79 Hotels, 13 verschiedene Marken – Accor ist in der Schweiz die grösste Hotelgruppe. Operativ verantwortlich für «Accor Schweiz» ist Jochen Renz. Hotel Inside sprach mit dem 38-jährigen Accor-Manager und mit seiner Kollegin Sabrina Westphälinger (Direktorin «Talent & Culture» bei Accor) über Wachstum, Luxus, Lifestyle, Talentförderung und die weitere Markenexpansion von Accor in der Schweiz.
Hotel Inside-Journalist Hans R. Amrein sprach im Novotel Zürich-West mit Jochen Renz, seit April 2022 operativer Chef der Accor Switzerland SA. Welche Absichten hat der grösste Hotelkonzern Europas in Zukunft in der Schweiz? Schon heute ist Accor mit 79 Hotels und 13 verschiedenen Hotelmarken die mit Abstand grösste Hotelgruppe zwischen Genfer- und Bodensee. Und: Wie schafft es Accor, genügend Mitarbeitende und Talente für all die neuen Hotels zu finden? Was viele nicht wissen: Es gibt in der Tat so etwas wie eine «Accor-Kultur». Antworten auf solche Fragen gibt Sabrina Westphälinger, Senior Director Talent & Culture bei Accor in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH).
Wer ist Jochen Renz?
Joch Renz wurde am 20. Oktober 1985 geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter (10 und 8). Nach dem Gymnasium in Deutschland machte er eine Lehre als Hotelkaufmann. Er absolvierte den Lehrgang Dipl. Hotelmanager NDS HF an der Hotelfachschule Thun. An der Hochschule für Wirtschaft in Zürich (HWZ) machte er einen Executive Master in General Management. 2022 und 2023 studierte er an der Cornell University New York (USA) «Hotel Real Estate & Asset Management».
Jochen Renz arbeitete in verschiedenen Kaderposition in diversen Hotels, so u.a. im Maritime Hotel Bonn, im Mövenpick Hotel Zürich-Regensdorf (Director of Rooms & Sales), im Courtyard by Marriott Zürich Nord und Basel (Verkaufsdirektor und Hotelmanager). Von 2020 bis 2022 war Jochen Renz Hotelmanager bei der SV Group und führte das Renaissance Tower Hotel Zürich. Seit April 2022 arbeitet er als operativer Chef für Accor Switzerland SA. Er ist verantwortlich für die Accor-Hotels in der Schweiz und Süddeutschland.
Wer ist Sabrina Westphälinger?
Sabrina Westphälinger verantwortet seit mehr als vier Jahren den HR-Bereich für Accor in der DACH Region – als Senior Director Talent & Culture Germany, Austria & Switzerland. Gleichzeitig verantwortet sie die Geschäftsführung der Accor Hotels Switzerland SA als Countrylead. Davor war sie (Cluster) Director of Human Resources & Training bei Accors Premiummarke Mövenpick Hotels & Resorts. Ein weiter Meilenstein ihrer Karriere waren HR-Positionen bei Booking.com, wo Sabrina Westphaelinger ebenfalls umfangreiche Erfahrungen mit Verantwortung für die Region Zentraleuropa sammeln konnte. Sie begann ihre Karriere mit einer klassischen Hotelfachausbildung, gefolgt von über zehn Jahren HR-Positionen bei der InterContinental Hotels Group in Deutschland und der Schweiz. Sie hat einen Executive Master in General Management an der Fachhochschule Graubünden abgeschlossen.
Inside-Interview mit Jochen Renz und Sabrina Westphälinger in Textform
Wie läuft das Geschäft für Accor allgemein in der Schweiz?
Bis jetzt gehen wir von einem soliden Jahr aus, das unseren Erwartungen entspricht. Zwar hat sich der Aufholeffekt, den die Reisebranche nach der Pandemie erlebte, zuletzt verlangsamt. Das Gleiche gilt für die Zimmerpreise, wo wir in einigen Segmenten erste Anzeichen einer Sättigung sehen. Nichtsdestotrotz erwarten wir – basierend auf der bereits guten Buchungslage – eine sehr positive Sommersaison für die Schweiz, die zusätzlich von Großanlässen wie der Rad-WM in Zürich und dem Montreux Jazz Festival angetrieben werden dürfte. Für 2025 freuen wir uns bereits auf den European Song Contest, der in der Schweiz stattfinden wird.
Wie sieht das Accor-Wachstum in der Schweiz aus? Wie viele Hotels wollen Sie zwischen Genfer- und Bodensee noch eröffnen?
In den letzten Jahren konnten wir ein stetes Wachstum verzeichnen, maßgeblich durch unsere Premium-Marken sowie unsere Conversion-Marken Mercure und ibis Styles vorangetrieben. Allein von 2019 bis 2023 haben wir unser Netzwerk in der Schweiz über alle Segmente hinweg um mehr als zehn Hotel vergrößert, darunter Häuser wie das Fairmont Grand Hotel Geneva, das Swissôtel Kursaal Bern, das Mövenpick Hotel Basel, das Mercure Geneva Airport, das ibis Styles St. Margrethen Bodensee und das Mercure Zürich City. Unser Mercure-Portfolio in der Schweiz konnten wir sogar verdoppeln.
Der strategische Fokus lag dabei auf der Übernahme von Bestandshotels, denen wir mit unseren Conversion- und Collection-Marken eine schnelle und effiziente Netzwerkintegration ermöglichen. So konnten wir die Schweizer Marktpräsenz von Accor auf derzeit 79 Hotels erhöhen, acht weitere Hotels sind in der Pipeline, darunter das Mövenpick Disentis (Eröffnung 2026), das Mövenpick Savognin (Eröffnung 2026) und das Mama Shelter Zürich (Teil der Lifestyle-Division unter der Leitung von Ennismore).
Was ist in den verschiedenen Accor-Brands geplant für die Schweiz?
2024 feiern wir das 50-jährige Jubiläum unserer ibis Marken. Mit rund 2600 Hotels in 80 Ländern weltweit spielt sie eine zentrale Rolle für Accor. Auch in der Schweiz ist sie mit 24 ibis Hotels, 13 ibis Budget Hotels und neun ibis Styles Hotels zahlenmäßig die stärkste Accor-Marke. Ziel ist es, das Portfolio weiter zu verdichten und gleichzeitig unsere Marken zu verjüngen, zudem wollen wir unser Hotelnetzwerk modernisieren. Dazu rollen wir unter anderem unsere neuen, flexiblen Markendesigns aus, um auf die Bedürfnisse von Gästen und Hotelpartnern gleichermaßen eingehen. Das jüngste Beispiel für eine solche Modernisierung ist das ibis Chur.
Auch den Novotel-Brand wollen wir in der Schweiz weiter stärken. Die Gründungsmarke von Accor wird als eine sehr ausgewogene Marke wahrgenommen und ist dadurch bei Geschäftsreisenden, MICE-Gästen, Freizeitreisenden und Familien gleichermaßen beliebt.
Diesen Wiedererkennungswert und die Positionierung wollen wir weiter fördern, unterstützt durch die Modernisierung und Weiterentwicklung unseres Netzwerks. Zu den jüngsten Renovierungen gehören hier das Novotel Zürich City West und das Novotel Bern Expo Messe (beide abgeschlossen) sowie das Novotel Zürich Airport zusammen mit unserem Partner Accor- Invest (Renovierung wird 2025 abgeschlossen).
Bei Mercure konnten wir das Markennetz in der Schweiz in den letzten Jahren vor allem durch Conversions verdoppeln. Zu den jüngsten Ergänzungen gehören Häuser in Delémont, Genf und Zürich. Weiter legen wir einen Fokus darauf, unsere gemeinschaftliche Dachmarke „ALL – Accor Live Limitless“ als Buchungsplattform und Loyalty-Programm zugleich verstärkt zu promoten. Einerseits mit einer verstärkten Kommunikation des Programms und seiner Angebote, andererseits durch Event-Präsenzen wie beispielsweise die ALL Lounge am Montreux Jazz Festival und «Money Can’t Buy»-Erlebnisse.
Wie wichtig ist die Schweiz für Accor?
Allein die Anzahl der Hotels unterstreicht den Stellenwert der Schweiz für Accor. Es ist uns gelungen, Accor mit 79 Hotels über 13 verschiedenen Marken in nahezu allen Teilen der Schweiz zu etablieren. Acht weitere Hotels sind bereits in der Pipeline.
Kommt die neuartige Handwritten Collection auch in die Schweiz?
Die Handwritten Collection ist seit ihrer Lancierung vor etwas mehr als einem Jahr vom Markt mit großem Interesse aufgenommen worden. Generell sehen wir ein grosses Potenzial für die Marke in der Schweiz – einem Gastgewerbemarkt, der traditionell von unabhängigen Hoteliers dominiert wird. Die Handwritten Collection ermöglicht diesen, ihre Rentabilität zu steigern, indem sie sich dem umfassenden Vertriebs-, Verkaufs- und Marketingnetz von Accor anschließen und gleichzeitig ihren persönlichen Stil und ihr Hotelmanagement beibehalten. Näheres zum geplanten Markteintritt in der Schweiz können wir derzeit nicht sagen.
Die Schweizer Hospitality-Branche steckt mitten in einem Transformationsprozess, man spricht auch von Strukturwandel. Fazit: Immer mehr privat geführte Hotels kommen auf den Markt und suchen nach einer betrieblichen Lösung. Was bietet Accor solchen KMU-Betrieben – neben der neuen Handwritten Collection?
Mit seinem breit gefächerten Markenportfolio in allen Segmenten und für unterschiedliche Zielgruppen hat Accor sein Angebot für sämtliche Bedürfnisse von Investoren und Partnern optimiert. Unsere Conversion- und Collection-Marken sind speziell für Hoteliers konzipiert, die ihre Unabhängigkeit bewahren wollen. Innerhalb des Bereichs Premium, Midscale & Economy (PME) sind dies unter anderem greet, ibis Styles, Mercure und eben die Marke Handwritten Collection.
Partner können schnell – dank individualisierter Lösungen – ins Accor-Netzwerk integriert werden, was sie direkt von den Vorteilen der Accor-Infrastruktur und ihren starken Verkaufs-, Treue-, Marketing- und Vertriebskanälen profitieren lässt. Es bedarf einem geringeren Investitionsvolumen und gleichzeitig kann der individuelle Charakter des Hotels erhalten werden.
Worin sehen Sie die größte Herausforderung in der Schweizer Hotellerie?
Die Schweiz wird in Bezug auf die Preisgestaltung als „Premium-Destination“ wahrgenommen, was insbesondere für den internationalen Tourismus eine große Rolle spielt. Das Gastgewerbe muss daher sicherstellen, dass höhere Preise durch ein gehobenes Gästeerlebnis und einen Mehrwert für den Gast gerechtfertigt sind.
Accor nutzt dafür verschiedene Stellschrauben: Einerseits durch eine hohe Servicequalität, angetrieben durch die kontinuierliche Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter, als auch durch Initiativen wie die Lifestyle-Treueplattform ALL – Accor Live Limitless und strategische lokale Partnerschaften. Mit den letzteren beiden Punkten ermöglichen wir unseren Gästen Erlebnisse, die über den reinen Hotelaufenthalt hinausgehen. Gleichzeitig modernisieren wir laufend unser Netzwerk sowie unsere Markenprogramme, Marken-Versprechen- und Richtlinien, um den Gästen ein attraktives Produkt zu bieten.
Zuletzt spielt auch das Thema Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung eine wichtige Rolle. Hier pflegen wir zahlreiche externe Partnerschaften wie jene mit To Good to Go, bemühen uns um externe Zertifizierungen wie Green Globe für Mövenpick und gehen Kooperationen mit lokalen Gemeinden ein.
Gerade die Positionierung als nachhaltige Destination ist für die Schweiz generell wichtig, um mit anderen „Berg-Regionen“ konkurrieren zu können, die diesen Aspekt als USP in ihrem Destinationsmarketing stark forcieren.
Eine weitere Herausforderung ist das oftmalige Silo-Denken durch die vielen einzelnen Akteure, die den Schweizer Gastgewerbemarkt prägen. Um als Destination langfristig die Nase vorn zu haben und innovativ zu bleiben, müssen wir als eine Branche auftreten – gerade bei Themen wie Personalmangel und digitale Lösungen.
Das Lifestyle-Segment spielt aus Accor-Optik eine zentrale Rolle – auch in der Schweiz?
Bei Beginn unseres Transformationsprozess vor etwa einem Jahrzehnt wollten wir ein Ökosystem von Marken und Dienstleistungen in allen Segmenten aufbauen, mit ALL als zentralisierter Plattform. In unserer Firmenhistorie waren wir immer sehr stark im Mittelklasse- und Economy-Segment. Unser Ziel war es daher, unseren Anteil im Premium-, Luxus- und Lifestyle-Segment zu erhöhen. Ursprünglich waren wir bei 10 Prozent, jetzt macht Luxus & Lifestyle etwa 30 Prozent unseres Portfolios aus. Für das Lifestyle-Segment sehen wir in der Schweiz ein grosses Potenzial: 25hours zum Beispiel ist bereits gut im Markt etabliert, und in Zürich entsteht demnächst ein neues Mama Shelter-Haus.
Auch wenn wir viel in unser Luxus- und Lifestyle-Portfolio investiert haben, sind unsere traditionellen Marken immer das Herzstück des Accor Marken-Universums geblieben. Hier wiederum profitieren wir von der Erfahrung unseres Lifestyle-Segments und haben auch bei unseren „klassischen“ Marken Lifestyle-Elemente eingeführt, von weniger standardisierten Designkonzepten (z.B. ibis, Novotel, Mercure, TRIBE) bis hin zu zusätzlichen Wellness- (z.B. Swissôtel, Novotel) und F&B-Angeboten (z.B. TRIBE, Mövenpick).
Nochmals: Warum also sollte sich ein Schweizer Privat-Hotelier für eine Kooperation mit Accor entscheiden?
Als Marktführer in der Schweiz mit über 50 Jahren Erfahrung in Management, Betrieb und Franchising, der starken Stellung der Schweiz für Accor, bedingt durch die beiden Marken Mövenpick und Swissôtel, und einem lokalen Team vor Ort, versteht Accor die spezifischen Bedürfnisse des Marktes. Wir bieten individuelle Managementlösungen, die auf die verschiedenen Interessensgruppen und ihre jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Unabhängige Hoteliers profitieren von der Maximierung ihres Hotelumsatzes, Immobilieneigentümer von der Sicherstellung der Realisierbarkeit eines Hotelprojekts,
Bauträger von optimierten Immobilienprojekten und Immobilien-Investoren von einer Steigerung der Investitionsleistung.
Unsere Conversion- und Collection-Marken bieten weiter eine einfache und schnelle Netzwerkintegration mit allen Vorteilen des Accor-Universums, während der Hotelier unabhängig bleibt. Zudem bieten wir ein breites Spektrum an Dienstleistungen für alle Arten von Eigentümern: Von der zentralisierten Plattform all.com, über das Loyalitätsprogramm All – Accor Live Limitless und zusätzliche Verkaufs-, Treue-, Marketing -und Vertriebskanäle bis hin zu weiteren Unterstützungsfunktionen, beispielsweise im technischen Bereich.