Positionierung in der Hotellerie ist ein organisiertes System, um ein Fenster im Gedächtnis der Gäste zu öffnen und sich dort zu verankern, schreibt der Hotel- und Strategieexperte Dr. Christoph Nussbaumer. Wie aber erreicht man als Hotelier eine klare und plausible Positionierung, die auch Mehrwert schafft? Lesen Sie den grossen Hotel Inside-Report zum Thema Strategie & Positionierung von Hotels.
Positionierung bedeutet Position zu beziehen und für etwas Bestimmtes zu stehen und anderes auszuschliessen. In der Konsequenz ist Positionierung eine bewusste Bevorzugung bestimmter Gäste und ein Verzicht auf andere Gäste.
Nun könnte gleich der Einwand kommen, dass man es sich nicht leisten könne, auf Gäste zu verzichten und für alle Gäste da sein müsse. Ein fataler Irrtum! Die Gäste können sich heute umfassend informieren und wählen ein Hotel, das am besten ihre Erwartungen decken wird. Nicht positionierte Hotels bieten vielleicht einen durchschnittlichen Nutzen, aber kein spannendes Profil. Solche Hotels argumentieren primär über Preise, da sie keine herausragenden Nutzenkriterien bieten können.
Positionierte Hotelbetriebe sind erfolgreicher!
Zu viele Hotelbetriebe in der Schweiz (etwa zwei Drittel der rund 4200 Hotels), in Deutschland und Österreich sind für alle Gäste da und haben auch deswegen eine schlechte betriebswirtschaftliche Performance. Beispiel: 47% aller 2996 analysierten Hotelbetriebe in Österreich haben eine negative Umsatzrentabilität, und 34% aller Hotelbetriebe haben ein negatives Eigenkapital. Es gibt klare Hinweise und sogar Fakten, dass positionierte Betriebe erfolgreicher sind als nicht positionierte.
Positionierung ist das Ergebnis der Strategieentwicklung
Was bedeutet nun „positioniert“ zu sein, und wie schafft man es, sich im Gedächtnis der Gäste zu verankern? Positionierung ist das Ergebnis der Strategieentwicklung. Ein Kinderhotel mit 5 Smileys ist zum Beispiel schon zweidimensional positioniert: 1. Familien mit Kindern und 2. hohe Qualität.
Weitere Dimensionen können aus Sicht des Gästenutzens kreiert werden, wie zum Beispiel die Größe und Ausstattung der Zimmer, die Qualität und Größe der Wasserrutsche, die Attraktivität des kulinarischen Angebotes, die Tiefe und Breite des Wassersport- oder Reitangebots, die Intensität der Kinderbetreuung und vieles mehr. Je klarer und ausgeprägter das Profil, desto positionierter ist das Hotel und desto stärker ist die Nachfrage, vorausgesetzt man begeistert die Gäste.
In der Strategieentwicklung werden die Dimensionen und die Ausprägung der Erfolgskriterien bestimmt. Es liegt auf der Hand, dass die Anzahl und die Qualität jeder einzelnen Ausprägung von Erfolgsfaktoren mit Investitionen und Kosten zu tun haben, die einen erheblichen Einfluss auf das betriebswirtschaftliche Ergebnis haben. Aufgabe der Strategie ist es, den besten Dimensionen-Mix, das heisst die beste Positionierung zu finden, und das ist für jedes Haus eine andere.
Vergessen Sie niemals, den Preis an den durch Investitionen gesteigerten Gästenutzen anzupassen. Qualität hat seinen Preis und der Preis ist eines der wichtigsten Qualitätsindikatoren. Eine neue Positionierung sollte stets mit einer Preis-Strategie ergänzt werden.
Auch bestehende Hotelbetriebe können erfolgreich neu positioniert werden
Bei neuen Hotelprojekten ist die Erarbeitung einer Positionierung im Rahmen der Strategieentwicklung selbstverständlich. Keine Bank finanziert ein neues Hotelprojekt, wenn kein schlüssiges Konzept vorliegt. Bei bestehenden Hotelbetrieben sollte eine Neupositionierung systematisch angegangen werden. Eine Veränderung der Strategie bedeutet in der Regel Investitionen, andere Zielgruppen, die anders angesprochen werden wollen und meist höhere Preise. Solche schwerwiegenden Veränderungen bedürfen einer intensiven Beschäftigung mit der Strategie und den Einsatz bewährter Strategiewerkzeuge.
Die Erarbeitung einer Strategie beginnt mit einer systematischen und gründlichen Analyse der Ausgangssituation. Dabei sollte eine Reihe von Kennzahlen über einen längeren Zeitraum und auch Benchmarks als Vergleich herangezogen werden. Auch die Mitbewerber und das Umfeld sollten systematisch untersucht werden. Wenn Klarheit über die eigenen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken (SWOT-Analyse) besteht, dann können „Strategische Alternativen“ erarbeitet und bewertet werden. Dies kann visionär erfolgen, indem ein Leitbild entworfen wird mit den Elementen Vision, Mission und Werte. Oder man kann auch den generischen Ansatz wählen und verschiedene Alternativen entwickeln. Manchmal ist auch eine kombinierte Strategieentwicklung erfolgversprechend.
Jedes Hotel verdient eine optimale Positionierung
Sich zu positionieren bedeutet, sich für eine bestimmte strategische Alternative zu entscheiden und alle anderen zu verwerfen. Wie kann man aber sicher sein, dass gerade die gewählte Strategie die optimale ist?
Die Kunst besteht darin, die Alternativen detailliert zu visualisieren und professionell zu bewerten. Dies bedeutet, die einzelnen Alternativen nicht nur nach Vorteilen und Chancen, Nachteilen und Risiken hin zu analysieren, sondern vor allem quantitativ bis ins letzte Detail zu berechnen. Wir empfehlen eine detaillierte Durchrechnung aller Alternativen mithilfe von Szenario-Rechnungen, die in der Lage sind, alle betriebswirtschaftlich relevanten Kennzahlen in ihrer Vernetzung auf mehrere Jahre abzubilden. Ein Alternativen-Vergleich hilft, die optimale Strategie und somit Positionierung zu finden. Wenn dann noch Ihr Bauchgefühl passt, dann kann mit der Neu-Positionierung gestartet werden.
PS: Die Strategie ist auch die Basis für weitere erfolgsentscheidende Aktivitäten, wie zum Beispiel Markensteuerung, Budgetierung, Controlling, Implementierung und Marketing.
Raphael Wyniger über die Positionierung von Hotels
„Der Positionierung kommt in unserer Branche eine große Bedeutung zu, da auf gesättigten Märkten (wie dies im Tourismus der Fall ist) eine Differenzierung gegenüber den Mitbewerbern häufig ausschließlich über eine andere Positionierung erfolgen kann. Eine gute, stringente Positionierung stellt also einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor dar. Und sie wird in der Hotellerie und im Tourismus leider oft vernachlässigt. Meine These: Eine sinnvolle Positionierung entscheidet über Erfolg und Misserfolg. Und beantwortet relevante Fragen, wie zum Beispiel: Für welches Angebot soll sich ein außenstehender, potenzieller Gast entscheiden, wenn alle angebotenen Produkte grundsätzlich gleich sind? Zum Beispiel: Welches Hotel in Basel soll ich buchen, wenn 60 Angebote auf dem Markt sind, die sich in ihrer Grundleistung ähnlich sind?
Zunächst gilt es, den Begriff der Positionierung zu definieren. Wikipedia fasst dies schön zusammen: Die Positionierung im Marketing bezeichnet das gezielte, planmässige Schaffen und Herausstellen von Stärken und Qualitäten, durch die sich ein Produkt oder eine Dienstleistung in der Einschätzung der Zielgruppe klar und positiv von anderen Produkten oder Dienstleistungen unterscheidet.»
Oder kurz zusammengefasst: Bei der Positionierung geht es um «Was das Produkt leistet – und für wen».
Ich behaupte: Jedes erfolgreiche Hotel muss sich eindeutig von den Mitbewerbern unterscheiden, um nachhaltig Erfolg zu haben. Und zwar, indem es sich auf ein klar definiertes Konzept und damit auf die verbundene Zielgruppe konzentriert.“
Raphael Wyniger, Inhaber Wyniger-Gruppe (u.a. Teufelhof), Basel.
Dank Hotel-Check eine klare Positionierung
Hans R. Amrein, Publizist und Gesellschafter bei Hotel Inside, hat vor einigen Jahren eine neuartige Hotel-Check-Methode entwickelt, die zum Ziel hat, eine erfolgsversprechende, authentische Positionierung zu erreichen. Dank der Hotel-Checks konnten in den letzten Jahren mehrere Hotels – vom 2-Sterne- bis zum 5-Sterne-Haus – klar positioniert werden. Daneben erfährt der Hotelier, in welchem Zustand sein Hotel aktuell ist (Qualität, Standards, Service usw.). Der Hotelexperte Peter Neuhaus sprach mit Amrein über die Checks und das Thema Positionierung.
Hans R. Amrein, Sie testen seit vielen Jahren Hotels im In- und Ausland. Sie haben eine eigene Hotel-Check-Methode entwickelt. Worin liegt der Nutzen für den Hotelier oder Gastronomen?
Der Hotel-Check führt am Ende zu einer klaren Positionierung des Betriebes. Der Betrieb erhält ein starkes Profil. Es soll sich klar von seinen Mitbewerbern unterscheiden (Differenzierung). Der Gastgeber/Kunde erhält konkrete Lösungsansätze, die er im Alltag praktisch umsetzen kann. Praxis statt Theorie lautet das Motto des Hotel-Checks. Und: Es geht immer auch darum, die Ertragslage des Betriebes zu optimieren und, wenn möglich, Kosten zu reduzieren. Das Ziel des Hotel-Checks: glückliche Gäste, die Erwartungen des Gastes werden übertroffen, mehr und positive Gästebewertungen, Steigerung der Auslastung (auch zu schwachen Zeiten), einzigartige Angebote und, wie gesagt, Kosteneinsparungen dank Analyse aller Bereiche vor Ort sowie Ertragssteigerung dank klarer Positionierung.
Es gibt „normale“ und „Special HotelChecks“.
Richtig, der grosse Hotel-Check umfasst alle Bereiche eines Hotels – von der Ankunft bis zum Check-out, von der Webseite bis zu den Gästebewertungen. Die Hotels erhalten im Anschluss konkrete Lösungsansätze.
Beim Special Hotel-Check wird nur ein Bereich des Hotels überprüft, getestet und analysiert – zum Beispiel die Gastronomie (Food & Beverage), die öffentlichen Räume (Lobby, Rezeption), die Zimmer (Rooms-Bereich inkl. Bad), der Konferenz- oder Wellnessbereich oder die Service-Leistungen (Mitarbeitende, Freundlichkeit, Aufmerksamkeit, Gästebetreuung, Serviceabläufe). Die Kosten werden im Vorfeld definiert und hängen von Betriebsgrößen und Anzahl der Special Hotel-Checks ab.
Es gibt auch Mystery Checks. Worin liegt der Unterschied?
Ganz wichtig: Der Hotel Check ist kein Mystery Check! Bei sogenannten Mystery Checks geht es nur darum, im Sinne einer Momentaufnahme Mängel im operativen Bereich eines Betriebes zu entdecken. Zudem sind Mystery-Tester keine Profis, es sind in der Regel Laien, die als „Hotelgäste“ getarnt einen Betrieb aufsuchen und nach Schwachstellen suchen. Sie verfügen, im Vergleich zum professionellen Hotel-Tester, nicht über das nötige Branchen-Wissen und Know-how und sind auch nicht in der Lage, konkrete Lösungsansätze aufzuzeigen.
Zwei Drittel der Schweizer Hotels seien austauchbar und nicht klar oder gar nicht positioniert, sagen Sie.
Richtig, die meisten Schweizer Hotels verkaufen vor allem Zimmer oder Betten, sie verkaufen sich am Ende über den Preis. Und das führt – wirtschaftlich gesehen – in die Sackgasse. Ich stelle den Hoteliers und Restaurateuren am Anfang immer ein paar Fragen, zum Beispiel: Sind Sie bereit, Ihr bisheriges Geschäftsmodell zu hinterfragen? Warum soll ich als Gast bei Ihnen ein Zimmer buchen? Differenzieren Sie sich am Markt von Ihren Mitbewerbern? usw.
Gut positionierte Betriebe sind für Mitarbeitende attraktiver, will heissen: Erfolgreich positionierte Hotels finden – auch in Zeiten des Fachkräftemangels – geeignete und motivierte Mitarbeitende.
So ist es! Wer will schon in einem austauschbaren Hotel oder Restaurant arbeiten? In einem Betrieb, der sich nur über den Preis verkauft? Ist das cool und spannend? Ich glaube, die Antwort liegt auf der Hand. Und noch etwas: Ich kenne klar positionierte Hotels, die wirklich keine Probleme haben, gute Mitarbeitende und Talente zu finden!
Ihr Schlusswort?
Nur einzigartige Hotels, die dem Gast auch einzigartige Erlebnisse vermitteln, haben eine gute Zukunft.
Bildlegende Hauptfoto: Hotel Schweizerhof Luzern (Positionierung: Festivalhotel mit Events und Geschichte). Zielgruppe: Musik- und Kulturfreunde.