IHG baut sein Portfolio in Europa weiter aus. Zu den Schlüsselmärkten gehört auch Deutschland. Willemijn Geels, Vice President Development Europe, über das Wachstum und die Markenstrategie der Hotelgruppe.
Tophotel: Frau Geels, auf welchen europäischen Märkten liegt der Expansionsfokus der Intercontinental Hotels Group?
Willemijn Geels: Wir werden uns geografisch weiter diversifizieren. Wir haben acht Schlüsselmärkte mit großem Wachstumspotenzial für unsere Marken identifiziert. Das sind in alphabetischer Reihenfolge die Benelux-Länder, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen, Portugal und Spanien, die wir unter Iberia zusammenfassen, und die Türkei. Besonders stark ist unsere Pipeline derzeit in Großbritannien und Deutschland.
Wie gehen Sie dabei vor?
Alle unsere Teams sind sehr nah an den Märkten. Außer in London und Frankfurt haben wir auch regionale Verantwortlichkeiten in Paris, Madrid, Mailand und Warschau. Von diesen Drehscheiben aus können wir benachbarte Länder effektiv bedienen. Wir haben in den vergangenen Monaten stark in das Development und den Aufbau regionaler und marktnaher Schwerpunkte investiert, der Erfolg wird jetzt sichtbar. So konnten wir auf der Expo Real in München die Unterzeichnung für zwei neue Hotels in Budapest bekanntgeben.
Das Hotel Indigo Budapest Andrassy und das Hotel Holiday Inn Express Vagohid werden von Wing, einem regionalen Immobilien- und Investment-Unternehmen, entwickelt. Das Hotel Indigo mit 103 Zimmern soll 2028, das Holiday Inn Express mit 162 Zimmern schon Anfang 2027 an den Start gehen. Deutliche Marktanteile haben wir in den vergangenen anderthalb Jahren auch in der Türkei hinzugewonnen.
“Wir arbeiten eng mit unseren Eigentümern zusammen, um neue Designs und F&B-Optionen zu entwickeln und noch höhere Erträge zu erzielen.”
Mit welchen Marken wollen Sie in Deutschland verstärkt Fuß fassen?
Mehr als 80 unserer Essentials-Häuser, also Hotels der Marken Holiday Inn und Holiday Inn Express, sind in Deutschland bereits eröffnet worden, zehn weitere befinden sich in der Pipeline. Natürlich werden wir uns weiterhin nach Gelegenheiten umsehen, wollen aber in Deutschland und Nordeuropa auch unsere Präsenz im Premium- und Luxussegment verstärken. Zum Beispiel über unsere Softbrand Vignette Collection, die wir in jedem unserer Märkte einführen werden.
Wo genau zum Beispiel?
2025 werden wir in der beliebten bayerischen Tourismusdestination Reit im Winkl ein Vignette Collection Hotel mit dem Betreiber Odyssey eröffnen. Das Hotel wird 150 Zimmer haben. Allein im ersten Jahr seit dem Start der Marke wurden Verträge für 14 Hotels unterzeichnet. In diesem Jahr geht in Frankfurt am Main als Teil des Entwicklungsprojekts „Four“ das Kimpton Boutique-Hotel mit 155 Zimmern an den Start. Damit sind wir mit vier unserer Luxusmarken – Intercontinental, Regent, Kimpton und Vignette Collection – in Deutschland vertreten.
Große Pläne haben wir auch mit unserer flexiblen Conversion-Marke Voco Hotels, die im Premiumsegment positioniert ist und aus Europa heraus gelauncht wurde. Inklusive der bereits geöffneten Häuser besteht die Voco-Pipeline bereits aus hundert Hotels. Wir sind nicht mit jeder unserer 17 Hotelmarken in Deutschland vertreten und entscheiden sehr selektiv, welche Marke für welches Land in Frage kommt.
Welche Rolle spielen Conversions beim Development?
Bis zur Pandemie bestand unsere Pipeline zu 70 Prozent aus Neubauten und zu 30 Prozent aus Conversions, jetzt ist es umgekehrt. Wir setzen inzwischen mit einer größeren Auswahl unserer Marken auf Conversions. Unser Motto lautet dabei: „Shift your mindset to reality“, auf Deutsch „Passe deine Einstellung der Realität an“. Wir werden uns jedem Projekt mit einem pragmatischen Ansatz nähern und die Marke innerhalb des bestehenden Gebäudes zum Leben erwecken.
Wie wirkt sich das auf die Marken selbst aus?
Bei den stark systematisierten Budget-Marken besteht die Gefahr, sie zu verwässern. Wir werden mit diesen Marken etwas flexibler, aber ihr Kern bleibt unangetastet. Wir erleben eine starke Nachfrage nach Holiday Inn und Holiday Inn Express, können die Expansion aber aufgrund der Zurückhaltung von Investoren und Projektentwicklern im Augenblick fast nur durch Conversions vorantreiben. In Dresden hat zum Beispiel im Herbst ein Holiday Inn Express eröffnet, das zuvor ein ehemaliges The Student Hotel war. In Hamburg-Süd haben wir ein Holiday Inn Express eröffnet, dessen Zimmer in Form von Holzmodulen angeliefert wurden. Außerdem haben wir für Holiday Inn Express einen sogenannten „Urban Room“ entwickelt. Diese Zimmer sind mit 16 Quadratmetern kleiner als die bisherigen Standardzimmer mit
18 Quadratmetern, unterscheiden sich optisch aber kaum.
Wir können so in einer Immobilie die kleineren Zimmer mit den größeren Zimmern mischen. Zudem setzen wir verstärkt auf Extended Stay und haben für unsere Marken Holiday Inn, Holiday Inn Express und Voco den Zusatz „& Suites“ entwickelt. Das heißt, dass ein Teil der Zimmer mit einer Kitchenette ausgestattet und besser für längere Aufenthalte geeignet ist. Zwei bereits eröffnete Holiday-Inn-Express-&-Suites-Häuser liegen in Deventer in den Niederlanden und in Basel in der Schweiz.
Was begeistert die Kunden aus Ihrer Sicht so an Holiday Inn und Holiday Inn Express?
Die Holiday-Inn-Markenfamilie, die aus Holiday Inn, Holiday Inn Express, Holiday Inn Resort und nur in den USA aus Holiday Inn Club Vacations besteht, ist ein Kraftpaket mit weltweit fast 4.500 Hotels. Wir schätzen, dass jede Sekunde zwei Menschen für einen Aufenthalt in einem dieser Hotels einchecken. Im vergangenen Jahr (2023) haben wir 70 Jahre gefeiert. Der Gründer Kemmons Wilson hatte im August 1952 das erste Holiday Inn Hotel in seiner Heimatstadt Memphis, Tennessee, eröffnet, weil er den Bedarf an hochwertigen Unterkünften zu fairen Preisen erkannt hatte. Die Marke ist dieser Philosophie stets treu geblieben und hat in den vergangenen Jahren mehr und mehr Vertrauen gewonnen. Wir arbeiten stets mit unseren Eigentümern zusammen, um neue Designs und Food & Beverage-Optionen ins Leben zu rufen, die den Gästen ein unvergessliches Erlebnis bieten, um den Wettbewerbsvorteil der Marke zu sichern und noch höhere Erträge zu erzielen.
“Für unsere wichtigsten Marken gibt es kontinuierlich Design-Innovationen, um deren Fortbestehen in unserem Portfolio zu gewährleisten.”
Welche Strategie verfolgt IHG im Resort-Bereich?
Auch in der Resort-Hotellerie geht der Trend hin zu starken Marken. Wir möchten da mitspielen. In Szlarska Poreba in Polen werden wir zum Beispiel ein Holiday Inn Resort und ein Voco Resort eröffnen. Es gibt so viele Möglichkeiten in Südeuropa, wir haben vor Kurzem den Vertrag für ein Kimpton Hotel an der Algarve in Portugal unterzeichnet und freuen uns auf die Eröffnung eines Intercontinental Resorts auf Kreta in diesem Jahr. Auch in Deutschland sehen wir uns im Leisure-Bereich um, sowohl für Resorts in den Bergen als auch am Meer oder auf dem Land.
Wie ist der Status Quo der Allianz, welche die Intercontinental Hotels Group Ende 2022 mit der mallorquinischen Hotelgruppe Iberostar eingegangenen ist?
Die Allianz mit Iberostar ist als langfristige Partnerschaft ausgelegt. Wir betrachten es wie eine Reise. Die Partnerschaft verschafft IHG den Zugang zum All-inclusive-Segment mit einem Unternehmen, das Experte in diesem Bereich ist. Dafür erhält Iberostar Zugang zum weltweiten Vertrieb und Kundenstamm von IHG. Für uns ist das eine echte Win-win-Situation. Wir haben die Iberostar Beachfront Resorts seit Dezember 2022 schrittweise an unser Vertriebssystem angeschlossen. Die Allianz wird es IHG auch ermöglichen, die Marke Iberostar weltweit weiter auszubauen. Von den bisher 70 für die Allianz vorgesehenen Iberostar Hotels liegen 18 in Europa, der Rest verteilt sich auf die Karibik, Nordafrika, die USA sowie Mittel- und Südamerika.
Wo sehen Sie Grenzen und wo noch Spielraum für das gemeinsame Wachstum?
Ausgeschlossen sind Stadthotels und die Aktivitäten von Iberostar auf Kuba. Diese Allianz unterstreicht, dass kleinere Betriebsgesellschaften zunehmend den Anschluss an die größten internationalen Hotelgruppen suchen. Wir sehen noch viel Raum für Markenangebote und erwarten auch weitere Fusionen und Übernahmen auf dem Markt. Wir werden also sowohl über den Anschluss kleiner Portfolios als auch von Einzelhotels wachsen können.
Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung der Hotellerie in Europa ein?
Wirtschaftlich gesehen performen die Hotels in Südeuropa im Augenblick besser als die in Deutschland und Nordeuropa. Daher fließt auch viel Kapital nach Südeuropa, wo wir einen etwas flüssigeren Transaktionsmarkt beobachten. Allerdings gibt es inzwischen auch in Deutschland 30 Prozent mehr Möglichkeiten für Übernahmen als noch im Jahr 2022. Es sind definitiv mehr Hotels auf dem Markt, aber es gibt noch keine Unterzeichnungen. Der Immobilienmarkt hierzulande bewegt sich langsam, doch er wird wieder aufleben, da bin ich zuversichtlich. Insgesamt laufen die Hotels ja alle gut und die Hotellerie hat einmal mehr bewiesen, sehr resilient zu sein.
Über Willemijn Geels
Willemijn Geels (43) wurde in den Niederlanden geboren. Ihre Karriere in der Hotellerie begann sie mit einem Praktikum im Hotel Intercontinental Paris Le Grand und im Hotel Intercontinental Dubai. Danach studierte sie Hospitality- und Immobilien-Management an der ESSEC Businessschool in Cergy-Pontoise, Frankreich. Ihr Studium schloss sie 2004 erfolgreich ab.
Im Anschluss war sie im Development von Best Western Frankreich tätig und in der Hotelabteilung von Deloitte. 2008 wurde Geels Development & Acquisition Director für Europa bei der Louvre Hotel Group. Für diese war sie sieben Jahre lang im Einsatz. 2015 wechselte sie in das Development von IHG, wo sie heute die Position des Vice President Development Europe mit Sitz in Paris einnimmt. In ihrer Freizeit kocht sie gern und genießt Zeit mit der Familie, am liebsten im Freien.
Welche Veränderungen können Sie seit der Pandemie beim Reiseverhalten feststellen?
Es gibt und wird auch in Zukunft weniger kurze Businessreisen geben. Digitalisierte Meetings ersetzen die Day Trips. Dafür werden die Business-Aufenthalte insgesamt länger werden, was wiederum den Übernachtungen zugutekommt. Die Gäste verbinden zunehmend mehrere Meetings in einer Reise, anstelle mehrere Tagesreisen zu unternehmen, oder sie ergänzen ihren Businessaufenthalt um Freizeit. Die Event-Branche erholt sich gerade sehr gut, und wir rechnen auch mit einem Plus an Leisure-Reisen ebenso wie mit einem Trend zu längeren Aufenthalten.
In welchen Abstand überholt IHG das Design seiner Marken – und welche Entwicklung halten Sie auf diesem Gebiet für besonders zukunftsweisend?
Wir stellen uns ständig der Herausforderung, dafür zu sorgen, dass unsere Marken relevant bleiben und dass das Design sowohl die Identität der Marke als auch den Standort und die spezifische DNA des Hotels widerspiegelt. Das ist ein gemeinschaftlicher Prozess, an dem wir mit unseren Eigentümern und internen Teams arbeiten.
Können Sie dafür Beispiele nennen?
Unser Intercontinental Lyon Hotel Dieu in Frankreich: Dieses Hotel war die größte private Renovierung eines historischen Denkmals in Frankreich. Mit Rücksicht auf die Geschichte und den Charakter des Hotels wurden viele Aspekte des Hauses liebevoll erneuert. Wir wussten, wie wichtig es ist, dies richtig zu machen. Bei der Designphilosophie von Hotel Indigo geht es darum, Geschichten aus der Nachbarschaft zu erzählen. Für unsere wichtigsten Marken gibt es kontinuierlich Design-Innovationen, um deren Fortbestehen in unserem gesamten Portfolio zu gewährleisten. Die Open Lobby von Holiday Inn ist nun in der überwiegenden Mehrheit der europäischen Hotels zu finden. Sie hat zu einer deutlichen Verbesserung der Gästezufriedenheit und des Erlöses pro verfügbarem Zimmer (RevPar) geführt. Auch die F&B-Umsätze sind gestiegen, weil sich die Gäste entschließen, einen größeren Teil ihrer Zeit in unserer modernen und lebendigen neuen Umgebung zu verbringen.
Sie sind seit vielen Jahren im Development von Hotelgruppen tätig. Was macht den Reiz dieser Position für Sie aus?
Ich liebe die Vielseitigkeit dieser Aufgabe und die Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Interessengruppen während des gesamten Projektzyklus. Eine Funktion in der Entwicklung bedeutet, dass man Koordinator und Vermittler in einem Projekt ist, an dem viele Menschen mit ihren spezifischen Fähigkeiten beteiligt sind. Unsere Aufgabe ist es, sie alle zusammenzubringen. Ein anderer Aspekt, der mich nach wie vor reizt, ist die Tatsache, dass es sich um etwas Konkretes handelt und dass man zu etwas sehr Greifbarem beiträgt. Es ist faszinierend, an dem Prozess teilzunehmen, sich das Hotelprojekt vorzustellen, zu sehen, wie es gebaut wird und dann zu erleben, wie das Hotel mit Kunden, Gästen und Kollegen zum Leben erwacht. Das Besondere an Hotels als Anlageklasse ist, dass sie lebendige Gebäude sind, in denen immer etwas passiert. Der menschliche Aspekt steht bei unserer Arbeit im Mittelpunkt.
Welchen Karrieretipp würden Sie Frauen geben, die sich für eine Führungsposition in der Hotellerie interessieren?
Ob im Hotelbetrieb oder auf der Unternehmensebene: In unserem Sektor gibt es viele Möglichkeiten für talentierte und motivierte Frauen. Ich empfehle ihnen, ihre Träume zu verfolgen, in Möglichkeiten zu denken – denn es gibt keinerlei Beschränkungen – neugierig zu sein und jeden Tag dazuzulernen. Bei der IHG sind 58 Prozent aller Mitarbeitenden weiblich. 34 Prozent unserer Führungskräfte sind weiblich, was unser Engagement für Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration unterstreicht.