In Berlin findet derzeit die ITB statt, die größte Tourismusfachmesse der Welt. Im Fokus der Expertenreferate stehen die Themen „Künstliche Intelligenz“ (KI), Klimaneutralität und umweltgerechtes Reisen. Hotel Inside fasst vier Schwerpunkt-Referate zusammen.
Booking-Chef Glenn Fogel: GenAI ist aus dem Tourismus nicht mehr wegzudenken
Generative Künstliche Intelligenz kann Kunden bei der Reiseplanung besser zur Seite stehen als reale Menschen“, ist sich Glenn Fogel, CEO bei Booking, sicher.
Glenn Fogel, CEO bei Booking, zeigte sich auf der ITB Berlin 2024 als großer Verfechter der Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Unter dem Titel „Leadership, Innovation and the Future of Travel“ umriss er im Rahmen des Future Tracks des Kongresses seine Vision von der Nutzung Künstlicher Intelligenz im Tourismus: „Meine Eltern sind damals ins Reisebüro gegangen, dort kannte man ihre Interessen und legte entsprechende Angebote vor. Und wenn es unterwegs Probleme gab, war eben dieses Reisebüro Ansprechpartner.“ Genau das könne heute GenAI (generative Künstliche Intelligenz) liefern, «nur noch viel umfassender, da viel mehr Daten zur Verfügung stehen.»
Mit GenAI könnten Kunden besser beraten werden als mit Menschen. Und wenn dazu noch smarte Bezahlsysteme das Reisen erleichtern, sähe er sich und seine Unternehmensgruppe gut aufgestellt für die Zukunft. Ein erster Schritt in die Richtung sei ein Reiseplaner seiner Plattform booking.com, der auf Künstliche Intelligenz setzt. Der „AI Trip Planner“ basiert laut Fogel auf den bestehenden maschinellen Lernmodellen von Booking.com, die täglich Millionen von Reisenden Reiseziele und Unterkunftsoptionen auf der Plattform empfehlen, und wird durch Technologie von Open AI’s ChatGPT unterstützt. „Die jüngsten Entwicklungen mit generativer KI treiben unsere Arbeit voran, die wir bereits seit Jahren mit maschinellem Lernen leisten, um jeden Aspekt des Kunden-Erlebnisses auf unserer Plattform weiterzuentwickeln“, so Glenn Fogel.
Reisende können dem neuen Tool sowohl allgemeine reiserelevante Fragen stellen als auch spezifischere Abfragen durchführen. Laut Booking können Reisende mit dem AI Trip Planner chatten, ihre Wünsche beschreiben, Fragen stellen und ihre Suche in Echtzeit verfeinern – binnen Sekunden könne das Tool neue Vorschläge liefern. So kann der Planer beispielsweise Informationen und Inspirationen zu potenziellen Reisezielen- und Unterkunftsoption liefern oder Reiserouten für eine bestimmte Stadt, ein Land oder eine Region erstellen. „Ich bin überzeugt: Urlauber wollen nur eine Plattform für die ganze Reise. Dafür wollen wir intelligente Lösungen bieten, inklusive Anreiseoptionen, Bezahlsystemen und vielem mehr.“
Hotels auf dem Weg zur Klimaneutralität
Das Panel „Grüne Transformation der Hotellerie“ auf der ITB Berlin bot Einblick in ein wissenschaftliches Pilotprojekt. Im Anschluss diskutierten Branchenvertreter über Ressourcenschutz.
Wie können Hotels dabei helfen, den Fußabdruck der Branche zu senken? Dieser Frage gingen Expertinnen und Experten aus wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht in einem Panel auf der ITB Berlin nach. Eingangs stellte Prof. Sandra Rochnowski von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) eine Pilotstudie in Zusammenarbeit mit dem Hotel Relais & Châteaux Gut Steinbach in Bayern vor. Weitere Best-Practice-Beispiele präsentierten wichtige Stakeholder der Hotellerie in der anschließenden Diskussionsrunde.
Das Hotel Relais & Châteaux Gut Steinbach in Bayern ist von 35 Hektar Wald umgeben. Er bedeutet nicht nur einen Erholungsfaktor für die Gäste, sondern speichert auch CO2. Sandra Rochnowski, Professorin für Tourismusbetriebswirtschaft und Leiterin des Instituts für Nachhaltigkeit an der HWR Berlin, untersucht in einer Pilotstudie unter anderem, wie sich durch den Waldbestand Emissionen kompensieren lassen.
Im Anschluss an ihre Keynote moderierte Sandra Rochnowski ein Panel mit Branchenvertreterinnen und -vertretern. Richard Seusing, Prokurist bei B&B Hotels, erklärte, wie er den Gästen das Thema Nachhaltigkeit praktisch nahebringe, ohne zu belehren. Von weniger Verpackungen beim Frühstück bis zu Shower Challenges, die den Wasserverbrauch beim Duschen anzeigen, reichen die Initiativen.
Vor vielen B&B Hotels stehen bereits Ladestationen von Wirelane. Hakan Ardic, Vice President Hospitality & Mobility bei Wirelane, unterstrich die Bedeutung von E-Mobilität für einen nachhaltigen Tourismus. Ein Hindernis für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos seien unklare Zuständigkeiten von Inhabern und Pächtern der Immobilien, was Genehmigungen herauszögere oder gar verhindere. Yvonne Brabant, Leiterin Asset Management Hospitality bei der Union Investment Real Estate, unterstrich in diesem Zusammenhang, wie wichtig ein gemeinsamer Schulterschluss von Betreibern und Vermietern sei.
Doch auch scheinbar kleine Produktentscheidungen können positive Auswirkungen auf die Umwelt haben. Mit den nachhaltigen Seifen von Ada Cosmetics präsentieren Hotels ihr Mindset, betonte André Roeske, Senior Vice President Sales bei Ada Cosmetics. Darvin Nowak, Leiter CSR bei Greif Mietwäsche, unterstrich die Bedeutung von Zulieferern im Zertifizierungsprozess der Hotels. Neben den richtigen Partnern seien es laut Andreas Westerburg, Head of Hotel Development & Member Services bei BWH Hotels Central Europe, aber vor allem auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisiert werden und dafür brennen müssten.
KI verändert die Reisebranche grundlegend
Die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) durch Agenten und personalisierte Reise-Apps ist ein wichtiger Zukunftstrend, so Charuta Fadnis von Phocuswright auf der ITB Berlin.
Die Tourismusbranche hat sich von der Corona-Pandemie bestens erholt, befindet sich aber in einem fundamentalen Wandel. Charuta Fadnis, Senior Vice President von Phocuswright, schilderte auf dem ITB Berlin Kongress nicht nur die wachsende Bedeutung von generativer KI, sondern blickte auch über diesen Trend hinaus. Generative KI, so Fadnis, betreffe Anbieter und Kunden gleichermaßen. So seien sich über alle Altersgruppen hinweg rund achtzig Prozent aller Erwachsenen der Existenz und Bedeutung dieser Technologie bewusst. Bei der persönlichen Nutzung gebe es jedoch deutliche Unterschiede zwischen Ländern und Altersgruppen. Während sich in den USA etwa 50 Prozent aller Menschen im Umgang mit Large Language Models wohlfühlen, sind es in Deutschland nur 35 Prozent und in Frankreich nur 30 Prozent.
Unternehmen, die generative KI bereits in die Online-Präsentation ihrer Angebote einbauen, können dadurch ihre Umsätze deutlich steigern. Als Beispiel nannte Charuta Fadnis den Anbieter Tripadvisor, der in den ersten drei Monaten nach Einführung eines interaktiven Angebots durchschnittlich dreimal so viel Umsatz pro Kunde erzielte wie mit normalen Tripadvisor-Kunden.
Charuta Fadnis wagte auch einen Blick in die Zukunft, in der virtuelle Agenten die Buchung für den Reisenden übernehmen könnten. Auch die Entwicklung einer umfassenden One Travel App sei denkbar – ein vielversprechender Kandidat dafür sei Google Maps. Dieser Dienst werde ständig verbessert und erweitert, zudem habe Google den Vorteil, über umfangreiche Datensätze zu den Vorlieben der Nutzer zu verfügen. „Wir können künstliche Intelligenz nicht ignorieren, denn sie wird transformativ sein. Vielleicht überschätzen einige ihre kurzfristigen Auswirkungen, aber wahrscheinlich unterschätzen viele noch ihre langfristigen Auswirkungen“, beteuerte die Marktforscherin.
Künstliche Intelligenz könne das Leben der Reisenden aber nicht nur vereinfachen, sondern unter Umständen in Zukunft auch erschweren – etwa, wenn sie dazu genutzt werde, zahlreiche Fake Reviews zu generieren und die Verbraucher zu Buchungen zu verleiten, mit denen sie im Nachhinein unzufrieden sind. Eine Möglichkeit, dies zu verhindern, sei die Kombination von generativer KI und Blockchain-Technologien, die eine zuverlässige Identifizierung der Nutzer ermöglichen und damit Missbrauch deutlich erschweren würden.
Charuta Fadnis präsentierte auf dem ITB Berlin Kongress auch aktuelle Umfrageergebnisse zum Thema Tourismus und Nachhaltigkeit. Hier gebe es bei vielen Verbrauchern eine große Handlungslücke. Zwar würde rund die Hälfte der Befragten angeben, Verkehrsmittel und Unterkünfte auch nach Umweltstandards und Klimaschutzkriterien auswählen zu wollen. In der Praxis würden aber nur zehn Prozent der Reisenden ihre Entscheidungen tatsächlich danach ausrichten.
Viele Reisende würden vor allem von Reiseveranstaltern, Regierungen und Destinationen erwarten, dass sie das Urlaubserlebnis nachhaltig gestalten. Laut Charuta Fadnis sei es jedoch notwendig, die Verbraucher mit ins Boot zu holen. Dies könne geschehen, indem Standards klar definiert und kommuniziert werden – und indem den Reisenden „verdauliche“ und umsetzbare Empfehlungen an die Hand gegeben würden.
Net Zero als Ziel für 2030: „Wir können reisen, ohne die Welt zu zerstören!“
Jeremy Sampson, CEO der Travel Foundation, ruft in seinem Referat am ITB Kongress 2024 die Branche zu konsequenter Kurskorrektur auf.
„Die Welt dekarbonisiert – mit oder ohne uns“, so Jeremy Sampson, CEO der Travel Foundation, auf der ITB Berlin 2024. Seine Studie „Envisioning Tourism in 2030 and Beyond“ modelliert einen Weg in die Klimaneutralität. Das Modell sei dynamisch, aber machbar – jedoch mit großem Kraftaufwand verbunden.
Das massive globale Tourismuswachstum werde zu einem enormen Anstieg der Emissionen führen, wenn der Ansatz bei business as usual bleibe, unterstrich Jeremy Sampson auf dem Future Track der ITB Berlin 2024: „Wir müssen die klimafreundlichen Bereiche wachsen lassen – und die klimaschädlichen eindämmen.“ Hauptpunkt hierbei: Die Regulierung von Flugreisen.
Die Studie der Travel Foundation setzt auf einen Mix aus 40 Maßnahmen in den sechs Kategorien Kompensation von Treibhausgasen, Elektrifizierung und Effizienz im Angebot, klimaschützender Ausbau von Infrastruktur, Entwicklung nachhaltiger Treibstoffe, Erhebung von Steuern und Abgaben sowie gezielte Förderung klimafreundlichen Reiseverhaltens. Bei konsequenter gemeinsamer Umsetzung aller Maßnahmen könne das Ziel Net Zero tatsächlich erreicht werden, so Sampson.
Ausgehend vom prognostizierten Wachstum, bliebe der Tourismusbranche nur ein Szenario, mit dem das Net Zero Ziel im Jahr 2050 erreicht werden könne, so Sampson: Es werden tiefgreifende Veränderungen notwendig sein, beispielsweise hinsichtlich des Reiseverhaltens und der Angebotsgestaltung. Dazu gehörten die Verringerung der Reisedistanzen, ein stärkeres Wachstum bei erdgebundenen Reisen, ein geringeres Wachstum bei Flugreisen, die Begrenzung der Langstreckenflüge auf Niveau von 2019, sowie die Nutzung von 100 Prozent erneuerbaren Energien bei Unterkünften, Autos etc. Darüber hinaus müssten Investitionen in Infrastruktur und Technologie erfolgen, um klimaschonende Reisen zu ermöglichen.
Die Flugreisen machten 2019 zwar nur zwei Prozent aller Reisen aus, sorgten aber für den höchsten CO2-Ausstoß. Wenn sie nicht eingedämmt würden, werden sich Flugreisen bis 2050 vervierfachen und 41 Prozent der Gesamtemissionen des Tourismus ausmachen. Es gebe nur zwei Optionen, um die Emissionen im Tourismus zu regulieren: die konsequente Eindämmung des globalen Tourismus oder eine gleichermaßen konsequente Etablierung von Net-Zero-Reisen.
Quelle: ITB Berlin 2024. Bilder: Messe Berlin.