KI spaltet die Gemüter von Architekten und Designern. Können menschliche und künstliche Kreativität Hand in Hand gehen? Wir haben acht Experten um ihre Einschätzung gebeten.
Lukas Rungger, Noa Network
„Künstliche Intelligenz ist in der Architekturpraxis ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist sie ein Werkzeug, das uns bei der Verbesserung unserer Arbeitsabläufe helfen kann. Andererseits besteht die Gefahr, dass sie in unseren kreativen Prozessen unkontrolliert die Oberhand gewinnt. Wenn wir momentan über KI in der Architektur sprechen, denke ich vor allem an das immense Potenzial, das es Programmen wie Midjourney ermöglicht, in kürzester Zeit eine riesige Menge an Bildern zu produzieren. Das hängt allerdings ganz vom Input ab, den die KI erhält. Wenn man sich aktuelle KI-Projekte ansieht, findet man oft nur ‚tolle‘ Bilder mit wenig Tiefe. Andererseits birgt die Tendenz zur Kreation immersiver Welten viel Potenzial.
Die Frage ist jedoch: Verwenden wir KI überhaupt richtig? Wir haben eine äußerst leistungsfähige Maschine, die komplexe Operationen in Millisekunden durchführen kann. Dennoch ist unser Mindset und unser persönliches Gepäck an Erfahrungen, Bildern, Emotionen und Reisen viel substanzieller als die Möglichkeit, 100 Renderings in fünf Minuten zu erstellen – schließlich ist es das, was Architektur ausmacht!
Fest steht: KI kann ein extrem wertvoller Gehilfe für viele Aspekte der Planung und Konzeption sein. Sie ist wie ein Paar Skier, das wir anziehen, doch wir Menschen entscheiden, ob wir damit Slalom oder Abfahrt fahren, ob wir bergauf laufen oder bergab racen – nicht umgekehrt. Sie kann uns Anregungen, Denkanstöße und neue Horizonte geben. Sie ist ein wichtiger Teil unserer Designkultur geworden – und wir sind mitten in der Lernphase, wie wir sie am besten einsetzen.“
Sabine De Schutter und Vikramaditya Varma, Studio de Schutter
„Als Lichtplaner integrieren wir die fortgeschrittene Technologie in unsere Arbeit. Ein Beispiel dafür ist das Harry-Potter-Theater in Hamburg, bei dem wir parametrisches Design zur Anwendung brachten. Das Projekt umfasst eine Lichtwolke, die aus mehr als 3.000 Glühbirnen und über 7,5 Kilometern Kabeln von Pendelleuchten besteht. Parametrisches Design ermöglichte uns dabei, verschiedene Entwurfsvarianten zu entwickeln. Wir verwendeten Rhino und ähnliche Programme, um mit der Form der Installation zu experimentieren und die60 verschiedenen Leuchtentypen zuzuordnen. Während parametrisches Design heute ein spezifischer Ansatz zur Designautomatisierung ist, der auf definierten Regeln basiert, haben KI-Programme die Fähigkeit, zu lernen und dadurch Aufgaben auszuführen, die traditionell eine Form der menschlichen Interaktion erfordern.
Wir sind überzeugt, dass KI-gestütztes Design vor allem bei Hotelketten Anwendung finden wird. Während sich etwa das Designteam auf den kreativen Prozess konzentriert, kann KI bei der Umsetzung, aber auch bei der Variation für einzelne Standorte behilflich sein. Die neue Technologie wird die Lücken zwischen repetitiver Arbeit und parametrischem Design schließen, so dass wir uns mehr und mehr auf die kreative Arbeit konzentrieren können.“
Cord + Rolf Glantz, Geplan Design
„KI wird unsere Arbeit möglicherweise stark verändern, wir sehen da Ähnlichkeiten zur Einführung der CAD-Zeichenprogramme. Am Ende gingen keine Arbeitsplätze verloren. Im Gegenteil: Es wurden viele neue geschaffen, die es vorher nicht gab. So könnte es auch bei KI sein, das Berufsbild wandelt sich. Echte Kreativität wird weiterhin kaum zu ersetzen sein und den Unterschied machen.
Auch deshalb, weil die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz allen zur Verfügung stehen, eben nicht exklusiv sind und somit das ganze Niveau heben. Die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachdisziplinen in komplexen Planungsprozessen wird die KI wohl nicht leisten können, deshalb sehe ich ihren Einsatz nur in Teilbereichen. Kreative Planer, die Ihren Beruf lieben und dafür leben, müssen sich sicher keine Sorgen machen.“
Barbara Wiethoff, Joi-Design
„Wir haben mit der KI ein neues Werkzeug geschenkt bekommen, das unsere Fantasie beflügelt und den kreativen Output bereichert. Als erfahrene Innenarchitekten liegt es jedoch bei uns, diese spannenden Ergebnisse zu filtern, auszuloten, uns inspirieren zu lassen, um dann eine reale Umsetzung zu ermöglichen. Der Erfahrungswert des Planers, der die vielfältigen Entscheidungsstränge zusammenführt, um ein individuelles, einladendes und funktionales Interieur zu verwirklichen, ist zur Zeit nicht so einfach ersetzbar.
Die Anforderungen sind vielfältig und die Komplexität des Abstimmungsprozesses unter Einbindung aller Projektbeteiligten nicht zu unterschätzen. Im Laufe eines Hotelprojekts spielt die Psychologie eine bedeutende Rolle. Es gilt, die einzelnen Protagonisten, vom Kunden über die Fachplaner bis hin zum ausführenden Handwerker, mitzunehmen, einzubinden und gemeinsam zu guten Lösungen und auch Kompromissen zu finden. Hier kann die Technik wunderbar unterstützen. Ersetzen kann sie den Menschen nicht.“
Karim El-Ishmawi, Kinzo Berlin
„Wir betrachten bei Projekten die Stadt, die Kultur, die Architektur und natürlich die Menschen, die sich darin bewegen. Ihre Perspektive steht im Zentrum jeder Planung. Bei Hotelkonzepten ist genau dieser Ansatz eines kollektiven, inklusiven Ortes unumgänglich. Das schaffen wir, indem wir uns in die Lage der Nutzer hineinversetzen. Wir projizieren die individuellen Aktivitäten und Bewegungsströme zukünftiger Nutzer auf die Raumstruktur und stellen so eine authentische Belebung eines Ortes sicher. Genau hier kommt die KI ins Spiel.
Der heutige Nutzer ist nicht der gleiche wie der von Morgen und ein Ort kann nur dann funktionieren, wenn er schon jetzt für die Zukunft gedacht ist. Wir nutzen Tools wie Virtual Reality (VR), 360-Grad-Bilder, Visualisierungen und natürlich KI als Erweiterung des kreativen Potenzials, um Ideen zu verfeinern und innovative Lösungen zu finden, aber auch zur Inspiration und Trendvorhersage. In unseren Designprozessen hilft KI beispielsweise bei der Visualisierung von Stimmungsbildern, die in Sekunden an Kundenanforderungen angepasst werden können.
Wir hoffen, in Zukunft noch komplexere Simulationen durchführen zu können, um Aspekte wie Energieeffizienz, Raumakustik oder Tageslichtnutzung, aber auch unsere Entwurfsprozesse weiter zu optimieren. Insgesamt betrachten wir KI als ein weiteres Teammitglied in unserem Büro und glauben, dass die Zukunft der Architektur in der Symbiose von Mensch und Maschine liegt.“
Jose Miso, Ippolito Fleitz Group
„Künstliche Intelligenz wird uns helfen, effizienter zu arbeiten. Ein Einsatzgebiet ist die Analyse, denn KI kann große Datenmengen schnell verarbeiten. Das kann uns bei der Material- und Produktauswahl oder bei der Budgetplanung unterstützen. KI kann aber auch das Nutzungsverhalten der Gäste auswerten und bei der Untersuchung potenzieller Zielgruppen helfen. Sie liefert dabei wertvolle Informationen, die wir in unsere nutzerzentrierten Designkonzepte einfließen lassen können.
Ein anderer Aspekt ist die Visualisierung: Es ist wesentlich schneller, ein Rendering mit Hilfe von KI zu optimieren, als dieses manuell nachzubearbeiten oder gar neu rechnen zu lassen. Entsprechende Tools setzen wir teilweise bereits ein und sparen damit Zeit in den Visualisierungsprozessen. KI wird auch an Grundrissen mitwirken können – BIM bietet dafür die ideale Schnittstelle.
Trotz der faszinierenden Technologie hat der Mensch immer einen Vorsprung: Vertrauen. Elektroautos mussten erst durch einen Crash lernen, dass ein weißer LKW kein Himmel ist. In Architektur und Bauwesen warten noch viele ‚weiße Flecken‘, die erkannt und erlernt werden müssen. Und letztendlich ist Vertrauen auch der wichtigste Faktor für eine funktionierende Beziehung zu unseren Kunden. Dieses Vertrauen schaffen wir durch menschliche Faktoren: unsere Erfahrung, unsere Empathie und unsere Kreativität.“
Anja Pangerl, Blocher Partners
„Versteht man KI als Innovationswerkzeug, kann sie uns Architekten bei der Ideenfindung helfen. Allerdings fragt künstliche Intelligenz nicht nach Materialwahl, nach Baurecht oder den Wünschen des Bauherrn. So lenkt KI den Blick auf die eigentliche Architektur-Leistung, die nicht auf einem überragenden Entwurf oder einer sensationellen Skizze beruht, sondern auf der Kunst, sich mit anderen Menschen zu vernetzen, ihre Wünsche zu erkennen und ihre Bedürfnisse in Räume zu übersetzen.
Architektur ist eine Gesellschaftsaufgabe, die nur im direkten Austausch mit Menschen erfolgen kann – und davon ist KI noch meilenweit entfernt. Umgekehrt könnte sie menschlichen Austausch fördern, wenn sie in der Lage ist, lästige Routinen zu übernehmen. Wer KI als Werkzeug begreift, das uns vor Standardlösungen bewahrt, ist im Vorteil.“
Matteo Thun, Matteo Thun Milano
„Grundsätzlich kann KI Prozesse bei der Planung von Hospitality-Projekten optimieren und beschleunigen. Gerade in der Innenarchitektur arbeiten wir mit verschiedenen Programmen. Menschlichkeit und Wohlbefinden, den menschlichen Faktor, kann KI aber trotz des großen Potenzials nicht ersetzen.“