Abstand zwischen klassischer Miete und All-in-Miete für Micro Living liegt bei rund 10 Euro pro Quadratmeter / Betreiber konstatieren eine hohe Auslastung und planen weitere Projekte / Neben Neubau sehen Experten Potenzial in Umplanungen von Büroobjekten und Konversionen von Bestandsimmobilien
Dr. Lars Vandrei, Senior Research Manager bei Catella Residential Investment Management / Bildquelle: Catella Residential Investment Management
Micro-Living-Projekte haben sich in den zurückliegenden Jahren am Investitionsmarkt etabliert. Aufgrund des attraktiven Rendite-Risiko-Profils, der hohen Nachfrage und der – im Vergleich zum klassischen Wohnungsmarkt – geringeren Regulierung stehen sie aktuell hoch in der Gunst von Investoren. Entwickler und Betreiber planer daher, in den kommenden Jahren mit ihren Konzepten zu expandieren und weitere Standorte zu eröffnen.
Dies sind die zentralen Erkenntnisse der Online-Pressekonferenz „Micro Living in Deutschland: Sinnvolle Entlastung für den Wohnungsmarkt oder einfach nur teuer?“, an denen Dr. Lars Vandrei, Senior Research Manager bei Catella Residential Investment Management, Anja Müller, COO von 360 Operator, und Florian Färber, CEO von The Base, teilgenommen haben.
Micro Living umfasst viele verschiedene Wohnkonzepte
Was überhaupt unter Micro Living zu verstehen sei, hat Dr. Lars Vandrei umrissen: „Es gibt keine allgemeingültige Definition von Micro Living. Es kann sich dabei um verschiedene Wohnkonzepte wie studentisches Wohnen, Service-Wohnen, Co-Living und Senior Living handeln. Gemeinsamer Nenner ist, dass es sich größtenteils um Einzimmerwohnungen handelt, die möbliert und temporär vermietet werden.
Je nach Format kommen noch Gemeinschaftsflächen und verschiedene Services hinzu. Es kann sich darüber hinaus um wohnwirtschaftliche oder gewerbliche Wohnkonzepte handeln. Bei den gewerblichen Wohnkonzepten liegt die Mietdauer in der Regel bei maximal sechs Monaten, bei wohnwirtschaftlichen Konzepten bei mindestens sechs Monaten.“
Micro Living hat sich am deutschen Investitionsmarkt etabliert
Das Transaktionsvolumen im Bereich Micro Living war in den vergangenen Jahren recht volatil, hat insgesamt aber deutlich zugenommen. Zwischen 2011 und 2013 lag es noch deutlich unterhalb der 200-Millionen-Euro-Marke. 2021 erreichte es ein Rekordniveau von 1,7 Milliarden Euro. Im Zuge der verschlechterten Markt- und Finanzierungsbedingungen seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist das Transaktionsvolumen in den Folgejahren 2022 und 2023 wieder deutlich gesunken auf zuletzt 400 Millionen Euro.
Der Anteil am Gesamtmarkt ist von einem Prozent im Jahr 2012 auf gut 5,5 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. Angesichts des schwächelnden Gesamtmarktes ist der Anteil etwas nach oben verzerrt. „Insgesamt kann man konstatieren, dass der Micro-Living-Markt in Deutschland noch vergleichsweise klein ist, aber wächst“, sagt Dr. Lars Vandrei. „Dabei verdrängt das Segment nicht in großem Stil das klassische Wohnen. Einerseits zeigen die neuen Zahlen der Gebäude- und Wohnungszählung im Rahmen des Zensus, dass der Anteil der Einzimmerwohnungen in Deutschland nicht maßgeblich gestiegen ist.
Andererseits handelt es sich bei Micro-Living-Projekten planungsrechtlich zum Teil um gewerbliche Nutzungen. Die Gebäude stehen also auf Gewerbegrundstücken, die nicht für eine klassische Wohnnutzung vorgesehen sind.“ Mit Blick auf die Mietentwicklung konstatiert Vandrei: „Die Angebotsmieten für möblierte Einzimmerwohnungen haben sich beispielsweise in Berlin seit 2016 um durchschnittlich 5,7 Prozent pro Jahr erhöht. Aus unserer Sicht ist dies marktgerecht. Die Erhöhung bewegt sich im Bereich der Mietentwicklung des klassischen Wohnsegments, die im selben Zeitraum für Neubau bei jährlich 6,7 Prozent und für Bestandsbauten bei jährlich 5,2 Prozent lag.“
All-in-Miete versus Kaltmiete pro Quadratmeter
Den Abstand zwischen klassischer Miete für eine Neubauwohnung und der Miete für ein Micro-Living-Apartment taxiert Lars Vandrei auf monatlich rund 10 Euro je Quadratmeter. Hierbei sei jedoch zu beachten, dass die Apartments eine deutlich kleinere Wohnfläche als klassische Wohnungen haben. „Wir bewegen uns im Bereich von etwa 18 bis 35 Quadratmeter. Zudem handelt es sich bei den Mieten im Bereich Micro Living um sogenannte All-in-Mieten. Das bedeutet, dass in der Regel alle Nebenkosten wie Strom, Heizung, Warm- und Kaltwasser, aber auch Internet und TV inkludiert sind.
Darüber hinaus stehen den Bewohnern von Micro-Living-Projekten je nach Konzept verschiedene Gemeinschaftsflächen wie beispielsweise ein Sportstudio, Co-Working-Arbeitsplätze, ein Kino oder ein Gaming-Raum sowie Services und ein Ansprechpartner vor Ort zur Verfügung. In Kombination mit dem größeren Management-Aufwand, der sich daraus ergibt, errechnet sich der Mietabstand.“
Dass der häufig herangezogene Vergleich der Quadratmetermieten jedoch in die Irre führen kann und Micro-Living-Mieten in der Gesamtbetrachtung häufig sogar günstiger für die Bewohner ausfallen als im klassischen Wohnsegment, rechnet Florian Färber, CEO vom Co-Living-Anbieter The Base, vor. „Die All-in-Mieten für unsere möblierten Apartments starten bei 949 Euro im Monat. Die Kaltmiete für eine Wohnung auf dem freien Mietwohnungsmarkt zuzüglich Nebenkosten, Möbel, Strom, Internet, TV sowie Kosten für das Fitnessstudio oder einen Co-Working-Arbeitsplatz summieren sich schnell auf gut 1.400 Euro.“
Betreiber auf Wachstumskurs
The Base managt derzeit zwei Häuser in Berlin und München. Drei weitere Häuser sind bereits in der Pipeline und sollen bis 2027 eröffnet werden. „Wir haben eine hohe Nachfrage nach unseren Apartments und befinden uns auf Wachstumskurs. In Berlin liegt die Auslastung bei knapp 100 Prozent“, so Färber. „Unsere Zielgruppe sind Young Professionals und Business Travelers, die für ihren Job oder für eine begrenzte Zeit zum Beispiel für eine Projektarbeit in eine für sie neue Stadt kommen.
Unser Konzept zielt darauf ab, Menschen zusammenzubringen und so der grassierenden Vereinsamung in den Großstädten entgegenzuwirken. Aus diesem Grund verfügen unsere Häuser im Schnitt über knapp zehn Prozent Community-Flächen, wie eine Bar, ein Kino oder ein Gym. Zusätzlich organisiert ein Community Manager regelmäßig Events in den Häusern – vom Tischtennisturnier bis zum Kochkurs. Die Events werden sehr gut angenommen und wir sehen, dass junge Menschen bereit sind, sich in ihrer individuellen Wohnfläche zu reduzieren, wenn sie dadurch Zugang zu Flächen bekommen, die sie sich normalerweise nicht leisten könnten.“
Mit der Marke Staytoo bietet 360 Operator, Entwickler und Betreiber innovativer Wohnkonzepte, ein spezielles Angebot mit Fokus auf Studierende. Attraktive Standorte seien dabei auch abseits der Top-7 des Wohnungsmarktes zu finden. „Wir sind mit unseren Staytoo-Häusern auch in B- und C-Städten wie Bonn, Kaiserslautern und Nürnberg vertreten“, sagt Anja Müller, COO von 360 Operator. „Das Angebot an Wohnraum speziell für Studierende deckt in fast allen Universitätsstädten nicht die Nachfrage. Die Konkurrenz am klassischen Wohnungsmarkt hat stark zugenommen. Unsere Wohnkonzepte erfahren dadurch einen großen Zulauf.“
2021 hat 360 Operator das Management für das Staytoo-Portfolio übernommen. Die Auslastung der fünf Häuser mit insgesamt 984 Apartments lag zu diesem Zeitpunkt bei 67 Prozent. „Durch gutes Management, eine Überarbeitung des Markenauftritts und eine stärkere Ausrichtung auf die Bedürfnisse insbesondere internationaler Studierender konnten wir die Belegungsrate auf 98 Prozent erhöhen“, so Anja Müller.
„So sehen sich insbesondere Studierende aus dem Ausland mit hohen Zugangsbeschränkungen zum klassischen Wohnungsmarkt konfrontiert, seien es Nachweise zum Aufenthaltsstatus, dem Einkommen oder einer Schufa-Auskunft. Hier können wir flexibler agieren als die meisten Hausverwaltungen. Daneben bieten unsere Häuser Community-Flächen, die es den Studierenden ermöglichen, in einer neuen Stadt schnell anzukommen und Bekanntschaften zu knüpfen.“
Potenzial liegt in Umplanungen und Konversionen
Derzeit hat 360 Operator fünf weitere Häuser der Marke Staytoo in der Pipeline. Dabei muss es nicht immer Neubau sein. „In Ludwigshafen wandeln wir beispielsweise ein ehemals als Bank genutztes Gebäude in ein Student-Living-Projekt um“, sagt Anja Müller. Florian Färber ergänzt: „Da der Büromarkt aufgrund der konjunkturellen Eintrübung unter Druck geraten ist, sehen wir aktuell einige Umplanungen oder Konversionen von Büro in Micro Living.
So haben wir im vergangenen Jahr das Projekt Base Berlin One im Berliner Bezirk Pankow eröffnet. Dabei handelt es sich um das ehemalige DDR-Devisenministerium, das im Zuge der Konversion in ein Apartmenthaus mit 275 und einem zusätzlichen Hotel mit 43 Zimmern umgebaut wurde.“ Das Objekt hatte die Catella Residential Investment Management im Jahr 2022 für den Fonds Catella Wohnen Europa erworben.