Seit Januar beträgt die Mehrwertsteuer wieder 19 Prozent. Damit Betriebe weiter gewinnbringend geführt werden können, raten Experten, genau zu kalkulieren und den Einkauf im Blick zu behalten.
Seit die Mehrwertsteuer auf Speisen im Januar 2024 für die Branche wieder erhöht wurde, gehen die Deutschen seltener auswärts essen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung GfK, die im Auftrag des Bayerischen Zentrums für Tourismus 2.024 Männer und Frauen im Alter von 18 bis 74 Jahren zu ihrem Konsumverhalten befragt hat. 51 Prozent der Befragten gaben an, dass der Grund für seltenere Restaurantbesuche die Preiserhöhungen seien.
Mit dieser Entwicklung war zu rechnen, selbst wenn der Gang ins Restaurant bisher durchaus noch angesagt ist. Allerdings wäre die Devise „Alles wie gehabt“ für Gastronomie und Hotellerie keine Lösung. Experten warnen sogar davor, die Steigerung von sieben auf 19 Prozent zu ignorieren. „Ich kann nur zwingend raten, die Mehrwertsteuer weiterzugeben“, betont Uwe Ladwig, F&B-Support-Gründer, der seit 40 Jahren als Coach und Berater der Branche tätig ist. „Wir befinden uns in einer Krise. Preiserhöhungen sind auch mit Blick auf die steigenden Energiekosten, Lieferpreise und Personalkosten sowie die gestiegene CO2-Steuer absolut alternativlos.“
Speisekarten analysieren
Allerdings weist Ladwig darauf hin, dass Gastgeber die Preiskalkulation so gestalten sollten, dass der Deckungsbeitrag verbessert wird. Das betrachtet der Experte seit jeher als Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg in der Branche. Zunächst sei es hier vor allem wichtig, etwaige Wareneinsatzerhöhungen eins zu eins an die Gäste weiterzugegeben. Gleichzeitig gelte es aber, eine Analyse der sogenannten Renner, Gewinner und Schläfer auf der Speisekarte zu machen.
„Flammkuchen und Currywurst sind Renner, aber damit verdiene ich nicht genug, um die Kosten des Betriebs zu decken“, sagt Ladwig. Wobei ein – fairer – höherer Preis nicht zwingend erklärt werden müsse. Denn aufgrund der lautstarken Mediendebatte um die 19 Prozent auf Speisen wüssten die Gäste letztlich Bescheid. „Aber“, warnt Ladwig, „Gastgeber müssen endlich aufhören, Pi mal Daumen zu kalkulieren.“ Vielmehr gehe es jetzt einmal mehr darum, den Deckungsbeitrag zu optimieren. In der Hotellerie entspricht das dem Prinzip des Revenue Managements, sprich den Markt zu beobachten, die richtige Balance zwischen Angebot und Nachfrage zu finden und den Menschen „den Braten“ schmackhaft zu machen. Denn: Wenn viele „wild“ auf ein Angebot sind, sind sie auch bereit, mehr dafür auszugeben.
“Ich kann nur zwingend raten, die Mehrwertsteuer weiterzugeben.”
Uwe Ladwig, F&B Support
Nach Erfahrung von Bettina von Massenbach, Gastro-Beraterin und Inhaberin von Oyster Hospitality, hat sich die Gastronomie zugleich mit den gesamtgesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahre reformiert. „Gäste achten verstärkt auf ein ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis“, sagt von Massenbach, „und sind dennoch bereit, erhöhte Preise in Kauf zu nehmen, wenn die Qualität auf allen Ebenen stimmt. Aspekte wie Nachhaltigkeit, E-Payment oder Sharing-Gerichte steigern die Attraktivität dabei zusätzlich.“ Die Lösungen, mit denen das Gastgewerbe auf die Mehrwertsteuererhöhung reagiert, sind unterschiedlich. Einige Gastgeber streichen bei ihren Gerichten eine oder zwei Beilagen, andere legen insgesamt weniger auf den Teller. Doch Experten warnen: Am Gast zu sparen sei die schlechteste Variante.
„Das käme für uns nicht in Frage“, betont auch Margit Zettl-Feldmann, Chefin des privat geführten Gasthofs & Wellnesshotels Eisvogel in Bad Gögging. „Am Teller wird bei uns definitiv nicht gespart – und an der Qualität erst recht nicht!“ Im Eisvogel wurden die Preise im F&B-Bereich durchschnittlich um zehn Prozent erhöht. Das betrifft die Speisen im traditionellen Gasthof ebenso wie die beiden Offerten für die Wellness-Hotelgäste, die zwischen „Faulenzer-“ und „Verwöhnpension“ wählen können: mit Frühstück und Snack-Buffet bis 17 Uhr oder zusätzlichem Vier- bis Fünf-Gänge-Abendmenü. Um die höheren Preise quasi sichtbar zu machen, legt Zettl-Feldmann noch mehr Wert auf ein attraktiveres Aufdecken im Restaurant. „Das schaut fesch aus und der Gast sieht, dass das ganze Drumherum letztlich ja auch etwas kostet“, sagt sie.
12 Tipps zur besseren Kalkulation
- Die Mehrwertsteuer von 7 Prozent auf 19 Prozent 1:1 weitergeben.
- Wareneinsatzerhöhung 1:1 weitergeben. Der Wareneinsatz Netto (WEn) steigt um +0,50 Euro gleich Preis Netto (PN) um +0,50 Euro erhöhen.
- Die „Renner“ im Preis auf den durchschnittlichen Gewinner-Deckungsbeitrag (GDB) in zwei bis vier Schritten erhöhen
(um 40 Prozent, 30 Prozent, 20 Prozent, 10 Prozent). - Beim Gewinner die Marge langsam nach oben ziehen auf den Gewinner-Deckungsbeitrag (GDB).
- Die „Schläfer“ im Preis leicht senken, um mehr zu verkaufen.
- Die „Verlierer“ auf der Speisekarte austauschen oder ignorieren.
- Deckungsbeitrag Soll – Ziel – Mehr: Potenzial errechnen, ermitteln, herausfinden, testen und umstellen auf die Gewinner-Deckungsbeitrag-Preisgestaltung.
- Den durchschnittlichen Deckungsbeitrag für Getränke pro Einheit (0,2, 0,3, 0,5 Liter etc.) ermitteln.
- Bei Getränken, deren Deckungsbeitrag niedriger ist als der Durchschnitts-DB, erstens auf den Durchschnitts-DB der jeweiligen EH erhöhen und zweitens auf den Durchschnitts-GDB erhöhen.
- Getränke- und Servicepauschalen erstellen und einführen.
- Veranstaltungen und Feiern als All-inklusiv-Feiern in zwei bis drei Varianten berechnen.
- Mitarbeitereinsatzplanung unter Berücksichtigung der Kennzahl Deckungsbeitrag 2 (Umsatz Netto – Wareneinsatz – Personalkosten = Deckungsbeitrag 2) täglich durchführen.
Quelle: Uwe Ladwig, F&B Support
Gleiche Qualität, weniger Gänge
Die Familie baut in eigener Landwirtschaft Kartoffeln, Spargel, Salat und verschiedene Beerensorten selbst an. Zudem blieb das seit 75 Jahren bestehende Unternehmen seinen Bauern und Lieferanten treu, die freilich ebenfalls die Preise erhöht haben. „Energiekosten, Personalkosten, die Diesel-Problematik und die Maut – das trifft uns in allen Bereichen und das können wir nicht alles schlucken“, rechtfertigt Zettl-Feldmann die notwendigen Neukalkulationen.
Christoph Unckell, geschäftsführender Gesellschafter des Best Western Premier Hotels Rebstock in Würzburg, gibt die Mehrwertsteuer im Tagungsbereich weiter, weil die Mice-Kunden die Umsatzsteuer letztlich als Vorsteuer abführen. Im Sternerestaurant „Kuno 1408“ fand zudem eine leichte Preisanpassung statt, indem die Menüs verkleinert wurden: von sieben auf sechs beziehungsweise von fünf auf vier Gänge. Dazu werden den Gästen aber jetzt zwei Amuse-Bouche – statt bisher einem – und ein zusätzliches Pré-Dessert kredenzt. Neue Wege geht das familiär geführte Hotel zudem im „Salon“, dem fränkischen Ganztags-Bistro mit Wohnzimmercharakter. Unckell: „Hier setzen wir vermehrt auf zertifizierte Bio-Produkte und dafür sind die Gäste bereit, auch etwas mehr zu bezahlen.“
“Individuelle Preise sind ein wichtiger Baustein für eine kluge Preispolitik.”
Uwe Plappert, F&B Heroes
Der Blick über den Tellerrand in die Speisengastronomie zeigt ein ungewöhnliches Projekt des Restaurants „Schuback am Park“ in Hamburg-Eppendorf: Die Wirtsleute Jens und Désirée Manzel hatten die Preise im Januar gesenkt und Einheitspreise eingeführt: Vorspeisen kosteten 14 bis 15 Euro, Hauptgerichte 20,24 Euro und Desserts 13 Euro. Die Gastronomen hatten zum Ziel, „dass Essengehen nicht zum Luxus wird, sondern so normal bleibt wie früher.“
Speisekarte verschlanken
Die Resonanz auf die Initiative war gut, schon im Februar wurde aber klar, dass damit die Kosten des Betriebs nicht bewältigt werden können. Zumal die Stadt Hamburg auch die Gebühren für die Terrassennutzung erhöhte. „Die Preisaktion war ein guter Plan“, sagt das Wirtspaar, könne aber auf Dauer nicht funktionieren. Dennoch seien ihre Preise nach wie vor niedriger als 2023.
Eine effektive Strategie, um den Herausforderungen durch die 19 Prozent Mehrwertsteuer zu begegnen, sei die Verschlankung der Speisekarte, heißt es seitens der Einkaufsgenossenschaft Hotel- und Gastronomie-Kauf, kurz HGK, mit Sitz in Hannover. „Reduzieren Betriebe die Zahl der angebotenen Gerichte, optimieren sie ihre Lagerhaltung und haben die Kosten besser im Griff, auch weil sich dadurch Lebensmittelabfälle verringern und weniger Komplexität in der Küche herrscht“, sagt Lung-Wa Ayuto, Einkaufsleiter der HGK. Dessen ungeachtet sei eine Anpassung der Preise nötig. Das Unternehmen hat dazu einen kostenlos nutzbaren „Mehrwertsteuer-Rechner“ entwickelt, mit dem Gastgeber online verschiedene Szenarien durchspielen können. Detaillierte Analysen jedes Gerichts zeigen, wo Anpassungen etwa in der Preisgestaltung den Deckungsbeitrag erhöhen können.
“Transparenz und Struktur im Einkauf sind jetzt wichtiger denn je.”
Urban Uttenweiler, HGK
„Transparenz und Struktur im Einkauf sind jetzt wichtiger denn je“, betont auch HGK-Vorstandsvorsitzender Urban Uttenweiler. „Hotels sollten ihr Augenmerk vor allem auf die Organisation des Einkaufs legen, denn eine Bündelung des Einkaufs kann die Verhandlungsposition stärken und zu besseren Preisen führen.“ Auch Uwe Plappert, Partner und Prokurist des Frankfurter Beratungsunternehmens F&B Heroes, empfiehlt regelmäßige Preisvergleiche, weil sie rasche Reaktionen ermöglichen, was dann in kleinen Schritten zu neuen, höheren Preisen führen kann. „Individuelle Preise, die die Prime Cost realistisch reflektieren – also die anfallenden Warenkosten und anteiligen Personalkosten pro Produkt –, sind ein wichtiger Baustein für eine kluge Preispolitik“, so Plappert. Dabei lohne sich Offenheit und Transparenz gegenüber den Gästen. Hochwertige Rohwaren und ihre gewissenhafte Zubereitung sollten durchaus in Szene gesetzt werden. „Letztlich ist der Einblick in die Arbeiten der Küche zugleich eine schöne Möglichkeit, Wertschätzung positiv zu beeinflussen.“