Mit dem Tourismusbarometer erheben Deloitte und ÖHV jährlich die Stimmungslage im Tourismus. Heuer wurden rund 230 Touristikerinnen und Touristiker zu ihren Einschätzungen aktueller wirtschaftlicher Entwicklungen befragt. Das Ergebnis: Zwar lässt die nachfrageseitige Erholung die Branche überwiegend optimistisch in die Zukunft blicken, doch der Kostendruck wiegt schwer. 9 von 10 Befragten spüren negative Auswirkungen durch Teuerungen.
„Die Grundstimmung im österreichischen Tourismus hat sich definitiv verbessert. Die enorme Kostensteigerung ist allerdings eine echte Hürde, weil viele Betriebe diese nicht vollständig an die Gäste weitergeben können“, betont Andreas Kapferer, Partner bei Deloitte Österreich. „Die Politik ist gefordert: Die Energiekosten-Unterstützungen sind zwar hilfreich, aber was es jetzt braucht, sind Maßnahmen, um den Preisdruck zu verringern und die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu sichern.“
Reges Treiben in den Städten
Grundsätzlich ist ein Aufschwung des Tourismus in ganz Österreich zu spüren. Die Mehrheit der Befragten zeigt sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung im eigenen Bundesland zufrieden. Vor allem der Städtetourismus läuft auf Hochtouren. Dementsprechend ist man im Bundesländervergleich in Wien besonders optimistisch, was die Umsatzentwicklung im aktuellen Geschäftsjahr betrifft.
„92 % der befragten Wiener Betriebe gehen von einer Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr aus. Das ist erfreulich, gleichzeitig ist dieser Optimismus in einem hohen Maß darauf zurückzuführen, dass der Städtetourismus den pandemiebedingten Einbruch am stärksten zu spüren bekam. Der Aufwind war also dringend notwendig“, analysiert Markus Gratzer, Generalsekretär der ÖHV.
Pragmatischer Umgang mit Arbeitskräftemangel
Das Dauerthema Arbeitskräftemangel bleibt auch 2023 omnipräsent: Doch die Studie deutet darauf hin, dass die Branche ihrerseits Lösungen findet. Zwar gestaltet sich die Mitarbeitersuche für 87 % gleich schwierig oder noch schwieriger als bisher, aber insgesamt zeigt das verstärkte Personalmanagement der Betriebe seine Wirkung. Während 2021 noch 80 % wirtschaftlich negativ von der Arbeitsmarktsituation betroffen waren, sind es heuer nur mehr 58 %.
„Die Tourismusbetriebe passen sich an die neue Situation an. Die gehobene Hotellerie bietet praktisch flächendeckend Extras, um sich als Arbeitgeber von der Masse abzuheben. Das sind oft flexible, auf individuelle Bedürfnisse abgestimmte Arbeitszeiten, Mitarbeiterunterkünfte oder Kinderbetreuungsangebote. All diese Maßnahmen wirken überzeugend“, berichtet Markus Gratzer.
Nachhaltigkeit wird essenziell für Kreditvergabe
Im Gegensatz zur Personalsituation hat sich die aktuelle Finanzierungslage weiter zugespitzt. Laut Studie ist es für 58 % der Tourismusunternehmen schwerer geworden, Kreditfinanzierungen zu erhalten. Ursprünglich für 2023 geplante Investitionen werden von 36 % reduziert. Hinzu kommt, dass sich in absehbarer Zukunft voraussichtlich auch die Kreditvergabekriterien verändern werden: In den nächsten fünf Jahren werden gemäß einer neuen EU-Richtlinie die meisten Banken in Sachen Nachhaltigkeit, Soziales und Unternehmensführung berichtspflichtig.
Für die Tourismusbetriebe könnte das zur Folge haben, dass sämtliche als nicht nachhaltig eingestuften Investitionsvorhaben nur mehr schwer umsetzbar wären. Allerdings hat die Branche in diesem Zusammenhang schon erste Schritte in die richtige Richtung gesetzt: 96 % der Befragten haben Maßnahmen im Bereich Nachhaltigkeit getroffen. Doch auch sozialbewusstes Agieren und Unternehmensführung müssen mehr in den Fokus rücken.
„Die Unternehmerinnen und Unternehmer sind gut beraten, jetzt entsprechende Maßnahmen zu setzen und strukturiert zu dokumentieren. Dazu zählen neben umweltschonenden Praktiken und sozialem Engagement auch ein Diversitätskonzept oder ein Programm zur Geldwäschebekämpfung. Eine detaillierte Aufzeichnung wird schon bald für jeden Betrieb, der eine Kreditfinanzierung anstrebt, von großer Bedeutung sein“, erklärt Deloitte Experte Andreas Kapferer abschließend.