Die Hamburger identifizieren sich voll mit ihrer Heimatstadt: 87 Prozent der Hanseaten freuen sich, wenn sie Besuch von außerhalb „ihre“ Stadt zeigen können. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Tourismusverband Hamburg e.V.
Hamburg – Ergänzend wurde das Institut für Nachhaltigen Tourismus (Inatour) mit einer umfassenden Studie unter Branchenexperten beauftragt, um die sozialen und gesellschaftlichen Effekte des Fremdenverkehrs in der Hansestadt ausführlich zu untersuchen. Dafür wurden mehrere hundert Touristiker befragt, Tiefeninterviews geführt und zahlreiche Podcasts sowie Reiseführer analysiert.
„Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl die Willkommenskultur als auch die Auswirkungen des Tourismus überwiegend positiv wahrgenommen werden – und das nicht nur von der Branche, sondern auch von den Hamburgern“, fasst Prof. Dr. Harald Zeiss, Gründer von Inatour und Professor für Tourismusmanagement an der Hochschule Harz, zusammen. „Doch es gibt auch Handlungsbedarf.“
Weltoffene Hafenstadt – die Ausgangslage
Die Hafenstadt Hamburg war schon immer vom internationalen Handel geprägt und profitiert somit seit jeher vom Einfluss verschiedener Kulturen. Mittlerweile ist Hamburg die Metropole mit den drittmeisten Konsulaten weltweit. Auch in der Architektur lassen sich viele Beispiele für den Einfluss verschiedener Nationen und Kulturen finden – darunter der Alsterpavillon, die Englische Kirche und das beliebte Portugiesenviertel. Gleichzeitig entwickelte sich die Identität Hamburgs auch aus einer gewissen Gediegenheit als Kaufmannsstadt heraus, mit der Elbchaussee und ihren Villen sowie den verschiedenen Reedereien.
Aufgrund der Zuwanderung ist die Bevölkerung Hamburgs sehr divers, sodass sich Reisende heutzutage meist gar nicht von Einwohnenden unterscheiden lassen. Daher kommt es laut den 300 Befragten aus der Reisebranche auch vergleichsweise selten zu Konflikten zwischen Urlaubenden und der einheimischen Bevölkerung. Erfahrene Touristiker beschreiben die Integration von Menschen aus verschiedenen Ländern in den Podcasts und Interviews als eine positive Eigenschaft Hamburgs.
Prof. Norbert Aust, Präses der Handelskammer Hamburg und Geschäftsführer der ABH Besucherhaus GmbH Pierdrei Hotel HafenCity Hamburg, sieht Weltoffenheit sogar als eine ökonomische Notwendigkeit oder Selbstverständlichkeit. Hier sei aus Sicht der Experten noch immer der Hafen ein wesentlicher und identitätsstiftender Einflussfaktor, aber auch der Tourismus habe über die Jahrzehnte zunehmend an Bedeutung gewonnen.
84 Prozent der befragten Touristiker sind der Ansicht, er hätte maßgeblich daran mitgewirkt, Hamburg zu der Stadt zu machen, die sie heute ist. Der Fremdenverkehr sei also mehr als ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sondern eine sozio-kulturelle Bereicherung für Hamburg, die auch die Lebensqualität der Einwohnenden steigert.
Hamburg punktet mit Wasser
Hamburg in einem Wort: wunderschön, vielseitig, weltoffen. Für letzteres sei für 81 Prozent der befragten Brancheninsider auch der Tourismus entscheidend verantwortlich. Es ist wenig überraschend, dass die angesprochenen 300 Touristiker ein Faible für die Hansestadt haben. Doch auch die befragten Hamburger sind sich einig. Gefragt danach, ob sie Besuch gerne „ihre“ Stadt zeigen, antworten 87 Prozent zustimmend. Nur 7 Prozent stimmen eher nicht zu und 2 Prozent äußern sich komplett ablehnend. Dabei punktet Hamburg erneut mit Wasser.
Denn am liebsten präsentieren sie ihren Gästen die Alster (46 Prozent), gefolgt von den Landungsbrücken (45 Prozent) und der Elbphilharmonie sowie der Speicherstadt (je 44 Prozent). Interviewte Experten sehen sogar eine Verschiebung der Promenade von der Innenstadt in die HafenCity und Speicherstadt – was die repräsentativen Zahlen untermauert. Hier sei laut Andreas Fleck, Geschäftsführer des Traditionsunternehmens FahnenFleck, die Anbindung beider Ziele, der Alster und der Elbe, durch den ÖPNV erforderlich – sei es durch eine Brücke, eine Seilbahn oder einen Tunnel.
Ein weiterer Magnet für Besuchende ist seit Jahrzehnten der Stadtteil St. Pauli, wo früher hauptsächlich Seefahrende auf Einheimische trafen. Heute ist nicht nur das Vergnügungsviertel, sondern die ganze Hansestadt für ihre Vielfalt und Weltoffenheit bekannt – was sie nicht zuletzt dem Hafen und Handel verdankt. Mit ihren Gästen statten aktuell 30 Prozent der Hamburger Reeperbahn & Großer Freiheit einen Besuch ab.
Willkommenskultur
Egal wo, ob am Wasser oder auf St. Pauli, die Menschen sollen sich in Hamburg willkommen fühlen. Die Aussagen von 90 Prozent der befragten Touristiker zeichnen hier ein – zugegeben wenig überraschend – eindeutiges Bild. Doch wie ist es um die Willkommenskultur der Stadt gestellt? Sowohl 78 Prozent der repräsentativ befragten Hamburger als auch der teilnehmenden Touristiker bewerten die Hamburger Willkommenskultur positiv, 17 Prozent neutral. „Es ist eine spannende Parallele, dass die Brancheninsider und die Bevölkerung diesen wichtigen Punkt gleich einschätzen.
Allerdings lässt es schon aufmerken, dass sich ein so großer Anteil der teilnehmenden Experten nur ‚neutral‘ äußert“, sagt Wolfgang Raike, Vorstandsvorsitzender des Tourismusverband Hamburg. „Die vorherrschende Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Toleranz der Mitarbeitenden an touristischen Orten und der Bevölkerung sind hier nicht ausschlaggebend – denn diesen Punkten erteilt die Branche gute Noten. Verbesserungsbedarf wird vielmehr bei der mehrsprachigen Unterstützung und klaren Beschilderung gesehen.
Außerdem seien ein zentraler Anlaufpunkt für Besuchende, mehr Busparkplätze sowie ein Ausbau der öffentlichen Toiletten erforderlich.“ Dies äußern auch die Experten in den Tiefeninterviews. Das „Tor zur Welt“ müsse mit Bedeutung gefüllt und gelebt werden. Dafür habe die Hansestadt laut Reinhard Wolf, Stellv. Vorstandsvorsitzender Hamburg Cruise Net, laut Präambel der Hamburger Verfassung sogar eine besondere Verantwortung – auch für die Internationalität.
Auswirkungen des Tourismus
Bei der Frage, ob die Interessen der Einwohnenden beim Ausbau des Tourismus ausreichend berücksichtigt werden, herrscht Skepsis in der Reisebranche. 22 Prozent der Befragten sehen negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der Menschen – für 16 Prozent hätten diese in den vergangenen zehn Jahren sogar noch stärker zugenommen. So gibt es Bedenken hinsichtlich Überfüllung, Infrastrukturüberlastung und steigender Preise. Hier beruhigt der Blick auf die repräsentativen Zahlen. Denn für 61 Prozent der Hamburger überwiegen in Hamburg die positiven Auswirkungen des Tourismus – im Übrigen auch für 62 Prozent der Touristiker.
Nur 8 Prozent der Hamburger sehen mehr Nachteile und 31 Prozent bewerten die guten und schlechten Effekte als ausgeglichen. „Es ist nun unsere Aufgabe, dieses positive Bild zu halten und zu fördern. Daher sollten wir gezielt daran arbeiten, auch diese 39 Prozent der Hamburger Bevölkerung zu erreichen, die sich nicht ausschließlich positiv oder gar negativ zu den Auswirkungen des Tourismus in Hamburg äußern“, sagt Wolfgang Raike. „Dies gelingt durch transparentere Kommunikation, das Einbeziehen von Minderheiten und nicht zuletzt durch das Fördern des Tourismus in der eigenen Stadt – zum Beispiel über spezielle Angebote für Einwohnende.“
Die Studie zeigt, dass eine kontinuierliche und nachhaltige Weiterentwicklung des Hamburger Tourismus nötig ist, um den Ansprüchen der Einwohnenden und der Reisenden gleichermaßen gerecht werden und auf die sich ändernden Bedingungen reagieren zu können. So sind zum Beispiel Mehrsprachigkeit und besser zugängliche Informationen für Reisende unerlässlich. Um mit den Worten von Hubert Neubacher, Geschäftsführer von Barkassen-Meyer, zu einem für Hamburg so typischen Attribut zu schließen: „Eine Weltoffenheit kann nur dann entstehen, wenn man Dingen offen gegenübersteht oder sich zumindest damit auseinandersetzt.”
Zur Methodik
Für die repräsentative Umfrage befragte das unabhängige Markt- und Sozialforschungsinstitut Norstat im November 2023 insgesamt 1002 Hamburger zum Tourismus in der Hansestadt. Bei der Frage zu den beliebtesten Orten, die Gästen gezeigt werden, waren bis zu drei Antworten möglich. Das Institut für nachhaltigen Tourismus führte im Herbst 2023 im Rahmen der Studie zu den sozialen und gesellschaftlichen Effekten des Tourismus in Hamburg fünf unterschiedliche qualitative sowie quantitative Untersuchungen durch:
- 1. Analyse historischer Zeitungsartikel aus den Jahren 1701 bis 1945. Über das Portal Hamburger Zeitungen Digital wurden sechs von der Deutschen Forschungsgemeinschaft digitalisierte Zeitungen einer Medieninhaltsanalyse unterzogen. Durch Suche nach Schlagworten fanden sich Artikel, die Rückschlüsse über die Haltung der Hamburger Bevölkerung gegenüber Reisenden geben.
- 2. Analyse von neun historischen Reiseführern aus den Jahren 1899 bis 1950. Acht der Reiseführer wurden vom damaligen Fremdenverkehrsverein Hamburg veröffentlicht, einer davon auf Englisch. Ein weiterer wurde von der Hammonia-Rundfahrt-Gesellschaft herausgegeben. Der Fokus der Untersuchung lag auf den Aussagen bezüglich der Beziehung und Interaktion von den Reisenden mit der Bevölkerung Hamburgs.
- 3. Untersuchung von sieben Folgen des Podcast „Hamburg schnackt“, Tourismusverband Hamburg e.V. Vorab wurden drei standardisierte Fragen entwickelt und die Aussagen der Akteure aus dem Tourismusbereich anschließend verglichen. Dabei lag der Fokus auf Aussagen zur Haltung der Bevölkerung gegenüber Touristen und der Entwicklung des Fremdenverkehrs in Hamburg.
- 4. Qualitative Forschung – Interviews mit Experten aus dem Tourismusbereich in Hamburg. Die zehn Gespräche fanden in der Zeit von Anfang November bis Anfang Dezember statt. Vergleichbarkeit gewährleistete ein Gesprächsleitfaden zur Stadt Hamburg, der Beziehung zwischen Reisenden und der lokalen Bevölkerung, den aktuellen Auswirkungen des Tourismus in Hamburg sowie den künftigen Entwicklungen und Herausforderungen für die Branche in den Fokus nimmt. Zur Auswertung wurden die Gespräche transkribiert und die inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz angewendet. Dabei wurden Schlagwörter formuliert, die die Hauptaspekte der Gespräche repräsentieren. Die Textabschnitte wurden dann den Schlagwörtern zugeordnet, zusammengefasst und gegenübergestellt, sodass Zusammenhänge und Diskrepanzen herausgearbeitet werden konnten.
- 5. Quantitative Forschung – Umfrage unter Brancheninsider zum Tourismus in Hamburg. Die Befragung wurde im Zeitraum von Mitte Oktober bis Mitte November über den Verteiler des Tourismusverbands Hamburg e.V. an Beteiligte des lokalen Tourismussektors versendet. 301 Fragebögen wurden beantwortet. Die Umfrage enthielt sowohl Multiple-Choice-Fragen als auch Freitextfelder zu den Aspekten der Sozio-Demografie, der Stadt Hamburg, den Interaktionen zwischen Reisenden und Einwohnenden sowie den Auswirkungen des Tourismus in Hamburg.
- www.tourismusverband-hamburg.de