In Luzern dürfen Vermieter ihre Wohnungen nur noch 90 Tage im Jahr an Touristen vermieten. In Interlaken im Berner Oberland lancieren Politiker entsprechende Volksinitiativen gegen das „wuchernde Airbnb-Geschäft“. In Barcelona, Florenz, auf Mallorca und in anderen Tourismus-Hotspots demonstrieren Einheimischen gegen Overtourism, Airbnb und Wohnungsnot. Ein Hotel Inside-Hintergrundbericht:
Die Proteste von Einwohnern europäischer Top-Feriendestinationen gegen die Folgen von Overtourism zeigen Wirkung. Immer mehr kommunale Behörden in Touristen-Hochburgen reagieren insbesondere auf die stark wachsenden Mieten in den Städten und die Probleme Einheimischer, überhaupt Wohnungen zu finden und diese bezahlen zu können. Portalen für Kurzzeitvermietung wie etwa Airbnb und Booking werden dabei zunehmend Grenzen gesetzt.
So hat beispielsweise die Stadt Amsterdam bereits 2019 eine Verordnung erlassen, wonach Unterkünfte nur an maximal 30 Nächten pro Jahr an Touristen vermietet werden dürfen. In London dürfen Wohnräume für Kurzzeitvermietungen nur noch für maximal 90 oder weniger Nächte in einem Kalenderjahr genutzt werden.
Barcelona hat private Zimmervermietungen für weniger als 31 Tage verboten und plant nach einer Ankündigung des neugewählten sozialistischen Bürgermeisters Jaume Collboni Ende 2028 die Lizenzen für die mehr als 10.000 Ferienwohnungen in der Stadt auslaufen zu lassen.
Nun hat auch die bei Besuchern äußerst beliebte toskanische Stadt Florenz reagiert und will die Vermietung von Wohnungen in seiner historischen Innenstadt für nur wenige Tage demnächst verbieten. Dies kündigte die neue sozialdemokratische Bürgermeisterin der mittelitalienischen Großstadt, Sara Funaro, laut einem dpa-Bericht an.
Zuvor hatte ein Verwaltungsgericht der Region Toskana eine Beschwerde gegen entsprechende Pläne der 360 000-Einwohner-Stadt für unzulässig erklärt. Mit der konkreten Ausgestaltung der neuen Regelung werde sich laut Funara der Stadtrat in der nächstmöglichen Sitzung befassen.
Auch Berlin hat bereits strenge Regeln für Kurzzeitvermietungen eingeführt, um zu verhindern, dass die Stadt zu einem reinen Ferienvermietungs-Zentrum wird. So sind etwa gemäß der Vorschriften Zweitwohnungen auf eine maximale Mietdauer von 90 Tagen pro Jahr beschränkt.
Auch die französische Regierung plant, 2025 die Vermietung von Ferienwohnungen stärker zu beschränken. Ende Mai wurde im Senat über ein neues Gesetz abgestimmt, nach dem französische Kommunen künftig die gewerbliche Vermietung von möbliertem Wohnraum stärker beschränken können.
Die Folge: Für Vermieter entfallen 2025 eine Reihe von Privilegien, die etwa die Besteuerung der Mieteinnahmen, die energetische Sanierungspflicht oder den Brandschutz betreffen. Die Vermietung von selbst genutzten Wohnungen ist weiterhin für maximal 120 Tage erlaubt.
Welche Auswirkungen das Vorgehen gegen Kurzzeitvermietung auf das Übernachtungsangebot insgesamt hat, erläutert Jan Hase, Gründer und CEO von Wunderflats, einem Anbieter von möblierten Wohnungen im Business-Travel- und Expat-Segment, gegenüber dem Portal fvw|TravelTalk.
„In ganz Frankreich stehen laut dem französischen Statistischen Amt rund 650.000 Hotelzimmer und 900.000 weitere Ferienunterkünfte zur Verfügung“, sagt Hase. „Wenn von diesen 900.000 auch nur ein Bruchteil wegfällt, werden die Preise zwangsläufig steigen und der Urlaub in Frankreich deutlich teurer. Das gilt auch für die Hotels oder Pensionen, die aufgrund der höheren Nachfrage voraussichtlich ebenfalls die Preise erhöhen werden.“
Der neue Beschluss werde den Urlaub in Frankreich teurer machen. „Vor allem jüngere Urlauber, die bevorzugt in privaten Wohnungen unterkommen, werden eher nicht auf Hotels ausweichen. Stattdessen könnten sie sich entscheiden, andere Reiseziele zu wählen und ihren Frankreich-Urlaub zurückzustellen“, vermutet Hase.
Spannend werde es zu beobachten, ob diese Entwicklungen dem Trend der Workation in die Karten spielen, also dem Verbinden von Arbeit und Urlaub. Und ob flexible Urlauber auf weniger stark nachgefragte Urlaubszeiten außerhalb der typischen Ferienmonate ausweichen – und dadurch günstiger reisen.
Auch wenn die Hotellerie im Grundsatz den aus ihrer Sicht teilweise unlauteren Wettbewerb durch die Kurzzeitvermietungsportale kritisiert, müssen auch Hotels in Tourismus-Hochburgen zunehmend mit Beschränkungen leben.
So dürfen künftig in Amsterdam nur neue Hotels eröffnet werden, wenn im Gegenzug eine ältere Herberge geschlossen wird. Die Bettenzahl insgesamt darf nicht steigen. Voraussetzung für eine Neueröffnung ist, dass die Unterkunft über mindestens vier Sterne entsprechend der europäischen Hotel-Klassifizierung verfügt.
Auch muss der neue Betrieb über höhere Standards, zum Beispiel im Bereich Nachhaltigkeit, verfügen als das geschlossene Hotel. Bevorzugt werden zudem Neueröffnungen außerhalb des Stadtzentrums. Aktuell gibt es mehr als 500 Hotels und weitere touristische Beherbergungsbetriebe in Amsterdam.
San Francisco, wo Airbnb seinen Firmensitz hat, wählt drastische Maßnahmen: Pro Tag und Angebot ohne gültige Registernummer drohen bis zu 6 Monaten Gefängnis. In München darf eine private Wohnung höchstens acht Wochen im Jahr als Ferienwohnung vermietet werden. Wer seine Wohnung darüber hinaus in fremde Hände gibt, begeht eine Ordnungswidrigkeit wegen Zweckentfremdung. Das kann bis zu 500’000 Euro kosten.
Auch in New York dürfen nur Privatpersonen, die ihre Wohnung selbst nutzen, diese für maximal 30 Tage im Jahr vermieten. Genf begrenzt die Dauer, die eine Wohnung professionell auf Airbnb vermietet werden darf, auf 90 Tage pro Jahr. In Paris darf eine Wohnung für vier Monate im Jahr über das Wohnungsportal vermietet werden. Registriert ein Vermieter seine Wohnung nicht, droht eine Busse von 12’500 Euro. Und in der Berner Altstadt soll die gewerbsmässige Vermietung von Privatwohnungen gar komplett verboten werden.
In der Schweiz beschäftigt sich das Walliser Tourismusobservatorium mit den Auswirkungen von Airbnb. Für Experte Prof. Roland Schegg ist Airbnb nicht mehr die ursprüngliche Wohnungsteilungs-Plattform von Privaten für Private. Als Rezept gegen Wohnraumverknappung in den Städten und überteuerte Mieten sieht Roland Schegg ein Registrierungssystem durch die örtlichen Behörden. «So könnte man das Ganze besser kontrollieren.»
Airbnb sagt, dass Wohnraumschutz für das Unternehmen ein wichtiges Thema sei. Deshalb wolle man mit den Städten an fairen Regeln für Homesharing arbeiten.
Die Stadt Luzern hat im europäischen Vergleich eine der restriktivsten Regulierungen zum Schutz von Wohnraum. Bereits ab dem 1. Januar 2025 gelten in Luzern strenge Regeln. Mitte Juni hat das Stadtparlament ein Reglement verabschiedet, das die Vermietung von Ferienwohnungen massiv einschränkt. Damit reagiert die Politik auf den Unmut der Bevölkerung, die im Mai 2023 die sogenannte Airbnb-Initiative mit großem Mehr angenommen hat.
Künftig darf in Luzern eine Wohnung nur noch während maximal dreier Monate an Kurzzeitaufenthalter vermietet werden. In der übrigen Zeit muss die Wohnung regulär bewohnt werden. Private dürfen ihre eigene Wohnung länger als 90 Tage untervermieten, sofern sie damit keine missbräuchlichen Gewinne erzielen.
Letztere Bestimmung rief Airbnb auf den Plan. Mit einem Rechtsgutachten versuchte die weltweit tätige Buchungsplattform, die Luzerner Parlamentarier von ihrem Vorhaben abzubringen. Das Unternehmen argumentierte, die Missbrauchsklausel verstosse gegen Bundesrecht, wie die «Luzerner Zeitung» berichtete.
Der Schutz vor missbräuchlichen Mieten sei nämlich bereits in der Bundesverfassung und im Obligationenrecht (OR) geregelt, so argumentierte Airbnb. Laut OR ist ein Mietzins dann missbräuchlich, wenn er mehr als 15 Prozent vom ortsüblichen Durchschnitt abweicht. Diese Regelung auf Bundesebene sei abschliessend, weshalb die Stadt Luzern gar nicht befugt sei, eigene Regeln zu erlassen. Verschiedene Politiker gingen deshalb davon aus, dass Airbnb das Reglement deshalb gerichtlich anfechten würde. Dazu kommt es jetzt nicht.
«Wir akzeptieren das Ergebnis des demokratischen Prozesses, wie er in der Stadt Luzern stattgefunden hat», erklärte Ellen Madeker, die Leiterin Public Policy von Airbnb in Deutschland, Österreich und der Schweiz, im Rahmen einer Medienkonferenz. Mit dem in den Diskussionen erzielten Ergebnis könne man leben, so Madeker gegenüber der NZZ.
Luzern ist nicht der einzige Ort, der die Vermietung von Ferienwohnungen einschränkt und damit Anbietern wie Airbnb einen Riegel vorschiebt. Ähnliche Bestimmungen kennen bereits der Kanton Tessin und die Stadt Bern. Im vom Massentourismus stark betroffenen Interlaken im Berner Oberland sammelt die SP derzeit Unterschriften für eine Volksinitiative nach dem Luzerner Vorbild. «Langsam, aber sicher wird die maximale Vermietung von Privatwohnungen während 90 Tagen zum nationalen Standard», so die NZZ.
Bei den Buchungsplattformen wächst die Angst vor einem Regulierungsdschungel. Diesem versucht Airbnb unter anderem vorzubeugen, indem das Unternehmen in ausgewählten Kantonen die Tourismusabgaben von den Gästen einzieht und an die zuständigen Verwaltungen weiterleitet. Mittlerweile bestehen neun solche Vereinbarungen mit den Kantonen Zürich, Luzern, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Freiburg, Genf, Schaffhausen, Waadt und Zug.
„Im Vergleich zu den drohenden Einschränkungen in Barcelona sind die Probleme für die Buchungsplattformen in der Schweiz überschaubar. Kritiker der Auswirkungen des Massentourismus werden die Entwicklung in Spanien jedoch aufmerksam verfolgen“, schreibt die NZZ.
Quellen: ahgz, NZZ, Luzerner Zeitung, Hotel Inside, SRF, Tourismus-Observatorium Wallis/Waadt, dpa.