Mit einer höheren Ticketsteuer will die Bundesregierung Milliardenlöcher im Haushalt stopfen. Das bleibt nicht ohne Folgen für Branche und Urlauber.
Die Steuer auf Flugtickets von deutschen Abflugorten ist zum 1. Mai erneut gestiegen. Das hat Folgen für Urlauberinnen und Urlauber. Zugleich befürchten Reiseveranstalter und Airlines Belastungen in Millionenhöhe und langfristige Probleme durch die Entscheidung der Ampel-Koalition. Die Steueranhebung ist Teil des Maßnahmenpakets, mit dem die Bundesregierung nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher im Haushalt stopfen will.
„Nachdem erst zum Jahreswechsel die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants gestiegen ist, trifft nun die nächste Steuererhöhung den Luftverkehr“, so BTW-Generalsekretär Sven Liebert. „Die Politik macht so das Reisen erneut teurer – für Touristen und Geschäftsreisende, für Gäste, die nach Deutschland kommen, genauso wie für Einheimische, die mit dem Flugzeug ins Ausland reisen. Dies hat Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette. Denn jeder fehlende Incoming-Tourist fehlt mit seinen Ausgaben auch in Gastronomie, Kultur oder auch im Einzelhandel.
Statt in Zeiten stagnierenden Wirtschaftswachstums Standortkosten zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich zu stärken, passiere hier das genaue Gegenteil: Die Kosten und Preise für den Luftverkehrs- und Tourismusstandort Deutschland steigen laut Liebert weiter, die Wettbewerbsfähigkeit werde weiter geschwächt. “Als Dachverband der Tourismuswirtschaft schließen wir uns der Forderung des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft an, die zusätzlichen Einnahmen aus dieser Steuer zweckgebunden für Klimaschutzmaßnahmen im Luftverkehr und konkret die Produktion von CO2-neutralen Treibstoffen zu verwenden”, so Liebert.
Wie stark steigen die Steuersätze?
Die Erhöhung betrifft sämtliche Passagierflüge, die von deutschen Flughäfen abheben. Vom 1. Mai an liegen die Steuersätze je nach Endziel der Flugreise zwischen 15,53 und 70,83 Euro pro Ticket. Bislang waren in drei Entfernungsklassen zwischen 12,48 Euro und 56,91 Euro fällig. Die Steigerung zu den erst 2020 erhöhten Sätzen beträgt zwischen 22,5 und 24,5 Prozent. Bei Europaflügen übertrifft der neue Steuersatz den historischen Tiefstand vom Jahresbeginn 2019 um mehr als das Doppelte. In der EU erheben nur neun von 27 Mitgliedsstaaten eine Ticketsteuer. Die deutsche Abgabe gehört mit zu den höchsten.
Werden Pauschalreisen und Flugtickets künftig teurer?
Wahrscheinlich, denn grundsätzlich müssen Wirtschaftsunternehmen wie Airlines oder Reiseanbieter immer versuchen, zusätzliche Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Steuern und Abgaben machen aber nur einen Teil des Preises einer Pauschalreise aus. Zu Buche schlagen vor allem die Kosten für den Einkauf von Hotelkontingenten und Flugkapazitäten. Wie sich diese entwickeln hängt auch von der allgemeinen Preisentwicklung im jeweiligen Urlaubsland ab. Bei den reinen Flugtickets wirkt sich die Konkurrenzsituation aus, die auf der jeweils gebuchten Strecke herrscht. Ist dort nur ein Anbieter unterwegs, werden die höheren Steuern voraussichtlich im vollen Umfang an die Kunden weitergegeben, was bei scharfer Konkurrenz nicht so einfach wäre.
Welche langfristigen Folgen befürchten die Touristiker?
Fiebig kritisiert, dass Reisen durch Entscheidungen der Politik immer teurer werde. So könnten ab kommendem Jahr beispielsweise die Luftsicherheitsgebühren um 50 Prozent angehoben werden. “Der Urlaub musste durch Inflation und gestiegene Energiekosten ohnehin schon Preissteigerungen hinnehmen und zusätzlich verteuern auch die politischen Entscheidungsträger das Reisen immer weiter.”
Wie viel bringt die Steuererhöhung dem Staat?
Die 2011 von der schwarz-gelben Regierung eingeführte Ticketsteuer brachte im Jahr 2022 knapp 1,2 Milliarden Euro Einnahmen für den Staat ein. In diesem Jahr sollen durch die höhere Ticketsteuer rund 400 Millionen Euro mehr Steuern in die Staatskasse fließen. Für die Folgejahre rechnet die Regierung mit Mehreinnahmen von 580 Millionen Euro.
Können Veranstalter und Airlines von ihren Kunden nachträglich die Steuern nachfordern?
Das entsprechende Steuergesetz ist erst Ende März in Kraft getreten, also zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits etliche Flugtickets und Pauschalreisen für die Zeit nach dem 1. Mai verkauft waren, die nun unter den erhöhten Steuersatz fallen. Erst ab dem 28. März durften die Unternehmen die höheren Ticketsteuern in ihre Endpreise einberechnen. Die irische Gesellschaft Ryanair hat betroffene Passagiere aufgefordert, die Tickets zu stornieren oder die höheren Steuern nachzuzahlen. Ob der Verweis auf die AGB rechtmäßig ist, ist laut Verbraucherschützern fraglich.
Bei Flugtickets sieht der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) dennoch keine rechtliche Grundlage für Nachforderungen. Entsprechend hat zum Beispiel die Lufthansa bei frühzeitig verkauften Tickets die erhöhte Steuer selbst getragen, wie eine Sprecherin versichert. Eine Summe wird nicht genannt.
Anders sieht die Rechtslage für Reiseveranstalter aus: Sie dürfen unter bestimmten Bedingungen die nachträglich erhöhten Kosten an ihre Touristen weitergeben. “Der Vertrag muss das vorsehen und zugleich einen Hinweis darauf enthalten, dass auch umgekehrt der Reisende eine Senkung des Reisepreises verlangen kann, wenn beispielsweise der Kerosinpreis sinkt”, erläutert Felix Methmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Erhöhungen nach Vertragsabschluss seien unter diesen Voraussetzungen möglich bei höheren Treibstoffkosten, Erhöhung von Steuern und sonstigen Abgaben für vereinbarte Reiseleistungen oder Änderung der für die Pauschalreise geltenden Wechselkurse. Der Veranstalter müsse die Berechnung der Preiserhöhung offenlegen und die Urlauber spätestens 20 Tage vor Reisebeginn darüber informieren. Veranstalter wie Branchenprimus Tui und DER Touristik haben rückwirkende Preiserhöhungen ausgeschlossen.
Haben die Veranstalter ihre Kunden zur Kasse gebeten?
Die Veranstalter haben die Mehrkosten selbst getragen, sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig. “Die sehr kurzfristige Erhöhung der Ticketsteuer bereits zum 1. Mai und damit noch vor Beginn der Hauptreisezeit führt nach unseren Berechnungen zu einer Mehrbelastung bei den Reiseveranstaltern von rund 21 Millionen Euro”, sagt Fiebig. “Diese zusätzlichen Kosten können nicht auf die Reisenden umgelegt werden, da eine nachträgliche Erhöhung der Reisepreise bei Pauschalreisen de facto nicht möglich ist”, meint er mit Blick auf die damit verbundenen Bedingungen. dpa