeter zu steigern. Der Fokus liegt also nicht nur auf den Zimmerpreisen.“
Schwer tun sich nach seiner Analyse derzeit vor allem Häuser im mittleren Segment mit drei bis vier Sternen. Diese haben mit hohen Kostensteigerungen zu kämpfen, könnten aber keine entsprechenden Ratenerhöhungen mehr durchsetzen, um den Kostenanstieg zu kompensieren. Budget-Hotels tun sich leichter, weil die Strukturen schlanker und daher die Kostensteigerungen nicht so hoch seien. Und das Luxussegment boome weiterhin, und diese Gästeklientel ist nicht preissensibel.
Gewinnt ESG bei Betreibern und Investoren an Priorität?
Martin Schaffer: „Trotz der aktuellen Herausforderungen am Investmentmarkt mit einer ausgetrockneten Development Pipeline, dem Fachkräftemangel, der Umsetzung von ESG-Maßnahmen und den gestiegenen Anforderungen der Gäste zeigt die Nachfrage in der Hotellerie ein bemerkenswert krisenresistentes bzw. wachstumsgetriebenes Verhalten. Prognosen lassen darauf schließen, dass der Tourismus in den nächsten 20 Jahren jährlich um 4 bis 5 Prozent wachsen wird. Das zukünftige Wachstum muss jedoch im Einklang mit ESG-Prinzipien stehen. Investoren müssen sich auf ‚Brown Discounts‘ statt ‚Green Premiums‘ einstellen und die Kosten von ‚Stranded Assets‘ gegen Restrukturierungskosten abwägen.“
Brown Discounts bedeutet, dass Immobilien mit geringer ökologischer Nachhaltigkeit bei der Bewertung Abschläge hinnehmen müssen. Wie Beatrice Sommer sagte, will die EU womöglich gegen Greenwashing bei Nachhaltigkeits-Aussagen vorgehen und dazu Vorschriften erlassen. Der Zertifikatsmarkt etwa sei im Hotelimmobilienbereich für Betreiber sehr undurchsichtig.
Wenig Transparenz bei Nachhaltigkeitssiegeln
Viele Betreiber unterschätzten auch den Prozessaufwand und die nötige Zeit für eine Umsetzung. So hat die Mehrheit bisher noch keinen Überblick, wie viel CO₂ ihr Hotelportfolio pro Zimmer oder pro Quadratmeter ausstößt. Eine Umfrage unter den Zuhörern der Diskussion ergab aber, dass die Mehrheit sich damit beschäftigt, diese Werte zu ermitteln.
„Ein Zertifikat ersetzt jedenfalls keine gesamtheitliche Strategie“, betont die ESG-Expertin des Beratungsunternehmens. Und es zeichnet sich nicht ab, dass Franchisegeber den Betreibern womöglich die Arbeit abnehmen. Bisher wirkten die Marken nicht über Bau- oder Ausstattungsvorgaben auf ESG ein, so Sommer, obwohl sie das könnten. Auch sei ein zukunftsfähiges ESG-Reporting für die Marktteilnehmer derzeit noch weitgehend ein Rätsel.
Der Transaktionsmarkt zeigte sich – trotz eines Anziehens im zweiten Quartal in Deutschland – immer noch schwach. Die meisten Panel-Zuhörer gingen laut Live-Umfrage davon aus, dass es erst 2026 zu einer nachhaltigen Belebung kommen wird.
Quelle: mrp hotels, Juli 2024