55 Zimmer und Apartments, Penthouse-Suite, Bienen auf dem Dach, Lounge-Bibliothek, „Milch-Lädeli“ und ein Star-Coiffeur im zweiten Stock: Das ehemals traditionelle Hotel Alpenblick in Bern hat sich zum hybriden Trendhotel gewandelt. Hotel Inside sprach mit Gastgeber Robert Kneubühler über die Neupositionierung des 1895 erbauten Hotels.
Als der „Alpenblick“ im Jahr 1895 im Berner Breitenrainquartier, direkt gegenüber der Kaserne, eröffnet wurde, hatten die Gäste des Hotels noch Alpensicht. Jetzt blicken sie auf Wohnhäuser, Innenhöfe und das Kasernenareal. Bis 2021 war das damalige 3-Sterne-Haus im Besitz der Zürcher „Welcome Hotels“, die den Betrieb auch operativ führten. Hotelmanager war schon damals Robert Kneubühler. Aufgrund der Corona-Krise verkaufte Marcel Wohlgemuth, Inhaber der „Welcome Hotels“, das Berner Haus. Heute ist die Immobilie im Besitz der „Swiss Star“-Gruppe. Diese besitzt und führt in der Region Zürich etwa 800 bis 1000 Budget-Apartments. Der Berner „Alpenblick“ ist das einzige Hotel im Portfolio von „Swiss Star“.
Robert Kneubühler führt „sein“ Boutique-Hotel seit 16 Jahren. Das früher zum Hotel gehörende „Restaurant Alpenblick“ wurde an einen externen Betreiber ausgelagert. Kneubühler ist als Geschäftsleiter „nur“ noch für den Hotel- und Apartment-Betrieb zuständig. Aus dem eher traditionellen Hotel machte er in den letzten zwei bis drei Jahren ein hybrides, etwas trendiges Boutique-Hotel mit Lounge, Bibliothek, Star-Coiffeur, „Milch-Lädeli“, Waschküche und Bienen auf dem Dach. 60 Prozent der Gäste sind Schweizer, 30 Prozent Deutsche, der Anteil Freizeitgäste liegt bei 30 Prozent. Der Gäste-Mix: „Alles“, so Robert Kneubühler: Militärs, Sportler, Musiker der angrenzenden Hochschule der Künste, IT-Techniker, Familien, Junge, Rentner – ein bunt gemischtes Volk.“
Neu ist, dass Kneubühler jetzt auch auf Langzeitgäste setzt, deshalb die Apartments mit kleiner Küche, deshalb die Waschmaschinen im Untergeschoss. Das Frühstück wird den Gästen als Option in „Kisten“ direkt vor die Zimmer oder Apartments gebracht. Mit 8,6 erreicht der „Alpenblick“ auf Booking.com aktuell eine „sehr gute Bewertung“. Die Auslastung liegt – aufs Jahr gesehen – bei 50 bis 70 Prozent. Das Hotel setzt im Jahr etwa 2 Millionen Franken um.
Hotel Inside-Publizist Hans R. Amrein sprach mit Robert Kneubühler über die Neupositionierung des „Alpenblick“:
Interview mit Robert Kneubühler
Robert Kneubühler, wie würden Sie die aktuelle Positionierung des Hotels umschreiben? Was ist jetzt einzigartig und anders als bei Ihren Mitbewerbern?
Wir haben uns nach Corona komplett neu positioniert und sind nun viel hybrider unterwegs. Wir haben uns nebst den klassischen Hotelübernachtungen auf Extended Stay konzentriert. Einzigartigkeit ist ein starker Begriff, wer ist heute schon einzigartig? Es gibt ja schon fast alles! Es ist eine Frage der Komposition, die uns von anderen Betrieben differenziert. Bei uns kriegt man keine standardmäßige Zimmerreinigung, dafür pflanzen wir Bäume mit Hotels for trees als Alternative, wir haben Bienen auf dem Dach, heizen mit Pellets, und wir haben einen Bauernhofladen (Milch & Co.) im Haus integriert. 90 Prozent der Hotelzimmer verfügen über eine „versteckte“ Küche und die Gäste profitieren von einer lichtdurchfluteten Bibliothek als Aufenthaltsraum. Den spannendsten Coiffeursalon Berns (Enrico Bizzarro) ist ebenfalls mitten im Hotel untergebracht.
Wer sind Ihre Gäste?
Ein großer Teil machen nach wie vor die Bundesbetriebe aus. Insgesamt haben wir ca. 60% Schweizer-, 30% Deutsche und entsprechend etwa 10% internationale Gäste. Durch das Extended Stay haben wir nun auch ganze Familien, die beispielsweise ihr Haus im Quartier umbauen und während dieser Zeit bei uns wohnen, aber auch viele Firmen, die Mandate für eine gewisse Phase haben.
Ist der Alpenblick wirtschaftlich wieder erfolgreich?
Corona hat auch uns etwas durchgeschüttelt. Wir konnten jedoch in den starken Monaten wieder an die Vorjahre anknüpfen. Das erste Quartal 2024 ist jedoch schlechter als die Jahre zuvor. Hatten wir früher im Dezember/Januar etwas weniger Umsatz, zieht es sich nun in den März rein. Rentabel sind wir jedoch nach wie vor.
Ist es für Sie eine Option, in eine Hotel-Marketingvereinigung einzutreten, zum Beispiel Swiss Quality Hotels?
Nein, das ist aktuell kein Thema.
Haben Sie sich überlegt, evtl. ein Franchising mit einer internationalen Hotelgruppe einzugehen?
Wir haben 55 Zimmer und sind höchst individuell unterwegs. Wir schätzen die Unabhängigkeit. Sollte der Druck am Markt steigen, wäre dies wohl eine Möglichkeit, sofern es eine Hotelmarke gibt, die zu uns passt.
Bewährt sich die aktuelle „Mischung“ aus Hotelzimmern und Service Apartments?
Ja, wir haben dadurch eine konstantere Grundauslastung. Die Beziehung zu den Gästen ist noch enger als vorher. Generell ist der Betrieb weniger hektisch geworden. Herausfordernd wiederum ist, dass man die richtige Balance findet zwischen short
und extended stay. Zu viel Extended wirkt sich wiederum auf den Durchschnittspreis aus – und entsprechend auf die Personalkosten. Die richtige Mischung haben wir inzwischen gefunden.
Warum verzichten Sie auf die Gastronomie und haben das Restaurant ausgelagert?
Wir haben das Restaurant zwölf Jahre lang wirtschaftlich erfolgreich geführt – und auch nach Corona konnte sich der F&B-Umsatz sehen lassen. Mir persönlich fehlte nach Corona die Vision und auch etwas die Energie, für die nächsten fünf bis zehn Jahre ein eigenes Restaurant zu führen. Das war keine gute Ausgangslage. Zudem hat uns zu diesem Zeitpunkt der Restaurationsleiter verlassen. Generell bin ich immer für partnerschaftliche Situationen, wo beide Parteien gewinnen. Mit den neuen Pächtern des Restaurants „Darling“ haben wir ein zeitgemäßes Konzept im Haus, das aich zur Neuausrichtung des Hotels passt. Der nötige Elan ist spürbar und der Laden brummt. Was will man mehr!
Finden Sie in Bern genügend Mitarbeitende? Und wie beurteilen Sie den Arbeitsmarkt in Bern?
Wir hatten nie Mitarbeiterprobleme, ganz im Gegenteil. Wir erhalten regelmäßig Blindbewerbungen. Dies hat wohl auch mit der Lage in der Stadt Bern zu tun, die als attraktiv wahrgenommen wird. Hauptgrund ist der „Team Spirit“, der sich über die Website oder Instagram erahnen lässt. Die Hierarchie ist flach, die Mitsprache sehr hoch, der Spaß an der Arbeit steht im Zentrum, und das spüren auch die Gäste.
Im Mai sind wir zudem mit der Zweitfirma NIGHTY NIGHTY gestartet und konnten die ersten Betriebe ins Boot holen. Mit der Dienstleistung von NIGHTY NIGHTY bieten wir Nachtportierservice aus der Ferne an. Wir sind überzeugt, dass dies ein Bedürfnis für verschiedene Beherbergungsbetriebe ist und auch hier wieder Win/Win-Situationen generiert.
Schlussfrage: Was reizt Sie persönlich, ein Hotel zu betreiben?
Ich bin nun vierzehn Jahre in diesem Haus, was im ersten Moment langweilig klingt. Der Betrieb hat sich immer wieder so stark verwandelt, als hätte ich mehrere Betriebswechsel hinter mir. Es war immer spannend, was wohl auch mit dem Vertrauen der Besitzer zu tun hatte. Wir hatten immer Freiheiten, unsere Ideen zu verwirklichen.
Bildlegende Hauptfoto: „Alpenblick“-Hotelmanager und Gastgeber Robert Kneubühler.